Forschung Chimärenforschung: Mensch-Affe-Embryonen gezüchtet
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20. März 2024, 11:13 Uhr
Es klingt wie aus einem Science-Fiction-Film, ist aber ganz real: Ein Forschungslabor hatte bereits im Jahr 2019 Embryonen von Mensch-Affe-Chimären entwickelt. Jetzt wurden die Ergebnisse veröffentlicht.
Es klingt immer wieder spektakulär und erzeugt drastische Bilder vor dem inneren Auge, wenn man Nachrichten aus der Chimärenforschung liest. So auch diese über die Embryonen von Javaner-Affen, denen im Juni 2019 menschliche, pluripotente Stammzellen eingepflanzt worden waren. Jetzt wurden die Ergebnisse der Forschung um den spanischen Wissenschaftler Juan Carlos Izpisua Belmonte veröffentlicht, der die Versuche zusammen mit einer chinesischen Forschungskooperation betrieben hatte. Die Forscher gaben jetzt bekannt: Von 132 Embryonen waren am 19. Tag noch drei chimäre Embryonen in den Petrischalen lebendig. Beobachtet wurde, wie die menschlichen und tierischen Zellen in den frühen embryonalen Entwicklungsstadien miteinander agierten, verglichen mit denen von reinen Mensch- und Affenembryonen.
Chimärenforschung - warum?
Für die Chimärenforschung sind diese Ergebnisse ein großer Schritt nach vorne. Sämtliche früheren Versuche, chimäre Embryonen aus Zellen von Mäusen und Menschen oder Schweinen und Menschen zu entwickeln, waren bisher immer gescheitert. Bei diesem Versuch konnte Entwicklungsschritte beobachtet werden, wie menschliche Stammzellen und die des Java-Affen-Embryos miteinander agierten.
Die Chimären-Forschung zielt zum einen darauf, biologische und entwicklungsgeschichtliche Fragen zu Verwandtschaftsbeziehungen zwischen (Tier-)Arten auf molekularer, zellulärer und entwicklungsbiologischer Ebene zu beantworten. Zum anderen hat sie auch ganz praktische Ziele: Mischwesen, in denen menschliche Organe für Transplantationen heranreifen können, Nieren zum Beispiel oder Bauchspeicheldrüsen, oder um an ihnen neue Therapieverfahren zu testen. Wie groß der Bedarf an Organen allein in Deutschland ist, darauf verweist Prof. Dr. Rüdiger Behr vom Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen:
Hier sterben statistisch jeden Tag drei Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, aber keines bekommen, da keine Organe verfügbar sind. Insofern ist es ein hochrangiges Ziel, Alternativen zur klassischen Organspende zu erforschen und zu testen, ob sie praxistauglich sind.
Warum war der Affe-Mensch-Versuch erfolgreicher als andere Misch-Versuche?
Aber warum überlebten die Misch-Embryonen tatsächlich ein paar Tage lang und entwickelten sich? Vielleicht lag es an der genetischen Nähe von Affe und Mensch, die evolutionär betrachtet näher beieinander liegen als Mensch und Schwein. So sieht es neben Forscher Rüdiger Behr auch Prof. Dr. Hans Schöler, Entwicklungsbiologie am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster:
Die evolutionäre Nähe von Menschen und Javaneraffen (Makaken) könnte zum einen Aufschluss darüber geben, ob sich grundsätzlich menschliche Organe in Affen bilden können und zum anderen, ob die Information, die man gewinnt, Hinweise darauf geben kann, was im Schweinmodell geändert werden muss, um darin Organe züchten zu können.
Auch Professor Dr. Rüdiger Behr vom Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen hält die Herstellung von Schwein-Mensch-Chimären mittelfristig für wahrscheinlich. Die Affe-Mensch-Mischwesen nach dem jetzt getesteten Verfahren hält er dagegen für problematisch, besonders, wenn man eine Übertragung eines chimären Embryos auf eine Leihmutter in Betracht ziehen sollte.
Warum wir auch am Schwein als "Organ-Wirt" forschen
Und es gibt noch einen ganz praktischen Grund, der eher für das Schwein spricht als den Affen, wenn Ersatzorgane gezüchtet werden sollen, erklärt Prof. Dr. Rüdiger Behr:
Das Schwein hat im Vergleich mit dem Javaneraffen einen großen Vorteil: Seine Organe sind größer als die der Makaken und ähneln in ihrer Größe eher denen des Menschen. Ein Herz aus menschlichen Zellen, das in einem Javaneraffen herangewachsen ist, hätte nach allem, was heute bekannt ist, die Größe des Herzens des Javaneraffen. Damit hätte es vermutlich eine zu geringe Größe und Pumpleistung, um in einem erwachsenen Menschen als Ersatzorgan zu funktionieren.
Und Behr sagt auch: Vermutlich wird kein Mensch äußerlich ein solches Schwein-Mensch-Mischwesen von einem normalen Schwein unterscheiden können. Der Anteil der menschlichen Zellen würde ihm zufolge weniger als ein Prozent am gesamten Tier ausmachen. Über den ethischen Aspekt, zur Rettung todkranker Menschen Schwein-Mensch-Mischwesen herzustellen, müsste aber jeder einzelne für sich, sowie Gesellschaft und Gesetzgeber entscheiden, sagt der Forscher.
Es stellen sich weitreichende ethische Fragen zum Beispiel bezüglich der Instrumentalisierung der verwendeten Tiere und der potenziellen Leiden, die man diesen Chimären möglicherweise zufügen würde.
Ziele solcher Forschung brauchen klare Definition und rechtliche Regeln
Dass Menschen auf solche Forschungsansätze mit Schaudern oder hochgezogenen Augenbrauen reagieren, ist wiederum für Professor Dr. Stefan Schlatt des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie, Universitätsklinikum Münster kein Wunder:
Es ist verständlich, dass diese Experimente Besorgnis erregen, da Horrorszenarien ausgedacht werden können, die ethisch unverantwortlich erscheinen.
Seiner Meinung nach muss für solche Forschung klar definiert werden, was genau herausgefunden werden soll. Und er sagt ganz deutlich:
Werden solche Studien mit menschlichen Zellen durchgeführt, müssen diese – analog zum Klonen – unter dem strikten Vorbehalt stattfinden, dass keinesfalls die Geburt eines Mischwesens angestrebt wird.
Die Studie wurde im Fachmagazin Cells veröfentlicht.
(lfw)
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