Ernährung Kinder werden als Gourmets geboren

06. September 2020, 10:00 Uhr

Nudeln ohne Soße, Reis am liebsten pur und dazu Pommes und - ganz wichtig - Gummibärchen - viele Eltern kennen das. Die Essvorlieben ihrer Kinder sind nicht unbedingt gesund und vielfältig. Das führt immer wieder zu Diskussionen und Stress am Familientisch. Dabei müsste das gar nicht sein. Denn wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Kinder werden eigentlich eher als Gourmets geboren.

Baby beim Essen
Am Anfang setzen Eltern bei der Umstellung von Milch auf normales Essen auf süßliche Gemüse-Arten Bildrechte: imago images/Westend61

Beim Schmecken sind Babys uns Erwachsenen haushoch überlegen. Sie können besonders feine Geschmacksnuancen wahrnehmen. Das liegt an den Geschmacksknospen auf Zunge, Wangen und Rachen, erklärt Andrea Maier-Nöth, Professorin für Sensorik und Ernährung an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen und Expertin für frühkindliche Geschmacksprägung.

Kleinkinder haben circa 10.000 Geschmacksknospen, das sind die Knospen, die auf der Zunge sitzen und durch die wir die Fähigkeit haben, Geschmack oder Genuss wahrzunehmen. Und der Erwachsene hat circa 3.000 bis 5.000 Geschmacksknospen.

Prof. Andrea Maier-Nöth

Alle Geschmacksrichtungen fördern

Die Geschmacksrichtungen - süß, sauer, salzig, bitter und umami - müssen Babys allerdings noch kennenlernen. Einzig für Süßes haben sie eine Vorliebe. So schmeckt schließlich die Muttermilch. Problematisch sei, sagt Andrea Maier-Nöth, dass Mütter in Deutschland auch nach der Muttermilch vor allem diese Geschmacksrichtung bei den Kindern fördern.

Die Eltern setzen viel zu sehr auf süßliche Gemüsesorten: Kartoffeln, Kürbis, Pastinaken.

Das schmeckt den Kleinen zwar, die verschiedenen Geschmacksrichtungen werden damit aber nicht trainiert. Und das sei wichtig, gerade bei Artischocken, Spinat oder Brokkoli, appelliert die Expertin.

Ich habe in Frankreich und in Deutschland mit einer riesigen Gruppe von Säuglingen gezeigt, dass man eigentlich sieben- bis achtmal braucht, damit ein Kind ein neues Gemüse annimmt. Das war bei den meisten Kindern der Fall.

Wiederholung bringt Akzeptanz

15 Monate später hat Maier-Nöth die Studie wiederholt. Da haben haben die Kinder diese Gemüse immer noch gegessen. Auch später, im Alter von sechs Jahren, wurde das Gemüse immer noch akzeptiert. Wichtig sei, sagt die Wissenschaftlerin, dass man die Beikost bei Kleinkindern nicht immer vermengt. Wie soll ein Kind lernen, wie Spinat schmeckt, wenn er immer mit Fleisch und Kartoffeln gemischt ist? In Frankreich, erklärt Andrea Maier-Nöth, werden Kleinkindern Lebensmittel immer einzeln gegeben.

Die geben Artischocken, Zucchini alleine. So essen die Franzosen generell. Wir Deutschen neigen dazu, alles zu mischen. Und das ist beim Kind ganz essenziell. Man sollte auch Gemüse ohne Zucker und ohne Salz geben, um einfach auch den Gemüsegeschmack am Kind anzutrainieren. Was ist Artischocke, was ist Zucchini, was sind grüne Bohnen.

Damit könne ein Kind auch die natürliche Abneigung gegenüber Neuem überwinden. Die sei nämlich trotzdem vorhanden, erklärt die Expertin, gerade wenn es um die Geschmacksrichtungen bitter und sauer gehe. Denn in der Natur sind bittere Pflanzen manchmal auch giftige Pflanzen.

Bitter ist einfach ein Schutzmechanismus, weil ein Kind ja auch nicht weiß, ist das sicher für mich?

So ein Schmutzmechanismus sei bei Kindern genetisch verankert. Natürlich gäbe es auch andere genetisch verankerte Geschmacksvorlieben, räumt Andrea Maier-Nöth ein. Doch die lägen bei 20 Prozent, zu 80 Prozent werde der Geschmack durch Prägung festgelegt. Hier hier spielen Erfahrungen mit Essen eine wichtige Rolle und die Vorbildfunktion der Eltern.

(aue)

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