Gesundheit Schutz oder Gift? Wieviel Fluorid brauchen wir?
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15. November 2019, 13:56 Uhr
Mehrfach wurde nachgewiesen, dass Fluorid unsere Zähne vor Karies schützt. Doch Kritiker geben zu bedenken, dass es uns auch schaden kann. Von brüchigen Knochen ist die Rede und von Entwicklungsstörungen. Welche Wirkung das Spurenelement auf unseren Körper hat, hängt von der Dosierung und der Art der Anwendung ab. Darüber zumindest sind sich die Experten einig.
Reines Fluor ist ein giftiges Gas. Doch in dieser Form kommt es kaum vor, denn es verbindet sich schnell mit anderen Elementen. Je nachdem, mit welchem, entstehen dann Fluoride: Natriummonofluorphosphat, Aminfluorid und Zinnfluorid zum Beispiel sind die Stoffe, die in der Zahnmedizin eine wichtige Rolle spielen. Sie können unseren natürlichen Zahnschmelz unterstützen, wenn er angegriffen ist. Denn auch wenn er zu den härtesten Materialien in unserem Körper gehört, ist er nicht unverwundbar. Seine kristalline Struktur wird beschädigt, wenn wir Säurehaltiges verzehren. An diesen Schadstellen siedeln sich Bakterien an und können so Karies verursachen.
Fluorid repariert kaputten Zahnschmelz
Diese Schlupfwinkel schließt das Fluorid. Es hilft, neues Kalziumphosphat in den Zahnschmelz einzubauen und lagert sich selbst ebenfalls mit an. Außerdem bremst es die Herauslösung von Mineralien aus dem Zahnschmelz. Für den Erfolg ist die richtige Anwendung entscheidend. Zweimal täglich direkt vor Ort am Zahn aufgebracht wirkt es am besten - also durch die Verwendung einer fluoridhaltigen Zahncreme. Der positive Effekt ist durch mehr als 300 internationale klinische Studien belegt.
Aber auch durch die Nahrung aufgenommen kann Fluorid unser Gebiss schützen - über den Speichel. Deshalb wird der Stoff in vielen Ländern dem Trinkwasser zugesetzt. In Deutschland wird darauf verzichtet, 90 Prozent unseres Trinkwassers enthalten weniger als 0,25g pro Liter. Es gibt jedoch angereicherte Speisesalzsorten und Mineralwasser.
Wie viel Fluorid ist zuviel?
Auch wenn Fluoride für unseren Körper keine Fremdstoffe sind, sondern ganz natürlich in Knochen und Zähnen vorkommen, können sie in größeren Mengen Unerwünschtes bewirken: weiße Flecken oder Braunfärbung auf den Zähnen, poröse Knochen, Schleimhautverätzungen, Übelkeit und Bauchschmerzen.
Doch dazu bedürfte es solch hoher Dosen, dass man dafür eine Menge Zahncreme und Salz verzehren müsste. Als günstige und zugleich unbedenkliche Mengen für die Zahngesundheit gilt die Regel: 30 bis 40 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Für einen Erwachsenen im Alter zwischen 19 und 65 ergibt das eine durchschnittliche Tagesdosis von 3,45 Milligramm. Zum Vergleich: Ein Erwachsener nimmt in Deutschland etwa 04, bis 0,5 mg Fluorid pro Tag über Lebensmittel zu sich - er sollte also durchaus noch etwas zuführen. Erst wenn man die mehrfache Menge der empfohlenen Tagesdosis einnimmt, zeigen sich folgende mögliche Nebenwirkungen nach Einschätzung des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR):
- Bei Kindern bis zu acht Jahren: weiße Flecken auf den Zähnen, bei noch höherem Konsum braune Verfärbungen
- Hochdosierte Einnahme mit 10 bis 25 Milligramm pro Tag über 10 bis 20 Jahre: Skelettfluorose (Gelenkdeformation und Knochenbrüchigkeit)
- Einnahme einer ganzen Tube Kinderzahnpasta (ca. 65 Gramm) bei Kindern: Übelkeit und Erbrechen
- Einnahme von zwei Tuben Kinderzahncreme und einer Tube Erwachsenenzahncreme durch ein Kind: Vergiftung mit tödlichem Ausgang möglich
- Einnahme von 20 bis 40 Tuben Erwachsenenzahncreme durch einen 90 kg schweren Mann: Vergiftung mit tödlichem Ausgang möglich.
- Extrem hohe Fluorideinnahmen (300 bis 600 g pro Tag): Nierenschäden möglich.
