Technik gegen Covid-19 Corona-App: Auf die Botschaften kommt es an
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15. Juni 2020, 17:32 Uhr
Am Dienstag stellt die Bundesregierung die neue Corona-Warn-App vor. Unabhängige Experten sehen zwar keine Probleme beim Datenschutz. Wie die App warnt, ist dagegen noch unklar – aber entscheidend.
Seit Monaten diskutiert die Öffentlichkeit über die Corona-Warn-App für Deutschland, die Nutzerinnen informieren soll, wenn sie Kontakt zu Covid-19-Erkrankten hatten. Am Dienstag (16. Juni) soll das Programm für Smartphones nun endlich verfügbar sein. Und klar ist vorab, die größten Sorgen vor einer solchen App erfüllen sich nach Einschätzung kritischer Experten nicht.
So seien beispielsweise die persönlichen Daten sicher vor dem Zugriff von Behörden und Unternehmen geschützt, sagt die Bürgerrechtlerin Anke Domscheit-Berg im ZDF. Und es werde auch niemand automatisch an Ämter gemeldet, wenn die App eine Warnung an eine Nutzerin absendet, sagt Marcel Salathé, Professor für digitale Epidemiologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne in der Schweiz. Allerdings: Wie die Warnungen genau aussehen und was die Nutzerinnen dann tun sollen, das war am Montag noch nicht bekannt.
Nur die Nutzerinnen und Nutzer werden informiert – nicht die Behörden
Eine ganze Reihe unabhängiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklärt vorab Details zur neuen App, auch Alfred Winter, Professor an der Uni Leipzig und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS). Immer wieder erzeugt eine App eine zeitlich begrenzt gültige Identifikationsnummer (ID) für das jeweilige Smartphone.
Bei einer räumlichen Annäherung der Smartphones von zum Beispiel Frau Müller und Herrn Meier mit der Corona-Warn-App tauschen die beiden Geräte die aktuelle Identifikationsnummer aus und speichern sie für maximal zwei Wochen. Sollte innerhalb der beiden Wochen Herr Meier positiv auf Covid-19 getestet werden, lädt Herr Meier alle noch gespeicherten Identifikationsnummern auf einen zentralen Server hoch. Niemand kann irgendetwas mit diesen Nummern anfangen - nur Frau Müller. Die Corona-Warn-App auf ihrem Smartphone überprüft nämlich regelmäßig, ob eine ihrer in der letzten Zeit gültigen Identifikationsnummern auf dem Server gespeichert ist. Wenn ja, berechnet die App das Risiko einer Ansteckung und informiert Frau Müller.
Die konkrete Zuordnung eines positiven Testergebnisses zu einer ID erfolgt über einen QR-Code. Den kann ein Nutzer nach dem Test abscannen, woraufhin seine ID als positiv getestet gespeichert wird. Behörden, wie die Gesundheitsämter, werden darüber nicht informiert. Wer eine Warnung bekommt, kann selbst entscheiden, was er damit macht.
Bluetooth Funktionen bleiben uneingeschränkt nutzbar
Die räumliche Annäherung wird über den Bluetooth-Funkstandard gemessen, konkret über die Stärke des Signals, erklärt Marcel Salathé. Dieses Signal werde schwächer wenn der Abstand zweier Geräte zueinander wachse, andererseits werde es auch durch Wände oder andere starke Hindernisse unterbrochen. Die Wirkung von Plexiglasscheiben oder Mundnasen-Masken werde dagegen wohl nicht einberechnet. Ein Problem seien auch die unterschiedlichen Signalstärken verschiedener Handys. Dazu würden derzeit eine Reihe von Kalibrierungsmessungen durchgeführt.
Auch die Kriterien für einen gefährlichen Kontakt – über die Dauer von 15 Minuten weniger als zwei Meter Abstand zueinander – seien bislang nur gute, auf Erfahrung basierende Abschätzungen, keine wissenschaftlich gesicherten Werte. "Da gibt es eine große Unschärfe", sagt Salathé. Die normalen Funktionen von Bluetooth bleiben uneingeschränkt nutzbar. User können also weiterhin Lautsprecher, Kopfhörer oder Autoradios mit dem Handy verbinden. Zugleich muss Bluetooth aber ununterbrochen eingeschaltet bleiben.
