Klimawandel Energiekrise: Wirtschaftswachstum und Klimaschutz sind möglich
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08. Februar 2023, 18:41 Uhr
Der Krieg in der Ukraine hat Erdgas, Öl und Kohle stark verteuert. Eine neue Modellstudie zeigt: Mit den richtigen Energiesparmaßnahmen könnte die Wirtschaft der EU sogar gestärkt und der CO2-Ausstoß gesenkt werden.
- Forscher haben die Folgen des Ausfalls russischer Energielieferungen in die EU für die Wirtschaft und die CO2-Emissionen berechnet.
- Ohne zusätzliches Energiesparprogramm sinkt die Wirtschaftsleistung und weniger CO2 wird ausgestoßen.
- Durch Energiesparmaßnahmen wie Tempolimits oder Verbesserungen der Energieeffizienz von Gebäuden dagegen könnten beträchtliche Gelder gespart werden, die in Erneuerbare und E-Mobilität investiert werden könnten.
- So wäre laut der Berechnung ein zusätzliches Wirtschaftswachstum und ein geringerer CO2-Ausstoß möglich.
Es wäre eine Win-Win-Situation: Deutschland und die EU werden unabhängiger von fossiler Energie in Form von Erdgas, Öl oder Kohle aus Russland. Die Wirtschaft wächst und zugleich wird der CO2-Ausstoß gesenkt. Laut den Ergebnissen einer Modellstudie des Berliner "Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change" könnte Europa aus der aktuellen Energiekrise gestärkt hervorgehen, wenn es ambitionierte Maßnahmen zur Einsparung von Energie beschließt und zugleich die richtigen Investitionen auf den Weg bringt.
Ohne Energiesparprogramm: Rückgang der Wirtschaftsleistung – weniger CO2
Felix Creutzig und Kollegen haben mit mehreren Modellrechnungen die Folgen der nach Russlands Krieg gegen die Ukraine gestoppten Energielieferungen für die Wirtschaftsleistung und die CO2-Emissionen berechnet. Demnach sanken die Importe von Erdgas, Öl und Kohle im vergangenen Jahr um 61 bis 70 Prozent, berichten die Forschenden in der Fachzeitschrift Nature Climate Change. In einem optimistischen Szenario nehmen die Autoren der Studie an, dass die Lieferungen bis 2025 teilweise wieder aufgenommen werden. Der Rückgang gegenüber den Vorkriegsjahren würde dann noch 30 bis 35 Prozent betragen.
Zwar treten neue Lieferanten an die Stelle Russlands. Trotzdem steigen die Preise für Energie, was die Nachfrage sinken lässt. Für 2022 liegt die Wirtschaftsleistung in der EU laut der Simulation um 1,5 Prozent niedriger, als durch Krieg und Energiekrise erwartbar gewesen wäre. Bei einer Entspannung bis 2025 würde das Defizit immer noch bei 0,6 Prozent liegen. Die positive Wirkung beschränkt sich auf die Klimaemissionen: Der europaweite CO2-Ausstoß wäre 12,3 Prozent niedriger als ohne Energiekrise.
Energieeinsparungen würden Kapital bringen für Investitionen
Laut den Forschenden wäre ein Rückgang der Wirtschaftsleistung aber vermeidbar, wenn Europa radikale Energiesparmaßnahmen beschließt und zugleich in erneuerbare und klimafreundliche Technologien investiert. Dazu gehört eine Umstellung des Verkehrs auf E-Mobilität, ein Ausbau der erneuerbaren Energien und die Installation zahlreicher Wärmepumpen in Gebäuden.
Durch die Energiesparmaßnahmen würden nicht nur Emissionen vermieden, sondern auch beträchtliche finanzielle Mittel frei werden. "Zehn bis zwanzig Prozent Reduktion beim Gaskonsum führen zu überproportional hohen Preisrückgängen, mehr als Prozent im Vergleich zu den Höchstpreisen", sagt der leitende Autor Felix Creutzig. Das wiederum mache es Industrien wie der Glasproduktion wesentlich leichter, ihre Prozesse aufrechtzuerhalten. Und das gesparte Geld könnte in inländische Zukunftsindustrien fließen.
Forscher: Wirtschaft könnte durch Investitionen in klimafreundliche Technologien sogar wachsen
In ihrer Simulation berechneten die Wissenschaftler die Effekte, wenn in den Sektoren Verkehr, private Haushalte und Dienstleistungen im Jahr 2022 jeweils zehn Prozent an Energie gespart werden können. Durchgesetzt würde das durch hohe Preise und flankierende Maßnahmen wie die Einführung von intelligenten Stromzählern ("Smart Metering"), eine bessere Förderung der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden oder strengeren Tempolimits auf den Straßen.
In der Simulation ließ sich der CO2-Ausstoß im Jahr 2022 bei diesen Einsparungen sogar um 14,8 Prozent senken. Zugleich ging die Wirtschaftsleistung nur 0,8 Prozent zurück im Vergleich zu einem Szenario ohne Energiekrise. Durch die Investitionen wären bis 2025 sogar Zuwächse um 0,3 Prozent erreichbar. "Die Politik kann den Trend zum Energiesparen, der sich durch die höheren Preise ohnehin ergibt, durch Vorgaben oder Empfehlungen verstärken", so Creutzig.
"In der von Moskau provozierten Abkopplung steckt bei richtiger Ausgestaltung durchaus die Chance, den Europäischen Green Deal und den Weg hin zu Klimaneutralität zu beschleunigen", sagt Ottmar Edenhofer, Direktor des Forschungsinstituts und einer der Autoren der Studie.
Links/Studien
- Liu, Jiang, Liang, Creutzig et.al.: Carbon emissions and economic impacts of an EU embargo on Russian fossil fuels, Nature Climate Change
(ens)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist | 19. Januar 2023 | 21:00 Uhr