Ein symbolisches Ortsausgangsschild mit der Aufschrift 5G LTE
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Mobilfunktechnik 5G: Neues Netz - neue Sorgen?

29. November 2019, 16:53 Uhr

Einhundertmal schneller als LTE, Datenübertragung in Echtzeit für die vernetzte Produktion, Mobilfunk der ungeahnten Möglichkeiten - so sehen es die 5G-Jünger und können die Verfügbarkeit des neuen Standards in wenigen Monaten kaum erwarten. Kritiker hingegen warnen vor Gesundheitsgefahren - bis hin zu einem erhöhten Krebsrisiko. Doch wie gefährlich ist 5G tatsächlich?

Seit gut drei Jahrzehnten begleiten uns unsere Handys durch den Alltag, oft ganz nah am Körper. Sendemasten durchziehen genauso lange unser Land. Kein Wunder also, dass inzwischen tausende Studien veröffentlicht wurden, die mögliche Folgen für unsere Gesundheit beleuchten. Mit der anstehenden Einführung des Mobilfunkstandards 5G stellt sich die Frage nach der unsichtbaren Gefahr erneut, auch wenn Entwickler und künftige Nutzer eher den Vorteil der neuen Möglichkeiten sehen: Tobias Kronauer vom Barkhausen Institut in Dresden lässt vor sich auf dem Tisch einen kleinen Roboter hin- und herflitzen. Er ist begeistert:

Der Roboter verhält sich mit 5G viel präziser als würde man ihn 3G steuern.

Tobias Kronauer, Barkhausen Institut
Polizeiroboter
Ein 5G-gesteuerter Polizeiroboter auf der World 5G Convention in Peking Bildrechte: imago images/VCG

Mit einem Kabel ginge das genauso schnell, aber damit wäre man im wahrsten Sinne des Wortes ortsgebunden. Die gesamte künstliche Intelligenz, wie autonomes Fahren, ginge ohne 5G nicht, betont Kronauer.

Ob das neue Netz möglicherweise im Hinblick auf unsere Gesundheit auch seinen Preis hat, dazu wurde und wird viel geforscht. Tausende Studien gibt es zu herkömmlichem Mobilfunk, einige hundert zu 5G. Doch was ist anders am neuen Standard?


Stärker, dichter, näher

Für 5G sind höhere Frequenzen nötig: Sie steigen von derzeit 2,6 Gigahertz (GHz), auf bis zu bis zu 3,7 GHz, auf lange Sicht sogar bis zu 60. Dafür ist die Reichweite geringer, das heißt, es müssen viel mehr Sender aufgestellt werden, damit das neue Netz flächendeckend verfügbar ist. Hinzu kommt, dass die neuen Sendestationen nicht mehr hoch oben auf Türmen und Dächern angebracht werden müssen, sondern auch an Bushaltestellen, Hauswänden und Laternen ihren Zweck erfüllen würden.

Damit wären sie näher an uns dran. Bislang greift dort die Regelung der Bundesnetzagentur, die einen Mindestabstand vorschreibt. Somit werden bislang die Grenzwerte eingehalten. Doch Wissenschaftler warnen: Vorhandene Studien zu alten Frequenzen lassen sich nicht auf den neuen Standard übertragen - das gilt auch für die Ermittlung des kritischen Grenzwertes.


5G belastet vor allem aktive Nutzer

Anders als bislang werden die Signale im 5G-Netz vor allem dorthin geschickt, wo sie benötigt werden - also zum Nutzer. Das garantiert einen schnellen und effektiven Datentransfer, erhöht aber auch die Strahlenbelastung. Wie diese dann jeweils aktuell und zuverlässig gemessen werden kann, ist derzeit noch unklar.


Tierstudien zu 5G: Häufiger Krebs, aber auch längeres Leben

Ein Forschungsprojekt der US-amerikanischen Behörde für Toxikologie und eine Studie der Universität Bologna kamen fast zeitgleich zu ähnlichen Ergebnissen: Erstmals konnten sie nachweisen, dass es offenbar doch einen Zusammenhang von Handystrahlung und Krebsentwicklung gibt. Allerdings unter extrem kontrollierten Bedingungen, unter hoher Strahlendosis und nur bei den männlichen Versuchsmäusen und -ratten.

Dazu hatten sie jeweils den gesamten Körper von insgesamt 3.000 Versuchstieren (Männchen und Weibchen) neun Stunden pro Tag bestrahlt und die Strahlendosis ganz genau festgelegt. Diese Umstände sind im Vergleich zur alltäglichen Handynutzung von uns Menschen extrem. Dennoch fordern die italienischen Wissenschaftler die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) nun auf, die bisherige Einschätzung zum Krebsrisiko durch Handystrahlung zu überdenken. Sie hatten beobachtet, dass die betroffenen Tiere häufiger Hirn- und Herztumore ausgebildet hatten, als die Kontrollgruppe. Dennoch haben viele der bestrahlten Ratten und Mäuse länger gelebt als ihre unbehandelten Artgenossen.


