Wie auf einer Insel stehen Windräder mitten im Nebelmeer
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Projekt "Energiesysteme der Zukunft" Energiewende: Mix aus zentralen und dezentralen Technologien nötig

16. Januar 2020, 15:00 Uhr

Ein Experten-Gremium hat im Rahmen des Projekts "Energiesysteme der Zukunft" (ESYS) Lösungsvorschläge für die Probleme der Energiewende ausgearbeitet vorgelegt. Ihr Tenor: Der Übergang in eine Zukunft mit CO2-freier Enrergiegewinnung kann gelingen - aber dafür sind große Anstrengungen nötig.

Die Wissenschaftler der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech sowie der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften schreiben in ihrer Stellungnahme, dass nur mit einem Mix aus zentralen und dezentralen Technologien die Energieversorgung klimafreundlich, sicher und wirtschaftlich werden kann. Dazu müssten allerdings die einzelnen Elemente zu einem funktionierenden Ganzen integriert werden.

Die ESYS-Forscher führen mehrere Punkte an, die nötig sind, damit Deutschland bis 2050 CO2-neutral werden kann. Dazu gehören ein stärkerer Ausbau der Wind- und Photovoltaikanlagen, der Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze und eine effiziente Steuerung des Energiesystems. "Die Energiewende kann nur gelingen, wenn sie von der Bevölkerung aktiv unterstützt wird", schreiben die Autoren.

Schnelle Entscheidungen nötig

Prof. Jutta Hanson hat an der Stellungnahme mitgewirkt. Das Energieversorgungssystem der Zukunft sehe deutlich anders aus als das aktuelle, erklärt die Wissenschaftlerin, die an der TU Darmstadt am Institut für Elektrische Energiesysteme arbeitet. "Was wir brauchen, sind schnelle Entscheidungen", betont Prof. Hanson. Denn derzeit seien wir auf dem richtigen Weg, aber leider viel zu langsam.

Wir brauchen die Akzeptanz der Bevölkerung, sowohl bei den Stromleitungen als auch bei den Windenergieanlagen.

Prof. Jutta Hanson, TU Darmstadt

Eine der neuen Methoden, um mehr Akzeptanz zu schaffen, sind sogenannte Planungsschöffen, die per Los ausgewählt werden und neutral entscheiden sollen. Eine weitere ein "gesellschaftsübergreifender Energiewendedialog", bei dem Lösungsalternativen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Dazu sollen informelle Formate wie "Runde Tische" kommen.

Ausbau der Speichertechnologie gefordert

Auf der technischen Ebene schlagen die ESYS-Experten beispielsweise dezentrale Photovoltaikanlagen in bereits bebauten Gebieten vor - besonders auf Dachflächen. Agrophotovoltaik-Systeme, eine Form von Solarparks, könnten die Konkurrenz um Flächen mit der Landwirtschaft entschärfen. Zudem hätte die Windenergie auf See den Vorteil, dass sie kaum unseren Alltag beeinflusst.

Ebenfalls wichtig ist laut der Stellungnahme der Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze. Hier könnten dezentrale Solaranlagen in Kombination mit Speichern und Power-to-Gas-Technologien helfen. Bei kürzeren Wind- und Sonnenflauten könnten von Haushalten dezentral betriebene Batteriespeicher einspringen, bei längeren chemische Energieträger wie Wasserstoff oder Methan. Insgesamt fordern die Autoren einen Ausbau der Forschung zur Speichertechnologie.

Studie "flüchtet sich in Binsenweisheit"

Von unabhängigen Experten gab es bereits viel Lob aber auch Kritik für die Stellungnahme. "Die ESYS-Arbeitsgruppe hat eine – wie ich finde – sehr überzeugende Stellungnahme zu der vielerorts kontrovers diskutierten Frage, wie zentral oder dezentral das zukünftige Energiesystem sein sollte, vorgelegt, die geeignet ist, den Blick auf das Wesentliche zu schärfen", erklärt etwa Prof. Roland Dittmeyer, Leiter des Instituts für Mikroverfahrenstechnik, am Karlsruher Institut für Technologie. Harsche Kritik kommt dagegen von Prof. Uwe Leprich von der Hochschule für Wirtschaft und Technik des Saarlandes:

Die ESYS-Studie bleibt (...) sehr zurückhaltend und flüchtet sich in die Binsenweisheit, wonach man einen Mix aus zentralen und dezentralen Elementen benötige.

Prof. Uwe Leprich, Hochschule für Wirtschaft und Technik des Saarlandes

"Politisch hilfreicher wäre es gewesen, sich offensiv für unterstützende Rahmenbedingungen dezentraler Ansätze zum Beispiel beim Mieterstrom, bei der Netzregulierung oder bei der Sektorkopplung auszusprechen", erklärt der ehemalige Abteilungsleiter für Klimaschutz und Energie des Umweltbundesamtes.

Letztlich wissen auch die ESYS-Wissenschaftler, das noch reichlich nötig ist. "Insbesondere zu umfassend dezentralen Energiesystemen, in denen sowohl Energie als auch Flexibilität zu hohen Anteilen lokal in kleinen Einheiten bereitgestellt werden, bestehen noch große Wissenslücken" heißt es im Fazit der Stellungnahme.

cdi

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 16. Januar 2020 | 12:40 Uhr

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