Verbreitung trotz Impfung möglich Stoppt die Impfung auch die Corona-Ausbreitung?
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09. Dezember 2020, 12:31 Uhr
Eine 90-Jährige war die erste Patientin: In Großbritannien sind die Impfungen gegen Covid-19 mit dem Impfstoff von BioNTech und Pfizer angelaufen. Bis zum Herbst kommenden Jahres soll es auch in Deutschland genug Impfstoff geben, verspricht Gesundheitsminister Jens Spahn. Ist das aber wirklich der Anfang vom Ende der Pandemie? Ganz so sicher scheint das nämlich noch nicht zu sein.
Es war ein Moment, auf den die Welt ungeduldig gewartet hat: In Großbritannien sind die ersten Menschen gegen Covid-19 geimpft worden. Sie haben den von BioNTech und Pfizer entwickelten mRNA-Impfstoff verabreicht bekommen. Damit ist gewissermaßen der Startschuss gefallen für die weltweiten Impfungen gegen das Coronavirus. Die Hoffnung vieler Menschen: Mit der Impfung wird die Pandemie beendet und wir können wieder zu einer Normalität ohne Abstand und Masken kommen. Aber womöglich haben sie sich da etwas zu früh gefreut. Denn eine Frage ist noch offen: Verhindert die Impfung auch die Ausbreitung des Virus?
Geimpfte Superspreader?
Ist es also möglich, dass Menschen, die geimpft sind, selbst nicht erkranken, das Virus aber trotzdem an Personen weitergeben können, die nicht geimpft sind? Können sie also zu so etwas wie stillen Spreadern werden, weil sie trotzdem infektiös sind? Die Antwort lautet: Wir wissen es noch nicht. Fachleute warnen deshalb explizit davor, die Impfung überzubewerten. Auch danach muss sich zunächst weiter an die geltenden Abstands- und Hygiene-Regeln gehalten werden, um die Pandemie weiter einzudämmen.
Im schlimmsten Fall laufen Menschen herum und fühlen sich gut, geben aber überall Viren ab.
Der renommierte Medizin-Professor der University of Washington, Larry Corey, schreibt etwa in einem Blog-Artikel, dass die klinischen Studien der mRNA-Impfstoffe darauf ausgelegt seien, zu untersuchen, ob sie eine schwere Krankheit verhindern und nicht darauf, herauszufinden, ob sie das Virus überhaupt noch bekommen können.
Wenn das jedoch so wäre, schreibt Corey, dann wäre das ein echtes Problem, da das ein idealer Zustand für das Virus wäre sich zu verbreiten. "Für etwas, dessen Ziel es ist, sich zu replizieren und zu überleben, ist es eine großartige Strategie jemanden zu infizieren, ohne dass er es weiß", so der Mediziner. Das HI-Virus sei ein Meister dieses Ansatzes – nur dass sich Sars-CoV-2 wesentlich einfacher verbreiten kann als HIV. Bis wir also mehr darüber wissen, wird das Tragen von Masken unumgänglich sein, schlussfolgert Corey. Mathematische Modelle hätten nämlich gezeigt, dass es im Fall der asymptomatischen Infektiosität nach der Impfung zu noch viel mehr Corona-Infektionen kommen könnte als bisher. Ein solches Szenario sei insbesondere aufgrund der Tatsache, dass viele Menschen sich nicht impfen lassen wollen oder können, besorgniserregend.
Moderna: Ergebnisse nicht überinterpretieren
Auch der Chief Medical Officer eines der aussichtsreichsten Impfstoff-Entwickler hat sich zur Frage der Virus-Verbreitung geäußert: Dr. Tal Zaks vom Biotechnologieunternehmen Moderna. Er erläuterte in einem Interview bei AXIOS on HBO im US-Fernsehen, dass in den klinischen Studien ausschließlich getestet werde, ob der Impfstoff eine Erkrankung bei den Geimpften verhindern bzw. stark abmildern kann. Was sie jedoch nicht getestet haben: Ob Geimpfte das Virus noch asymptomatisch in sich tragen und an Ungeimpfte weitergeben können, so Zaks.
Ich denke, wir müssen bei der Impfung vorsichtig sein, um die Ergebnisse nicht zu überinterpretieren. Wenn wir mit dem Einsatz dieses Impfstoffs beginnen, werden wir nicht genügend konkrete Daten haben, um zu beweisen, dass er die Übertragung verringert.
Doch Zaks ergänzt: "Glaube ich, dass es die Übertragung verringert? Ja absolut! Und das sage ich aufgrund der Wissenschaft." Doch ohne Beweise sei es wichtig, dass die Menschen ihr Verhalten nicht nur aufgrund der Impfung änderten. Das heißt also: Eine Impfung ist kein Freifahrtschein. Sie ist nur ein weiterer Schritt in Richtung Normalität. Doch der letzte kann erst gegangen werden, wenn tatsächlich Erkenntnisse zur Virus-Übertragung von Geimpften vorliegen – und das kann noch dauern.
AstraZeneca könnte erste Hinweise liefern
Um eine Übertragung zu stoppen, müssen die Impfstoffe auch die Replikation des Virus in Nase und Rachen verhindern. Dort ist es für sie zwar etwas schwieriger, ihre Wirkung zu entfalten, aber die Annahme liegt nahe, dass es für Impfstoffe, die eine besonders starke Immunantwort auslösen, möglich wäre. Präklinische Studien haben auch bereits gezeigt, dass einige der Impfstoffkandidaten die Viren bei Affen vollständig unterdrückten. Johnson & Johnson, Novavax und Pfizer-BioNTech sollen das Virus praktisch aus den Atemwegen der Tiere entfernt haben. Aber klappt das auch beim Menschen?
Aufgabe der Forschung ist es jetzt also herauszufinden, ob die Impfstoffe neben dem Eigen- auch einen Fremdschutz liefern. Der Pharma-Konzern Pfizer hat dem Fachmagazin nature zufolge inzwischen angekündigt, in zukünftigen Studien auch die Virusübertragung gleich mitbewerten zu wollen. Die Frage würde dann Teil der klinischen Studien werden. Dazu bräuchte es eigentlich nur einen täglichen Nasenabstrich bei den Probandinnen und Probanden. Stattdessen wurden sie für die Pfizer-/BioNTech und die Moderna-Studien nur an den Impftagen oder bei Symptomen abgestrichen.
Erste Hinweise auf die Frage, ob Geimpfte sich "still" infizieren können, könnten der Impfstoffentwickler AstraZeneca und die Universität Oxford liefern. Zwar liegen die vollständigen Ergebnisse der Untersuchungen zu diesem Impfstoffkandidaten noch nicht öffentlich vor, allerdings wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie routinemäßig auf Sars-CoV-2 getestet. Die Forschenden konnten also nachverfolgen, ob es Infizierte ohne Symptome gegeben hat. Nature zufolge deuten die Daten der Briten darauf hin, dass der Impfstoff die Häufigkeit solcher Infektionen verringert haben könnte. Daraus ließe sich schließen, dass auch die Übertragung geringer gewesen sei.
(kie)
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