Nutzer werden vorraussichtlich nicht mit Warnmeldungen überschüttet
Die deutsche App wird auf der Schnittstelle Exposure-Warning aufgebaut, die Google und Apple in ihre jeweiligen Betriebssysteme integriert haben. Seien die Programme schließlich auf den Handys aktiv, könnten sie nur als ein weiteres Mittel im Kampf gegen die Corona-Pandemie dienen, nicht als ihr Allheilmittel, sagt Marcel Salathé. Das telefonische Contact-Tracing der Gesundheitsämter müsse weiterlaufen.
"Die Erfahrungen aus Italien zeigen, dass man nicht tausende von Warnungen bekommt und die Gesundheitsämter auch nicht überrannt werden", sagt Salathé. Die App sei trotzdem eine sinnvolle Ergänzung zu anderen
Benachrichtigungen sollten vorab gezeigt werden
Eine entscheidende Frage war am Montag allerdings noch offen: Wie sieht die Warnmeldung konkret aus, die Nutzerinnen bekommen, die einen potenziell ansteckenden Kontakt zu Covid-19-Erkrankten hatten? Und welche Handlungsanweisungen werden ausgegeben? "Das ist eine schwierige Frage", sagt Cornelia Betsch, Professorin an der Universität Erfurt, die mit regelmäßigen Befragungen die Einstellungen zu den Corona-Schutzmaßnahmen erhebt.
Denn eine vielleicht infizierte Person sei ja auch eine potenzielle Bedrohung. Da würden sich viele fragen, ob man sich direkt in ein Taxi setzen solle oder ob man Einkäufe noch beenden könne? "Man sollte diese Benachrichtigungen auch mal sehen können vorab, damit man vorbereitet ist als Nutzer. 'Geh zu deinem Arzt' allein reicht nicht", sagt die Psychologin. Ute Teichert, Direktorin der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen, kann bisher nur sagen, dass es ein rotes Signal geben soll und einen Hinweis, das örtliche Gesundheitsamt anzurufen.
Gesundheitsämter brauchen genügend Personal
Teichert bedauert zugleich, dass die Daten aus der App nicht mit den Gesundheitsämtern geteilt werden. Die Behörden hätten sich das gewünscht, letztlich habe man sich bei der Entwicklung aber dafür entschieden, vor allem das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer gewinnen zu wollen. Nun sei zu hoffen, dass möglichst viele die App herunterladen. "Jeder der die App nutzt, ist ein Gewinn. Je mehr, desto besser, aber da sollte man sich nicht an Fixpunkt wie 60 Prozent der Bevölkerung orientieren, um festzulegen, wann sie erfolgreich ist. Wir werden auf jeden Fall daraus lernen, auch wenn es nur wenige nutzen."
Ein Problem könne aber die personelle Ausstattung werden. Die Gesundheitsämter seien in den ersten Wochen des Contact-Tracings von sehr viel Hilfspersonal anderer Behörden unterstützt worden. Das werde im Zuge der weiter sinkenden Zahl von Neuinfektionen Schritt für Schritt abgezogen. Würden jetzt aber durch die App mehr Warnungen ausgegeben und kämen deshalb mehr Menschen zu den Gesundheitsämtern, "dann muss das auch bei der Personalberechnung berücksichtigt werden", sagt Teichert. "Es ist gut, dass wir technische Systeme zur Bekämpfung der Epidemie nutzen. Wir wollen auch keinen zweiten Lockdown. Aber dann müssen wir auch das nötige Personal zur Verfügung stellen und das ist in den Gesundheitsämtern."
Kombination mit anderen nationalen Apps möglich
Perspektivisch könnte die deutsche App auch mit den Apps anderer Länder kommunizieren, die dem dezentralen Ansatz von Google und Apple folgen, sagt Marcel Salathé. Zunächst müsse sich die App aber jetzt erst im Einsatz beweisen.
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