Wissen, was wir lesen Die Triple-Krise: Artensterben, Klimawandel, Pandemien. Warum wir dringend handeln müssen.
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31. Mai 2021, 09:42 Uhr
Eine Fülle wissenschaftlicher Fakten, eingängig und leicht lesbar aufbereitet, so das Urteil von MDR WISSEN-Autorin Karolin Dörner über ein Buch, das die drei großen Herausforderungen der Menschheit zusammenfasst. Artensterben, Klimawandel und Pandemien – dem Ökologen Josef Settele gelingt es, seine Leserinnen und Leser auf den neuesten Stand der Forschung zu bringen und gleichzeitig erkennen zu lassen, "warum wir", wie es im Untertitel heißt, "dringend handeln müssen".
Zugegeben: Ich war nicht gerade begeistert davon, mir mitten in der Corona-Krise noch das Artensterben und den Klimawandel in Form von Lektüre ins Haus zu holen. Aber: Mit diesem Buch lohnt es sich. Es zeigt auf, wie die drei Krisen "Pandemien", "Klimawandel" und "Artensterben" zusammenhängen. Wie fein Zusammenspiele in der Natur funktionieren. Wie der Mensch immer wieder reinfunkt und Schaden anrichtet. Wie Wissenschaft die Krisen erforscht und angeht. Und warum wir jetzt handeln müssen. Das Ganze ohne Hysterie, stattdessen mit viel Wissen und Empathie.
Worum geht es?
Es geht um den aktuellen wissenschaftlichen Stand zu den drei Krisen: Was wissen wir über Artensterben, Klimawandel und Pandemien? Welche Studien gibt es? Welche Rückschlüsse lassen sich daraus ziehen? Welche Fragen bleiben weiterhin offen? Welche Prognosen lassen sich aus den Studien ableiten?
Das Buch zeigt eindrucksvoll auf: Natur ist nicht geradlinig und eindeutig. Was dem einen Organismus schadet, kommt einem anderen zugute. Naturschützende Maßnahmen, die gut gemeint sind, können auch Gegenteiliges bewirken. Wir müssen handeln, das wird klar! Aber wir müssen intelligent handeln.
Wie schafft es das Buch, mich zu fesseln?
Josef Settele will Alarm schlagen, ohne alarmistisch zu sein. Und das gelingt ihm, indem er nüchtern die Fakten und Studien schildert, miteinander vergleicht und einordnet.
Die Lage ist düster, aber dennoch kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Das macht Mut.
Originell wird die Lektüre, weil Settele die nüchternen Studien mit seinem eigenen Werdegang und Interessen verstrickt: Umweltforscher Settele ist nämlich Insektenspezialist mit besonderem Faible für Schmetterlinge. Und so lernt man ganz nebenbei ausgeklügelte Eigenschaften von Insekten kennen, über die man nur staunen kann. Haben Sie sich zum Beispiel schon mal gefragt, warum der Ameisenbläuling diesen Namen trägt?
Wer hat's geschrieben?
Hier kommt geballtes Fachwissen zusammen: Josef Settele ist Professor am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle (Saale), außerdem Professor für Ökologie an der Universität in Halle und promovierter Agrarwissenschaftler. Sein Forschungsschwerpunkt ist Insektenkunde. Schon als Kind begeisterte er sich für alles, was krabbelt, besonders aber für Schmetterlinge. Heute leitet er unter anderem das Tagfalter-Monitoring in Deutschland, das einzige deutschlandweite Langzeitmonitoring für Insekten. 2020 wurde er von der deutschen Bundesregierung in den Sachverständigenrat für Umweltfragen berufen.
Wie ist es geschrieben?
Dafür, dass Josef Settele uns durch eine unglaubliche Fülle von wissenschaftlichen Studien peitscht, ist das Buch erstaunlich eingängig und einfach (im besten Sinne des Wortes) geschrieben. In einem Fluss liest man sich durch die unterschiedlichen Themenschwerpunkte, sei es das Problem der Landwirtschaft, Lichtverschmutzung oder Waldsterben.
Settele zeigt auf, wie Studien sich ergänzen und wie sie methodisch vorgehen, ohne in einen fachlichen Duktus zu verfallen. Eine große Stärke: Er erhebt sich nicht zum großen Moralisten und zeigt mit dem mahnenden Finger auf uns Leser, sondern gibt sich menschlich und gesteht ein: Auch er isst gerne Fleisch und fliegt regelmäßig zu Fachtagungen in aller Welt.
Was bleibt hängen?
Ein Potpourri an großen Zusammenhängen und kleinen interessanten Details aus der Tier- und Pflanzenwelt.
Settele schildert eindrucksvoll die Folgen menschlichen Handelns.
Wenn wir in die Natur eingreifen, selbst wenn es dem Schutze mancher Tiere oder Pflanzen dienen soll, rufen wir oftmals unvorhersehbare und negative Begleiterscheinungen hervor – negativ in dem Sinne, dass wir irgendwann die Kosten dafür tragen müssen. Ein Beispiel dafür ist die aktuelle Pandemie, eine direkte Folge menschlicher Aktivität, schreibt Settele.
Dazwischen Schilderungen von explodierenden Ameisen auf Borneo, die so Feinde attackieren. Die Wiesenschaumzikade, die 70 Zentimeter hoch springen kann. Von Mücken, die jetzt in Deutschland dank der milden Temperaturen überwintern und ziemlich fiese Krankheiten übertragen (dieses Kapitel macht zugegebenermaßen schlechte Laune). Kuhfladen, die aufgrund der Medikamente, die die Tiere bekommen, nicht mehr von Mistkäfern zersetzt werden können und daher den Namen "Betonfladen" tragen.
Die Rezensentin Für Karolin Dörner ist das Schönste an wissenschaftlichen Themen: Sie sind wie kleine Rätsel, die man knacken muss, dann kommen die Aha-Momente, das Staunen und dann die große Frage: Wie bekomme ich das jetzt hin, dass auch alle anderen diesen wunderbaren Moment mit mir teilen?
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