Wissen, was wir lesen Macht künstliche Intelligenz uns überflüssig?
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22. Juli 2020, 13:44 Uhr
Ob sprachgesteuerte Assistenten, perfekt zugeschnittene Empfehlungen auf Netflix & Co oder beeindruckend gute Übersetzungsprogramme: Künstliche Intelligenz (KI) ist längst in unserem Alltag angekommen. Und doch macht sie vielen Menschen Angst, manche haben sogar Sorge vor Killer-Robotern. Doch dafür sorgt weniger die Technik an sich als die Tatsache, dass die meisten Menschen gar nicht verstehen, wie KI funktioniert. Deshalb erklärt Shelly Fan die Problematik so, dass sie alle verstehen können.
Worum geht es?
Das Buch "Macht Künstliche Intelligenz uns überflüssig?" bleibt tatsächlich stringent bei dieser Fragestellung. Um sie für alle Leserinnen und Leser sinnvoll diskutieren zu können, gibt die Autorin zunächst einen kurzen historischen Abriss über die KI-Entwicklung. Anschließend wirft sie einen Blick auf den aktuellen Stand der Technik.
Das ist besonders spannend für diejenigen, denen die KI etwas unheimlich ist, weil sie nicht wissen, wie sie funktioniert. Denn Autorin Fan erläutert sehr verständlich, wie KI funktioniert, wie sie "lernt" und was "maschinelles Lernen" eigentlich genau bedeutet. Dabei skizziert sie auch die Probleme und Grenzen heutiger KI-Entwicklung, bevor sie im folgenden Kapitel auf die Zukunft der KI blickt.
Im Buch geht es auch immer wieder um mögliche Szenarien, die Menschen mit KI verbinden - also zum Beispiel um Superintelligenz oder Killer-Maschinen. Die Kernfrage des Buches wird sehr vielseitig aus mehreren Blickwinkeln diskutiert und dennoch kommt die Autorin am Ende zu einem klaren Fazit. Vor allem der letzte Teil des Buches bleibt nicht nur in den Bereichen Techno- und Neurologie verhaftet, sondern bedient sich ganz klar auch der Philosophie - nicht zuletzt wünscht sich die Autorin ja sogar eine Debatte um KI-Philosophie.
Wie schafft es das Buch, mich zu fesseln?
Der Autorin gelingt es sehr gut, die für technologische Laien völlig unverständlichen Funktionsweisen und Problematiken zu erklären, sodass man als Leser zahlreiche Aha-Effekte hat. So klärt das Buch durchaus auch Missverständnisse darüber auf, was "Intelligenz" und "Lernen" im Zusammenhang mit KI eigentlich bedeuten. Dadurch wird die Diskussion der zentralen Frage des Buches, also ob die KI uns in Zukunft überflüssig machen könnte, noch viel spannender, als sie ohnehin schon klingt - abseits von Science Fiction und irgendwie doch mittendrin. Die Diskussion dieser Frage ist meiner Ansicht nach auch besonders gelungen, da die Autorin neben bekannten Ideen auch andere, unkonventionellere Blinkwinkel einnimmt.
Wer hat's geschrieben?
Die Autorin Shelly Fan ist promovierte Neurowissenschaftlerin und Wissenschaftsjournalistin. Sie lebt in den USA. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich unter anderem mit den Alterungsprozessen im Gehirn und Möglichkeiten, es wieder zu verjüngen - zum Beispiel mit der Hilfe von Sport. Fan hat neben Fachartikeln auch zahlreiche populärwissenschaftliche Artikel veröffentlicht. Sie schreibt unter anderem den preisgekrönten Wissenschaftsblog NeuroFantastic.
Die Faszination für Künstliche Intelligenz und alles, was mit Biotechnologie zu tun hat, hat Fan während ihres Studiums des menschlichen Gehirns gepackt. Vielleicht liegt es ja gerade an dieser Perspektive, dass es ihr gelingt, komplizierte Technik etwas einfacher zu erklären.
Wie ist es geschrieben?
Das Buch hat eine sehr ungewöhnliche, innovative Textstruktur. Der Text ist in drei verschiedenen Schriftgrößen gehalten. Je nachdem, wie tief man in das Thema einsteigen will, kann entweder nur der größte, auch der mittelgroße oder eben der komplette Text gelesen zu werden. Wer nur die größte Schriftart liest, soll in etwa einer halben Stunde Lesezeit einen groben Überblick bekommen. Meiner Meinung nach ist das aber nicht ausreichend; um die Thematik zu verstehen, sollte schon mindestens auch der "mittlere" Text gelesen werden.
Fast alle Seiten sind mit Grafiken und Fotos illustriert, zu denen es auch verständliche Bildunterschriften gibt. Außerdem werden zentrale Begriffe, die für das Verständnis wichtig sind, direkt in einer Art Mini-Glossar auf der jeweiligen Doppelseite erklärt. Insgesamt soll dieses Design vor allem junge Leserinnen und Leser ansprechen. Doch dafür wird dann doch recht häufig etwas zu komplizierte Sprache verwendet. Wahrscheinlich wird es kaum Jugendliche geben, für die Worte wie "exprimieren" zum normalen Wortschatz gehört. Dennoch muss man für den Großteil des Buches kein Studium absolviert haben, um es gut zu verstehen. Was mich persönlich beim Lesen etwas gestört hat (aber auch das kann der Zielgruppe geschuldet sein), waren die ständigen Unterbrechungen durch Bildunterschriften und andere Elemente, die immer mal wieder dafür sorgen können, dass man aus dem konzentrierten Lesefluss herausgerissen wird.
Was bleibt hängen?
Vor allem bleibt der Eindruck hängen, dass für jedes Szenario, in dem wir ernsthaft darüber diskutieren könnten, ob KI uns Menschen tatsächlich ersetzen könnte, noch sehr viel passieren muss. Bisher ist Künstliche Intelligenz nämlich noch gar nicht so intelligent, wie wir glauben. Und dann bleibt da auch noch ein flaues Gefühl im Magen, weil sie schon jetzt vielerorts eingesetzt wird, ohne dass sie eben ideal funktioniert und obwohl sie Grenzen hat. Das ist besonders in sensiblen Bereichen wie der Medizin oder auch der Polizeiarbeit problematisch. Denn die KI ist eben noch nicht wirklich intelligent, sondern nur so "schlau" wie die Daten, mit denen man sie "ausbildet" - inklusive aller Verzerrungen und Irrtümer, die darin stecken. Da klingt die Frage nach einer superintelligenten oder allgemeinen KI, die es vielleicht unter bestimmten Umständen irgendwann womöglich geben könnte, direkt nach einer weniger problematischen, eher abstrakten Bedrohung.
Die Rezensentin Ist extrem neugierig und glaubt nicht, dass irgendetwas so kompliziert ist, dass es nicht alle verstehen können. Sie "übersetzt" deshalb im Radio, im Internet und auch mal im Bewegtbild - am liebsten Themen aus Naturwissenschaften, Technik, Psychologie und Medizin.
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