Herkömmliche Mobilfunkstrahlung als Krebsauslöser weiterhin umstritten

In den vergangenen 20 Jahren haben Wissenschaftler in mehr als 1.500 Studien die Auswirkung von Mobilfunkstrahlung auf den Organismus untersucht - sowohl am Menschen als auch an Tieren. Einen Überblick bietet das Forschungsportal der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen.

Besonders drei große Studien werden in vielen Debatten weltweit immer wieder ins Feld geführt: Die Interphone-Studie, die Danish-Studie und die Million Woman-Studie. Sie alle haben an mehr als 1,5 Millionen Menschen nach einem Zusammenhang zwischen Handynutzung und Krebs gesucht, jedoch nur einen Effekt nachweisen können: dass die Strahlung das Gewebe erwärmt.


Keine eindeutigen, wiederholbaren Ergebnisse

Übereinstimmende Ergebnisse, die beweisen, dass Handystrahlung Krebs auslösen kann, gibt es nicht. Auch nicht bei einer Handynutzung über mehr als zehn Jahre. Viele experimentelle Studien an Tieren führen ebenfalls zu keinem eindeutigen Ergebnis. Die Vergleichbarkeit mit dem Menschen ist fraglich, die Ergebnisse sind trotz ähnlichen Studiendesigns recht verschieden.

Wissen

Ein neuer 5G-Mobilfunkmast von Vodafone steht auf einem Hochhaus an der Kreuzung Mörsenbroicher Ei. Im ersten Halbjahr sollen 33 weitere Maste folgen, um den Netzausbau zu optimieren. 2 min
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Mo 25.02.2019 12:24Uhr 01:51 min

https://www.mdr.de/wissen/videos/mobilfunkstandard-fuenf-g-kurz-erklaert100.html

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Doch erst, wenn ein Ergebnis wiederholbar wird, gilt es in der Wissenschaft als beweiskräftig. Das trifft auch auf all die Studien zu, die zum Krebsrisiko durch Sendemasten durchgeführt worden. Die Designs waren lückenhaft, berücksichtigten weder Alter noch Geschlecht der Probanden noch weitere mögliche Risikofaktoren wie z.B das Rauchen. Sarah Drießen vom Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit der Uniklinik Aachen untersucht selbst die Wirkung von Handystrahlen auf die Gesundheit:

Handystrahlen gehören wie Mikrowellen zu den hochfrequenten Feldern. Es gibt keine nachgewiesenen, gesundheitlichen Wirkungen von Handystrahlung. Diskutierte Wirkungen sind aber mögliche Risiken für Hirntumoren oder Wirkungen auch auf die Hirnaktivität.

Sarah Drießen, Uniklinik Aachen

Krebshäufigkeit seit Beginn der Mobilfunknutzung nicht gestiegen

Deshalb urteilen sowohl WHO als auch das Bundesamt für Strahlenschutz: Es besteht offenbar kein Zusammenhang zwischen Handystrahlung und der Häufigkeit von Krebserkrankungen. Zwar wird heute häufiger Krebs diagnostiziert, jedoch nicht in dem Maße, wie die Handynutzung zugenommen hat. Hinzu kommt, dass die Krankheit aufgrund neuer Erkenntnisse und Möglichkeiten heute besser erkannt wird und die Menschen mittlerweile viel älter werden.


Was wir bislang sicher über Handystrahlung wissen

Mobilfunkstrahlung ist hochfrequente elektromagnetische Strahlung - wie die Mikrowellenstrahlung auch. Im Gegensatz zur Röntgenstrahlung oder Radioaktivität wirkt sie nicht ionisierend, sie schädigt Erbgut nicht direkt. Dazu reicht ihre Energie nicht aus. Gesundheitlich unbedenklich ist sie dennoch nicht. Immerhin bringt sie die Wassermoleküle in unserem Körper zum Schwingen. Es entsteht Reibungswärme, die Temperatur im Gewebe und in den einzelnen Zellen steigt nachweislich - und zwar um so mehr, je näher wir unserem Handy sind. Sendet und empfängt es, dringt die Strahlung ein. Wie tief, in welches Gewebe und in welche Zellen, das wir von der jeweiligen Frequenz bestimmt. Je niedriger sie ist, desto tiefer dringen die Strahlen ein.


Strahlen aus dem 5G-Netz dringen weniger tief in den Körper ein

Da der neue Mobilfunkstandard mit höheren Frequenzen arbeitet als seine Vorgänger, werden die Strahlen weniger tief eindringen. Bei weniger als einem Gigahertz wären es wenige Zentimeter, ab 10 Gigahertz und mehr sind es nur noch wenige Milimeter bis gar nicht mehr. 5G wird zunächst mit 2 bis 7 GHz starten und später voraussichtlich im zweistelligen Bereich arbeiten.


Einfluss auf Fruchtbarkeit und Stoffwechsel nicht eindeutig geklärt

Schon länger besteht der Verdacht, dass Handystrahlung die Beweglichkeit von Spermien beeinflusst. Eine plausible Erklärung wäre der Temperaturanstieg in Zellen und Gewebe, den sie nachweislich verursacht. Doch auch da sind die vorliegenden Studienergebnisse nicht einheitlich.

