Besseres Verständnis chemischer Prozesse Grazer Forscher versenden und empfangen einzelne Moleküle
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20. November 2020, 16:10 Uhr
Forschern der Universität Graz ist es erstmals gelungen, einzelne Moleküle zielgenau zu versenden und zu empfangen. Auch die Geschwindigkeit der Teilchen konnten sie ermitteln. Dadurch wird ein ganz neues Verständnis chemischer Reaktionen auf atomarer Ebene möglich.
Forscher der Universität Graz in Österreich sind in der Lage, in einer Art molekularer Telegraphie einzelne Moleküle präzise von einem Ort zum anderen und von dort auch wieder zurück zu senden. Dabei wird nicht nur das Molekül selbst, sondern auch die in ihm enthaltene Information wie etwa die Elementzusammensetzung oder die atomare Anordnung transferiert. Der Forschungsgruppe um den Experimentalphysiker Prof. Dr. Leonhard Grill gelang es dabei auch, die Geschwindigkeit einzelner Moleküle zu ermitteln. Durch die neue Grundlagenforschung werden bislang unbekannte Einblicke in Molekülbewegungen bei chemischen Prozessen ermöglicht.
Durch die gezielte Bewegung einzelner Moleküle können wir Einblick in grundlegende physikalische und chemische Prozesse gewinnen, die für die Moleküldynamik - beispielsweise während chemischer Reaktionen oder in der Katalyse - von Bedeutung sind.
Bewegung durch elektrostatische Kräfte
Für ihre Studie, die als Titelgeschichte im Magazin Science veröffentlicht wurde, richteten die Grazer Forscher organische Moleküle auf einer Silberoberfläche mit der feinen Metallspitze eines Rastertunnelmikroskops derart aus, dass sie sich "entlang einer einzigen Atomreihe, also nur in eine Richtung" bewegten, wie Studienleiter Grill erklärt. Er und sein Team stellten dabei fest: Wenn in dieser Situation ein elektrisches Feld eingeschaltet wird, lassen sich einzelne Moleküle durch elektrostatische Kräfte wie auf Schienen perfekt entlang einer geraden Linie bewegen. Je nach Ausrichtung des elektrischen Feldes können die Teilchen entweder durch die abstoßende Wirkung gezielt gesendet oder durch die Anziehungskraft aus großer Distanz empfangen werden.
Molekulares Sender-Empfänger-Experiment
Diesen Effekt nutzten die Grazer Forscher, die für ihre Studie mit Wissenschaftlern aus Aachen und Tennessee kooperierten, für ein molekulares Sender-Empfänger-Experiment. Zwei getrennte Rastertunnelmikroskopspitzen fungieren dabei je nach Ausrichtung des von ihnen erzeugten elektrischen Feldes als Sender (abstoßender Modus) bzw. Empfänger (anziehender Modus). Schaltet man an der einen Spitze den abstoßenden und an der anderen Spitze zugleich den anziehenden Modus ein, bewegt sich das Molekül von der "Senderspitze" zur "Empfängerspitze". Ändert man anschließend die Modi, bewegt sich das Molekül wieder zurück, wobei es die in ihm enthaltenen Informationen jeweils mit transferiert.
Geschwindigkeit von Molekül bestimmt
Das Senden und Empfangen der Moleküle geschieht über für Nano-Dimensionen verhältnismäßig weite Strecken. Die Moleküle in der Größe von zwei Nanometern - ein Millimeter entspricht einer Million Nanometern - wurden dabei über 150 Nanometer gesendet - und das bei einer extrem hohen Präzision von 0,01 Nanometern. Den Forschern gelang es erstmals auch, die Geschwindigkeit eines einzelnen Moleküls zu bestimmen. Diese liegt bei etwa 0,1 Millimeter pro Sekunde, was in der Welt der Nano-Partikel extrem schnell ist (100.000 Nanometer pro Sekunde).
Chemische Reaktionen auf Molekülebene
Nach Angaben von Studienleiter Grill eröffnen die Erkenntnisse "völlig neue Möglichkeiten für die Untersuchung molekularer Energien während chemischer Reaktionen". Zwar wisse man, unter welchen Bedingungen chemische Substanzen miteinander reagieren, aber was genau dabei auf atomarer Ebene vor sich gehe, sei bislang nur teilweise bekannt, sagte Grill MDR WISSEN. Eine der zentralen Fragen sei dabei: "Wie müssen zwei Moleküle kollidieren, damit Reaktionen stattfinden können? Welche Richtungen, welche Struktur und welche Energien müssen Moleküle haben, damit sie chemische Reaktionen eingehen?"
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