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Wissen, was wir lesen Zerbrechlicher Planet. Die Auswirkungen des Klimawandels
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07. Februar 2022, 13:20 Uhr
Schnee in der Wüste, ausgetrocknete Stauseen und Gletscher, die Eisberge kalben, größer als das Stadtgebiet von London. Der Bilderband "Zerbrechlicher Planet – Zeichen des Klimawandels" fasziniert und schockt zugleich mit imposanten Fotografien und Satellitenbildern, sagt MDR WISSEN-Autorin Anne Brantin.
Es gibt keinen Plan(et) B
Stell dir vor, die Welt geht kaputt und niemanden interessiert‘s? Dieser Gedanke ist allgegenwärtig beim Blick in "Zerbrechlicher Planet – Zeichen des Klimawandels". Auf 253 Seiten führt die bildgewaltige Dokumentation vor Augen, wie sehr sich unser Planet in kürzester Zeit verändert hat. Viele der beeindruckenden Bilder stammen vom NASA Earth Observatory. Es gibt unfassbare Vorher-Nachher Aufnahmen, verstörende Bilder von Tornados oder aus Katastrophengebieten, wie etwa nach dem Wirbelsturm Irma. Auch die Satellitenbilder von Zyklonen, Brandflächen, Eislawinen oder Gletschern machen sprachlos.
Obwohl wir so viel über den Klimawandel wissen – es gibt zig Fachartikel, Instagram Channels, Podcasts und mehr nur zu diesem Thema (auch wir von MDR WISSEN berichten regelmäßig) – ist es scheinbar noch nicht genug. Es braucht weiterhin Bücher wie dieses, um daran zu erinnern: There is no Plan(et) B!
2021 – eines der teuersten Naturkatastrophenjahre
Das alte Jahr endete mit 30 Tornados in acht Bundesstaaten Mitte Dezember in den USA. Jede*r erinnert sich außerdem an die Flutkatastrophe vergangenen Sommer, die Deutschland und Belgien schwer getroffen hat. Der Klimawandel hat längst auch Mitteleuropa erreicht. Der schweizerische Rückversicherer Swiss Re gibt an, dass die versicherten Naturkatastrophenschäden 2021 weltweit erneut über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre lagen. Die Schäden der jüngsten Tornados im Dezember noch nicht eingerechnet.
All diese Naturgewalten begegnen uns in diesem Buch: Tropische Wirbelstürme, schmelzendes Packeis, brennende Wälder, auftauender Permafrost, Dürren, Hochwasser, gerodete Wälder… Der Klimawandel hat viele Ursachen und viele Gesichter. Jede und jedes einzelne findet auf den 253 Seiten ihren Platz.
Bilder wie aus Mad Max, Waterworld oder Blade Runner
Im Film "Mad Max: Fury Road" geht es um Öl und den Krieg um Wasser, denn es gibt kaum noch Wasser. Eine ausgedörrte, staubige und lebensfeindliche Welt. In "Waterworld" wiederum findet das Leben auf dem Wasser statt, denn die Polkappen sind geschmolzen und der gestiegene Meeresspiegel hat fast alles Land geschluckt. Auch keine schönen Aussichten. In "Blade Runner 2049" schleicht der Polizist K hingegen durch dunstige und vom Smog verhangene Städte. Man sieht keinen Himmel und Gebäude verschwinden im Nebel. Auch da ist man froh: Zum Glück nur ein Film!
Aber Szenen aus Science-Fiction Filmen sind längst Realität. Das beweisen die Fotografien im Buch. Das Theewaterskloof-Reservoir, der größte Wasserspeicher des Westkaps, war 2017 zu nur 27 Prozent ausgelastet. In Kapstadt wird regelmäßig die Wassernutzung behördlich eingeschränkt. Die Sahara holt sich den Tschadsee. Die Laguna de Aculeo in Chile ist 2019 ausgetrocknet. Die extreme Dürre aus Mad Max ist also längst da.
Auf der anderen Seite befürchten Forschende, dass bis 2050 ca. 95 Porzent von Nord-Jarkarta unter Wasser stehend könnten (die indonesische Regierung hat deshalb gerade den Bau einer neuen Hauptstadt auf Borneo beschlossen). Inseln versinken, die Niederlande rüsten sich mit Sturmflutsperrwerken. Durch das sich erwärmende Klima steigt der Eisverlust im Arktischen Ozean so dramatisch an, dass Wissenschaftler*innen prognostizieren, dass die Arktis im Sommer komplett eisfrei sein wird. Waterworld lässt grüßen. Und in Lima, Peking und Los Angeles ist die Luftqualität durch Smog so extrem schlecht, dass Atemwegserkrankungen und zehntausende Todesfälle darauf zurückzuführend sind. Einziger Lichtblick: Der Landesweite Corona-Lockdown in Indien sorgte 2020 zum Beispiel dafür, dass das India Gate plötzlich gestochen scharf zu sehen war. Mit dem Einstellen aller Aktivitäten von 1,3 Milliarden Menschen gingen die Umweltverschmutzungen im ganzen Land zurück.
Klimawandel ganz konkret
Auch wenn es banal klingt, nicht erschrecken: Dieses Buch ist das ideale Coffee Table Book! Denn wer sonst daran gewöhnt ist, durch schicke Bildbände zu blättern, die das Design des 20. Jahrhunderts oder Entryways of Milan abbilden, der wird bei diesem Bildband aufhören zu blättern und stattdessen innehalten.
Man verliert sich in diesem Buch, bleibt lange an den Seiten hängen, obwohl die einordnenden Bildunterschriften kurz und präzise ausfallen. Zu gewaltig ist das, was dort abgebildet wird. Wem der Klimawandel bisher zu abstrakt und zu weit weg war, wird nach diesem Buch eine andere Sicht auf die Dinge haben. Aber auch für alle anderen ist "Zerbrechlicher Planet – Zeichen des Klimawandels" eine absolute Empfehlung. Über dieses Buch findet man mit den unterschiedlichsten Leuten ins Gespräch und tauscht sich aus. Wenn Bücher das erreichen, ist es etwas ganz Besonderes.
Dieses Buch zeigt in aller Deutlichkeit, wie schlimm es um unsere Ökosysteme und unseren Planeten bestellt ist. Aber jede*r kann seinen Beitrag zu diesem globalen Problem leisten. Spannende Empfehlungen dazu hat sich mein Kollege Matthias Vorndran bereits angesehen.
Denn niemand hat Lust, sich zukünftig in einem Mad Max-, Waterworld- oder Blade Runner-Szenario wiederzufinden.
Die Rezensentin
Anne C. Brantin war bis Januar 2022 Teil des YouTube-Teams von "Science vs. Fiction" bei MDR WISSEN. Sie wechselt nun als Social Media Managerin in den Reitsport. Sie liebt ihr Pferd Risto Matilla und Sci-Fi-Filme wie Mad Max oder Das fünfte Element.
Fürs Klima verzichtet sie auf Langstreckenflüge und streicht Fleisch so gut es geht vom Speiseplan. Beim Blättern durch das Buch schlug sie sich mehr als einmal die Hand vor den Mund.
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