Überdosierungen lassen sich leicht vermeiden
Mit Fluorid angereicherte Nahrungsmittel wie Salz und Mineralwasser sind gekennzeichnet. So darf nur Wasser, das weniger als 0,7 Milligramm Fluorid pro Liter enthält, als "geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung" verkauft werden. Natürliche Mineralwasser mit mehr als 1,5 Milligramm Fluorid auf einen Liter müssen einen Hinweis tragen, dass sie für Kinder unter sieben Jahren nicht zum regelmäßigen Verzehr geeignet sind. Wasser mit einer Konzentration von mehr als 5 Milligramm Fluorid darf überhaupt nicht verkauft werden. Kleinkinder sollten keine Zahncreme für Erwachsene benutzen, unter Aufsicht putzen und ausspucken lernen. Wer fluoridiertes Speisesalz verwendet, kann auf zusätzliche Fluorpräparate verzichten.
Fluorid allein schützt die Zähne nicht
Statistisch gesehen bekommen Menschen, die eine fluoridhaltige Zahncreme verwenden, weniger Karies. Doch dabei spielt auch das regelmäßige Putzen an sich - ganz gleich mit welcher Zahncreme - eine entscheidende Rolle. Es beseitigt Plaque, den bakteriellen Zahnbelag, auf dem die "Zahnteufel" lauern. Auch in Sachen Ernährung kann man Zahnschäden vorbeugen: Zucker wird von den Mikroorganismen zu Säure umgewandelt, und diese zerstört den schützenden Schmelz. Auch Nahrungsmittel, die an sich schon Säure enthalten, setzen den Zähnen zu.
Schadet das Spurenelement den Ungeborenen?
2017 verunsicherte eine Studie aus Mexiko werdende Eltern (Environmental Health Perspectives: Bashash et al., 2017). Die Untersuchung kam zu dem Schluss, dass viel Fluorid in der Schwangerschaft die Intelligenz der Kinder beeinträchtigen könnte.
Weltweit berichteten Medien darüber und bebilderten ihre Artikel mit Zahnpasta - dem Produkt, das viele Menschen mit Fluorid assoziieren. Mediziner relativieren die Ergebnisse jetzt. Zum einen hätte die Intelligenz der beobachteten Kinder immer noch im normalen Bereich gelegen. Zum anderen hätte in der Untersuchung Zahnpasta nie eine Rolle gespielt. Stattdessen sollte ermittelt werden, wie sich der Stoff auf Neugeborene auswirkt, wenn Mütter in der Schwangerschaft größere Mengen an Fluorid über Nahrung und Trinkwasser aufgenommen hatten. Anlass dafür waren die starken und unkontrollierten Schwankungen an Fluoridgehalt im mexikanischen Trinkwasser. In Deutschland ist das anders: Hierzulande kann jeder bei seinem Wasserversorger erfragen, wie viel Fluorid sein Trinkwasser enthält.
Experten empfehlen Fluorid zur Kariesprophylaxe
In Anbetracht der geringen Gefahr von Nebenwirkungen und der hohen Wirkung für den Schutz unserer Zähne sind die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und die Deutsche Geselleschaft für Ernährung einig und empfehlen die Anwendung von Fluorid, vorzugsweise direkt am Zahn durch Zahncreme, Fluid, Lack oder durch die Verwendung von Speisesalz bei der Nahrungszubereitung.
Hilft Fluorid gegen Osteoporose?
Fluoride galten seit Anfang der 1960er-Jahre lange Zeit als das Medikament zur Behandlung der Osteoporose und zur Stimulation des Knochenaufbaus, schließlich ist das Spurenelement auch Bestandteil unseres Skeletts. Sie stimulieren die Bildung der Osteoblasten aus Vorläuferzellen im Knochenmark. Die Osteoblasten sind Zellen, die für den Knochenaufbau verantwortlich sind.
Die zweite Fluoridwirkung am Knochen ist allerdings ein unerwünschter Effekt. Fluor wird nämlich in die Kristallstruktur des Knochens mit eingebaut und führt dort zu Mineralisationsdefekten, was den Knochen zwar dichter, dafür aber weniger beanspruchbar und damit brüchiger werden lässt. Es tritt dabei in Konkurrenz zum Calcium – je mehr Fluoridionen und je weniger Calciumionen vorhanden sind, um so höher wird der Anteil von Fluor im entstehenden Knochen. Anfang der 1990er-Jahre belegte eine Studie aus den USA die dadurch erhöhte Brüchigkeit nach höher dosierter Fluorideinnahme. Seitdem ist die Therapie mit Fluorid umstritten, findet jedoch immer noch Anwendung.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 22. Februar 2019 | 10:18 Uhr
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