Ein Mann und eine Frau putzen sich die Nasen
Der gemeine Schnupfen - offenbar doch zu etwas gut: Laut schottischen Forschern schützt eine akute Infektion mit Rhinoviren vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2. (Symbolfoto) Bildrechte: Colourbox.de

Rhinoviren versus Sars-CoV-2 Erkältungen können vor Corona schützen

08. April 2021, 15:30 Uhr

Schottische Forscher zeigen: Rhinoviren, gängige Erreger von Schnupfen und Halsweh, aktivieren das menschliche Immunsystem so, dass es während der Erkältung eine Infektion mit Covid-19 verhindern kann.

Wer hätte das gedacht? Rhinoviren – Geißel der Menschheit, häufigster Erreger der allgemeinen Erkältung und damit Verursacher von laufenden Nasen und Schmerzen im Hals – können Menschen vor Corona schützen.

Wie Forscher der Uni Glasgow jetzt im "Journal of Infectious Diseases" berichten, aktivieren die Erkältungsviren ein bestimmtes System der angeborenen Immunantwort beim Menschen. Und ist dieses System aktiv – wir bemerken es durch den angesprochenen Schnupfen und die Halsschmerzen – dann kann es auch eine Infektion mit dem Sars-Coronavirus-2 verhindern. Kurz: Wer gerade eine Rhinovirus-Erkältung hat, kann sich in dieser Zeit weniger mit Covid-19 infizieren.

Befall mit Rhinoviren hemmt Corona-Vermehrung

Rhinoviren gehören zu den kleinsten Viren, die Menschen angreifen können. Sie haben keine extra Hülle aus kleinen Fettpartikeln. Stattdessen bestehen sie nur aus wenigen Eiweißen. Damit können sie einerseits ihre kugelförmige Struktur bilden, andererseits auch die als RNA abgespeicherte Erbinformation im Inneren festhalten. Weil sie so häufig mutieren, ist es praktisch unmöglich, immun gegen Rhinoviren zu werden. Man kann im Leben praktisch unendlich oft an ihnen erkranken. Das hat nun möglicherweise einen Vorteil.

Die Viren befallen vor allem die Zellen der Schleimhäute in den oberen Atemwegen, genau wie das Sars-Coronavirus-2, wenn es zu Beginn einer Covid-19 in den menschlichen Körper gelangt. Die schottischen Forscher führten mehrere Experimente in Kulturen mit Schleimhautzellen durch, bei denen sie die Zellen zunächst mit dem einen Virustyp und dann mit dem anderen infizierten. In allen Fällen zeigte sich: Das Wachstum von Sars-CoV-2 war deutlich gehemmt, solange sich auch die Erkältungsviren in den Zellen befanden. Umgekehrt konnte das Coronavirus die Vermehrung der Erkältungsviren jedoch nicht bremsen.

Schutz hält nur solange, wie der Schnupfen andauert

Die Forscher gehen davon aus, dass dieses Phänomen mit Interferon zusammenhängt, einem Botenstoff des angeborenen Immunsystems. "Wir wissen gut, dass das SARS-2-Virus unter allen Atemwegsviren zu denen gehört, die sehr empfindlich gegen Interferon sind", sagt der Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast "Coronavirus Update". Er war nicht an der Studie beteiligt. "Für mich ist das absolut plausibel, dass jemand, der einen laufenden Schnupfen hat, im Moment sich eher keine SARS-CoV-2-Infektion holt."

Allerdings: Der Schutz hält nur solange an, wie auch die Erkältung andauert. Um dauerhaft geschützt zu sein, müssten Menschen ständigen Schnupfen und ständige Halsschmerzen ertragen. Dazu kommt das Problem, dass auch Covid-19 oft mit Erkältungssymptomen beginnt. Für den Einzelnen ist daher ohne PCR-Test-Ergebnis schwer einzuschätzen – ist er gerade aufgrund eines Schnupfens vor Corona geschützt oder ist er selbst Träger des Pandemie-Virus und damit gefährlich für andere Menschen?

Die schottischen Forscher gehen aber davon aus, dass es einen Effekt auf Ebene der Bevölkerung gibt. Je mehr Rhinoviren gerade im Umlauf sind, desto weniger Möglichkeiten habe Sars-CoV-2, sich auszubreiten. Ihre Ergebnisse seien ein Hinweis darauf, dass hier möglicherweise eine evolutionär nützliche Lebensgemeinschaft von Menschen und Erkältungsviren entstanden sei: Aus Sicht der Viren ermöglichen die Menschen eine Umgebung zur Vermehrung. Umgekehrt stimulieren sie das Immunsystem offenbar so, dass es andere gefährlichere Viren abwehren kann.

Der einfache Schnupfen hat also möglicherweise einen evolutionären Sinn für die Menschen.

(ens)

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