Schwangere mit Handy
Ob die Handynutzung der Mutter das Ungeborene beeinflusst ist nicht eindeutig geklärt. Bildrechte: imago/STPP

Dass der Temperaturanstieg durch Strahlung den Stoffwechsel von Tieren und deren embryonale Entwicklung stören kann, ist in Untersuchungen festgestellt worden. Allerdings wurde dazu die Temperatur in Zellen und Gewebe um 1 Grad erhöht. Die festgelegten Grenzwerte in Deutschland sollen aber dafür sorgen, dass sich das Ohr oder Gehirn beim Telefonieren nur um wenige Zehntel Grad erwärmt.

Eine dänische Studie zeigte: Nutzte die Mutter während der Schwangerschaft ihr Handy intensiv, waren die Kinder verhaltensauffällig. Ob dafür jedoch tatsächlich die Strahlung verantwortlich ist oder der Umstand, dass die Mutter durch ihre Handynutzung später oft vom Kleinkind abgelenkt war, ist unklar.


Keine eindeutigen Ergebnisse - neue Studien gefordert

Weder die völlige Unbedenklichkeit noch der mögliche Schaden für die Gesundheit wurden bislang eindeutig belegt. Insofern bleibt die Sorge besonders im Hinblick auf Krebserkrankungen bestehen, denn sie entwickeln sich langsam und werden von verschiedenen Faktoren begünstigt. Nur extrem kontrollierte Langzeitstudien können hier Klarheit bringen. Diese hatte das Bundesamt für Strahlenschutz bereits vor der Versteigerung der Lizenzen zu Beginn des Jahres gefordert.

Bis dahin hat jeder die Möglichkeit, sich auch selbst zu schützen, indem er das Handy möglichst oft ausschaltet und es weit weg vom Körper aufbewahrt, vor dem Zubettgehen den Flugmodus aktiviert. Doch Kritiker warnen, dass die Nutzung von G5 künftig auch in unserem Alltag weit über die Telefonie hinausgehen wird. Peter Hensinger leitet bei der Verbraucherschutzorganisation "Diagnose Funk" den Bereich Wissenschaft, klärt dort Verbraucher über die Nutzung von Mobilfunk auf. 5G bedeute mehr Strahlung, davon ist er überzeugt, und zwangsläufig würden auch viele Gebrauchsgegenstände umgerüstet.

Wir werden mit dem Internet der Dinge Millionen Geräte haben, die vernetzt sind. Vom Kühlschrank über den Saugroboter. Auch das autonome Fahren wird zu einer erheblichen Explosion der Strahlenbelastung führen.

Peter Hensinger, "Diagnose Funk"

Grenzwerte für Deutschland klar geregelt

Aus Sicht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit müssen die aktuellen Schutzkonzepte auch für 5G nicht in Frage gestellt werden. Die dort festgelegten Regelungen basierten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, so Pressesprecherin Dr. Judith Horrichs. Auch Aussagen und Stellungnahmen anerkannter nationaler und internationaler wissenschaftlicher Gremien wie die Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP), die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK) und die wissenschaftlichen Gremien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hier insbesondere die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), würden hinzugezogen.

In der Regel wird der Grenzwert nur zu einem geringen Bruchteil erreicht. Dies haben Messungen verschiedener Länder und Institutionen ergeben. Die Bundesnetzagentur legt für alle Sendeanlagen Sicherheitsabstände fest, so dass außerhalb dieser für die Bevölkerung unzugänglichen Bereiche die Grenzwerte auch bei Vollauslastung der Anlage sicher unterschritten werden.

Dr. Judith Horrichs

Dass die Grenzwerte auch dauerhaft eingehalten werden, prüft die Bundesnetzagentur durch regelmäßige Messungen an festgelegten Standorten. Die Ergebnisse kann man in der EMF-Datenbank der Bundesnetzagentur einsehen. Auch das Bundesamt für Strahlenschutz positioniert sich und hat eine Bewertung der Studien zur Wirkung von Handymasten veröffentlicht.

Ein symbolisches Ortsausgangsschild mit der Aufschrift 5G LTE 5 min
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Aufschub für 5G gefordert

Trotz dieser Regelungen und der Entwarnung durch das Ministerium verstummen Kritiker wie "Diagnose Funk" nicht. Peter Hensinger verweist dann auf einen Zusammenhang zwischen Starhlung und Überproduktion von freien Radikalen, der wiederum zu Entzündungsprozessen führen könne.

Auch Wissenschaftler und Ärzte fordern ein Moratorium für 5G, also einen gesetzlich angeordneten Aufschub, bist die Studienlage umfassender, eindeutiger und belastbarer ist. Dazu gehören die deutschen Ärzte gegen Atomkrieg, die Österreichische Ärztekammer, die Schweizer und die italienischen Umweltärzte. Viele Landwirte hingegen dürften der Einführung von 5G hoffnungsvoll entgegenblicken. Ein flächendeckendes Mobilfunknetz würde ihre Arbeit erheblich erleichtern.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 01. Dezember 2019 | 09:20 Uhr

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