Tiefsee-Forschung Max-Planck-Forscher entdecken Ethan fressende Mikroben in der Tiefsee

22. April 2020, 17:16 Uhr

Sie leben in 2.000 Metern Tiefe - im Guaymas-Becken mitten im Golf von Kalifornien vor der Küste Mexikos. Winzige Mikroorganismen mit einer eher außergewöhnlichen Nahrungsvorliebe: Sie ernähren sich vom Gas Ethan. Ihre Leibspeise ist also einer der Hauptbausteine von Erdgas. Ein Forschungsteam des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie hat diese winzigen Ethanfresser entdeckt - und sehen in ihnen großes Potential.

Cedric Hahn und Gunter Wegener vor dem Tauchboot ALVIN, mit dem sie in ihr Forschungsgebiet 2.000 Meter unter der Meeresoberfläche tauchen konnten 3 min
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MDR AKTUELL Di 21.04.2020 18:37Uhr 03:25 min

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Wo die Kontinentalplatten zusammenstoßen, kann man sie finden: Heiße Quellen voller Leben - wie Oasen inmitten des Nichts der Tiefsee, wo aus dem Meeresinneren Erdgas strömt. Genau dorthin ist Gunter Wegener (auf dem Bild rechts, links daneben sein Kollege Cedric Hahn) vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie 2016 im Tauchboot ALVIN abgetaucht:

Es dauert eine Stunde dort hinunterzutauchen. Unten nimmt man mithilfe von Greifarmen Proben (…) und sieht direkt aus einer Fensterscheibe, was sich unten eigentlich abspielt. Dort gibt es diese heißen Quellen, dort strömt warmes Wasser in den Ozean ein, da sind viele Minerale drin gelöst, es bilden sich Mineralschlote, an denen viele Krabben leben.

Dr. Gunter Wegener , MPI Bremen

Tauchboot ALVIN auf dem Meeresboden
Tauchgang im Golf von Mexiko: Mit dem Tauchboot ALVIN konnten die Bremer Forscher den Meeresboden erreichen. Dort nutzen sie ALVINs Greifarm, um Sedimentkerne aus dem Meeresboden zu sammeln. Bildrechte: Andreas Teske

Ihre Nachbarn sind aber auch Mikroorganismen, die von den im Wasser gelösten Kohlenwasserstoffen leben. Eingeschlossen in seinen Proben vom Meeresboden hat Wegener solche Mikroben in sein Labor gebracht. Dort kultiviert er sie mit seinem Team - gewissermaßen eine Mikroben-Zucht.

Wir gehen ins Labor und stellen bestimmte Bedingungen der Tiefsee nach. Wir geben ihnen ein bestimmtes Futter, in diesem Fall Ethan oder andere Kohlenwasserstoffe, und einen Stoff, den diese Mikroorganismen atmen können: Sulfat. Dann inkubieren wir sie bei bestimmten Temperaturen um 50 Grad.

Dr. Gunter Wegener, MPI Bremen

Dann heißt es: Warten! Der neue Organismus verdoppelt sich etwa jede Woche und ist damit noch einer der sehr schnell wachsenden Tiefsee-Organismen, sagt Wegener. Das ermögliche den Forschern erstmals umfangreiche Labor-Analysen. Aber was ist das eigentlich genau, was die Bremer da gefunden haben?

Wir haben einen Mikroorganismus gefunden, den wir 'Ethanoperedens thermophilum' genannt haben. Das heißt, ein Ethan-essender Organismus. Und thermophilum, weil er bei warmen Temperaturen lebt. Dieser Organismus ist keine Bakterie. Er ist so klein wie eine Bakterie, aber er ist eine Archaee. Archaeen waren uns noch nicht wirklich lange bekannt und auch der Stoffwechsel, den wir entdeckt haben, war uns noch gar nicht bekannt.

Dr. Gunter Wegener, MPI Bremen

Die Mikroorganismen essen also Ethan und atmen Sulfat - und bauen die Stoffe damit ab. Doch die Forscher konnten zeigen, dass dieser Prozess auch umkehrbar ist: Verwandte von Ethanoperedens könnten also aus Kohlendioxid Ethan erzeugen. Der komplette Stoffwechsel wird also einmal vollständig umgedreht - statt oben rein, kommt das Ethan quasi hinten raus. Geht das im großen Stil, würde das Erdgas als Ethan-Quelle überflüssig machen. Das Team um Wegener will den Mikroorganismus deshalb weiterentwickeln, damit er Ethan produziert, statt es zu verstoffwechseln:

Karte - Guyamas Becken
Bildrechte: MPI Bremen

In Zukunft wollen wir gar kein Erdgas mehr aus den Tiefen fördern. In diesem Fall brauchten wir auch andere Quellen für Ethan, Propan und andere Kohlenwasserstoffe. Wir hoffen, dass wir unseren Organismus soweit bringen können, dass er Ethan oder auch höhere Kohlenwasserstoffe in großen Mengen und später vielleicht auch industriell erzeugen kann.

Dr. Gunter Wegener, MPI Bremen

Wenn das gelingt, wäre es eine Win-win-Situation fürs Klima: Denn wir brauchen Ethan etwa als Kältemittel oder in der Biotechnologie - es ist aber auch ein Energieträger. Es wäre also ein echter Energie-Kreislauf, wenn man Mikroben-Ethan verbrennen würde: Als Ausgangsstoff würde der Mikroorganismus CO2 umwandeln. Am Ende wäre es also ein Nullsummenspiel, erläutert Wegener: Man würde später nur so viel CO2 erzeugen, wie die Organismen vorher gebunden hätten. Doch noch ist das Zukunftsmusik. Erstmal müssten die Forscher den Stoffwechsel des Tiefsee-Bewohners ganz genau verstehen.

Die Ergebnisse der Forschung sind unter dem Titel “Candidatus Ethanoperedens,” a Thermophilic Genus of Archaea Mediating the Anaerobic Oxidation of Ethane im Magazin mBio erschienen.

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