Wissen, was wir lesen Unnützes Medizinwissen – Fakten und Geschichten, die selbst den Arzt verblüffen
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23. August 2021, 15:00 Uhr
Einmal im Schnelldurchlauf durch die Wunderwelt unseres Körpers, unserer Gesundheit und der Medizin – und zwar auf leichte, niedrigschwellige Weise: Das ist die Idee hinter einer Neuerscheinung, die gekonnt den Spagat zwischen Faszination Wissenschaft, Smalltalk-Futter und Entertainment schafft. Eine MDR WISSEN-Buchempfehlung von Daniela Schmidt.
Ungestellte Fragen und gruselige Fakten
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum es uns kalt den Rücken, aber nicht den Bauch herunterläuft? Wieso wir beim Wasserlassen kurz die Luft anhalten? Oder darüber, ob es eigentlich ungesund ist, die eigenen Popel zu essen? Jürgen Brater gibt in seinem Buch Antworten auf Fragen, die sich die meisten von uns vermutlich noch nie gestellt haben – und deren Hintergründe trotzdem im Gedächtnis bleiben.
Obendrauf gibt's Ausflüge in die Medizingeschichte inklusive gruseliger historischer Fakten (so kochten Mönche einst Marmelade aus Leichenblut in der Überzeugung, sie werde dem Esser "Lebenskraft" verleihen), Statistiken über Ohrenschmalzmengen und Schweißdrüsenverteilung und Anekdoten aus der Welt der außergewöhnlichen Krankheiten (etwa das "Eigenbrauer-Syndrom", das den Patienten betrunken macht, ohne dass dieser einen Tropfen Alkohol zu sich genommen hat). Unterfüttert wird das Ganze mit kurzen, prägnanten Erklärungen über das, was in unserem Körper so vor sich geht.
Abwechlungsreich und unterhaltsam
"Unnützes Medizinwissen" gewinnt vor allem durch seinen Abwechslungsreichtum. Medizinisches Grundlagenwissen wechselt sich ab mit unterhaltsamen Kuriositäten. Das Buch lässt sich entspannt am Stück durchlesen, eignet sich aber auch, um es immer mal wieder an einer beliebigen Stelle aufzuschlagen und etwa einzutauchen in Statistiken über Todesarten (einer von 25.000 Menschen stirbt beim Fußballspielen!) oder Listen lustiger Ärzte-Namen (ob es wohl von Vorteil ist, als Chirurgin "Dr. Aufschneiter" oder als Kinderarzt "Dr. Böse" zu heißen?).
Die Kapitel sind kurz, enthalten viele Listen und Aufzählungen und bauen nicht aufeinander auf. Und, klar, der Autor konzentriert sich auf einzelne Highlights: Anstelle eines ermüdenden Rundumschlags bekommt der oder die Lesende hier eine schnelle, kleine Auswahl an – nun ja, "unnützem Medizinwissen" eben.
Doch mit dem "unnütz" im Titel macht Braters Buch sich kleiner, als es ist. Neben Kuriositäten und Anekdoten findet sich darin nämlich auch Wissenswertes und Alltagspraktisches. So werden zum Beispiel verwirrende medizinische Abkürzungen erklärt (merke: "AZ" bedeutet im Krankenhaus nicht "Aktenzeichen", sondern "Allgemeinzustand", "AB" nicht "Anrufbeantworter", sondern "Antibiotikum") und Zungenbrecher-Fachvokabular entschlüsselt (sieh an, statt mit dem Fremdwort "Ductus epididymidis" anzugeben, könnte der Herr Doktor auch einfach "Samenleiter" sagen!).
Praktiker und Autor
Jürgen Brater hat selbst Medizin und Zahnmedizin studiert, ist also ein Mann vom Fach. Nach jahrelanger Praxiserfahrung als Arzt wechselte Brater in den Bereich der medizinischen Aus- und Weiterbildung. Inzwischen ist er vorrangig als Autor populärwissenschaftlicher Bücher über den menschlichen Körper tätig, in denen er Alltagsmythen wie "Bier auf Wein, das lass sein" entlarvt oder erklärt, warum manche Menschen mit den Zähnen knirschen.
Wie ist es geschrieben?
"Unnützes Medizinwissen" ist das, was wir Journalistinnen und Journalisten so gern als "snackable" bezeichnen: kleine, gut verdauliche, unterhaltsame und leicht verständliche Informationshäppchen, die sich sowohl zum Staunen eignen als auch als Smalltalk-Thema für die nächste peinliche Gesprächspause ("Wusstest du, dass alle Nervenbahnen in unserem Gehirn aneinandergelegt eine Strecke von insgesamt 5,8 Millionen Kilometern ergeben würden?").
Vorwissen braucht es für das Buch nicht. Im Gegenteil: Wer sich schon länger mit Medizin-Themen beschäftigt oder gar im Gesundheitsbereich tätig ist, für den wird "Unnützes Medizinwissen" eher wenig Neues bringen. Für alle anderen aber bietet das Buch eine unterhaltsame, stets auch für Laien verständliche Auswahl an Einblicken in Fachgeschichte, Anatomie und Terminologie, immer wieder durchsetzt mit Komischem und aufgelockert mit Kuriositäten.
Was bleibt hängen?
Hängen bleibt nach der Lektüre vor allem der Gedanke: Himmel, der menschliche Körper ist wirklich die reinste Freakshow und Medizin mitunter fesselnder als jeder Krimi!
Jürgen Brater gelingt es durch seine augenzwinkernde und leicht verständliche Ausdrucksweise, in der immer eine tiefe Begeisterung für sein Thema mitschwingt, jeden und jede mitzureißen in die Faszination der Medizin.
Leider ist es unmöglich, die Fülle an Fakten, Anekdoten und Statistiken, die das Buch liefert, komplett im Gedächtnis zu behalten – obwohl man genau das am liebsten tun würde, um auf der nächsten Party oder in der nächsten Mittagspause für staunende Augen und angeregte Gespräche über Gehirn-Gewicht, Verdauungsprozesse oder die Abenteuer unserer roten Blutkörperchen zu sorgen.
Oh, und für alle, die diese Frage nun seit Beginn dieser Rezension nicht mehr losgelassen hat: Nein, die eigenen Nasenpopel zu essen, ist keineswegs ungesund. Wohl bekommt's!
Die Rezensentin Daniela Schmidt ist bei MDR WISSEN vor allem als Stimme des Selbstversuch-Podcasts "Meine Challenge" unterwegs, für den sie zum Beispiel schon ausprobiert hat, nur noch von Flüssignahrung zu leben oder ihr Schmerzempfinden auszuschalten. Wenn all diese Abenteuer geschafft sind und eine Pause von Arbeit und Freizeitspaß angesagt ist, verliert sie sich gern in guten (Sach-)Büchern – am liebsten über Politik und Gesellschaft, Psychologie, das Gehirn und den menschlichen Körper oder den Weltraum.
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