Buchtipp der Woche Milch ohne Honig
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06. November 2022, 10:00 Uhr
Alle wissen vom Bienensterben. Aber können wir dieses komplexe Problem mit seinen Auswirkungen wirklich begreifen? Hanna Harms nähert sich als Illustratorin der Thematik und hinterlässt Wissen. Und Emotionen. MDR WISSEN-Autorin Lena Tabea Hähnchen hat sich ihr Buch angesehen und stellt es vor.
Die Dystopie ist jetzt
Die Graphic Novel "Milch ohne Honig" begleitet die Biene in ihre Welt und stellt dar, wie durchdacht das "System Biene-Blume" ist. Man kommt nicht umhin, beeindruckt zu sein.
Ein harter Bruch. Die Einführung von Pestiziden, Monokulturen und Lichtverschmutzung. Der Mensch, der die Natur zerstört. Nichts Neues, aber sehr bildlich dargestellt und gut erklärt.
Menschen, die das Bienensterben zu verantworten haben, bestäuben jetzt "mit einem Fläschchen mit Pollenstab um den Hals, einen Federpinsel in der Hand" selbst die Blumen. Die Absurdität der Menschheit.
Fokussiertes Design und komplexe Zusammenhänge
Auf den ersten Blick.
Schönes, klares Design. Ein spannender Titel. Die Haptik – das Material des Buches fühlt sich sehr wertig an. (Fast) jede Seite so schön – man möchte sie sich an die Wand hängen.
Auf den zweiten Blick.
Mit kurzen Sätzen oder nur einzelnen Worten werden komplexe Zusammenhänge einfach und klar dargestellt. Grafisch einfache Bilder erzählen eine Geschichte. Worte und Bilder ergänzen sich. Miteinander verbunden regen sie die Gedanken an.
Wissenschaftscomic mit Auszeichnung
Mit frankobelgischen Comics in der Kindheit und einem ersten selbstgezeichneten Comic in der Bezalel Academy of Arts and Design Jerusalem begann Hanna Harms‘ Interesse für Comics. Ein Artikel über den Zusammenhang der Bienen mit der Kulturgeschichte der Menschen und die Idee zu "Milch ohne Honig" war geboren. Wissen über das Bienensterben vermitteln, aber auf eine emotionale und atmosphärische Weise.
Die Bachelorarbeit "Milch ohne Honig" wurde mit dem Ginco Award, einem Comicpreis, der explizit marginalisierte Gruppen unterstützen will, in der Kategorie "Best Non Fiction Comic" ausgezeichnet.
Aktuell macht Hanna Harms ihren Master in Illustration an der HAW Hamburg.
Als Insektenforscher, Professor am Biozentrum der Universität Würzburg und Bestsellerautor wurde Jürgen Tautz mehrmals für die Vermittlung von Wissenschaft an eine breite Öffentlichkeit ausgezeichnet. Seine Bücher wurden in bis zu 20 Sprachen übersetzt.
Klare Poesie
Hanna Harms schreibt klar. Wenige Sätze und Worte auf jeder Seite. Die aber völlig ausreichen. Harms vermittelt viel Inhalt auf wenig Raum.
Mit Bleistiftlinien, dunklen Schattierungen, gelbgrünen Gouacheflächen und rosa Akzenten entsteht in einfachen Bildern eine faszinierende Tiefe/ Atmosphäre.
Bilder und Worte sprechen eine assoziative und poetische Sprache.
Im Anschluss folgt ein Nachwort von dem Bienenexperten Jürgen Tautz. Auch er findet einfache Worte, fasst die Thematik gut zusammen und verleiht dem Buch somit noch mehr wissenschaftlichen Hintergrund – mit einem klaren Appell an die Politik.
"Insekten brauchen uns nicht - doch wir brauchen sie!"
Was bleibt, ist ein Gefühl. Ein Gefühl der leichten Schwere. Harms' Anspruch war, nicht nur Fakten zu vermitteln, sondern auch auf einer emotionalen Ebene anzusprechen, um die Not der Bienen besser darzustellen.
Diese kleinen Wesen sind relevant für die Pflanzen, unsere Nahrung und damit die Wirtschaft. Ja, auch die Wirtschaft hängt von Bienen und anderen Insekten ab. Denn je weniger Bienen, desto weniger Erträge in der Landwirtschaft. Weniger Erträge können mit größeren Flächen ausgeglichen werden. Das bedeutet aber auch mehr Kosten und größere Flächen führen zu mehr Entwaldung. Mehr Entwaldung führt zu mehr Artensterben … Der Teufelskreis ist im vollen Gange. Das beeinflusst am Ende die ganze Menschheit. Auch wenn die Katastrophe weit fortgeschritten ist, endet das Buch mit einem Hoffnungsschimmer und gibt klare Tipps, was verändert werden muss.
Die Rezensentin Lena Hähnchen begeistert sich schnell für Neues und lernt gern dazu. Diese Neugierde lebt sie auch in der Redaktion MDR WISSEN aus, die sie im Rahmen ihres "MDR fresh"-Volontariats kennen- und liebengelernt hat. Weil sie etwas verändern will, ist ihr die Aufklärung junger Menschen besonders wichtig.
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