Wissen, was wir lesen Eine Geschichte der Welt in 100 Mikroorganismen
Hauptinhalt
09. Januar 2022, 15:00 Uhr
Mahlzeit! Es sind zwar nur 100 Mikroorganismen, die uns in "Die Geschichte der Welt in 100 Mikroorganismen" serviert werden. Aber sie machen tatsächlich Appetit auf noch mehr Mikroben, findet MDR WISSEN-Autorin Liane Watzel.
Zutatenliste für ein wildes Rezept
Ein Astronom, der sich mit der Welt fern unseres Erdballs beschäftigt und ein Biologe, der sich Mikroorganismen widmet, erzählen die Geschichte der Welt anhand von 100 Mikroorganismen. Also Astronomie plus Biologie gleich Geschichte der Erde? Auf den ersten Blick ein wundersames Buchrezept, das Florian Freistetter und Helmut Jungwirth da angerührt haben.
Man nehme …
Normalerweise braucht es für Bücher kein Gebrauchsrezept – lesen, blättern, fertig. In diesem Fall ist es etwas anders. Dieses Buch enthält so viele Details, sowohl aus der Welt der Mikroorganismen als auch aus Forschung und Geschichte, dass man beim Lesen oft denkt: stopp, halt, das will ich mir aber mal merken! In jedem der 100 Kapitel stecken so viele spannende Informationen über Mikroorganismen, die Geschichten ihrer Entdeckung, ihre Bedeutung für unser Leben, den Alltag, die Forschung. Da helfen nur Klebzettel mit kurzen Hinweisen oder Unterstreichungen. Kennt man ja aus der Schule, kleinteilig fabrizierte Spickzettel als effektive Gedächtnisübung.
Man lese …
Wie liest man nun ein Buch, das die Weltgeschichte anhand von 100 Mikroorganismen erzählt? Man kann es von vorne nach hinten lesen, wie man das mit Büchern allgemeinhin so macht. Oder man überfliegt das Register am Ende des Buches und verhakt sich dabei an einem Thema. Oder man blättert einfach durch, und bleibt kleben am Untertitel eines der 100 Mikroorganismus-Kapitel. Physarum polycephalum. Hätte ich, ehrlich gesagt, wahrscheinlich übersprungen. Bin aber kleben geblieben am Untertitel "Schlauer Schleim". Was ist das denn? Und weiß jetzt, dass es einzellige Lebewesen gibt, aus denen schlaue Pilze werden, die lernen können und Erlerntes sogar an Kollegen weitergeben können.
Das funktioniert bei vielen der Kapitel: Mikroorganismen, deren Namen uns auf den ersten Blick nichts sagen, aber deren Untertitel neugierig machen, wie beim Marburg-Virus, "Das Dreckige Dutzend". Stimmt's, da wüssten Sie jetzt auch gern mehr? Jeder Mikroorganismus katapultiert uns in einen Moment der Geschichte, mal ganz nahe am Jetzt, mal an den Anfang der Erde. Entsprechend unterscheiden sich Schauplätze und Momente in der Zeit, die leicht Lust auf Vertiefung machen.
Gut gegen Mikroben-Hunger: Ein Häppchen Titanic
Zum Beispiel Ausflugsziele: Haig Balian, der ehemalige Direktor des Amsterdamer Tiergartens "Artis", hat so einen geschaffen, den weltweit ersten Zoo für Mikroorganismen namens Mikropia. Ein Ort, der die winzigen Organismen sichtbar macht, mit denen wir leben.
Oder man erfährt, dass die Titanic, der legendäre, gesunkene Passagierdampfer 2030 komplett zerstört sein wird von Halomonas titanicae, einem Bakterium, das sich in der dunkeln und kalten Tiefsee wohlfühlt, wo es Eisen in Rost umwandelt und aus diesem Prozess Energie gewinnt. Hier schlagen die Buchautoren eine Brücke ins Heute: Wer weiß, was Halomonas titanicae kann, weiß auch, wie man Objekte bauen muss, die man Halomas titanicae nicht zum Fraß vorwerfen will. Man denke nur an die Ölbohr-Plattformen oder Windräder, die am Meeresboden zur Stromgewinnung verankert werden.
Das Auge isst mit – aber nur indirekt
Knapp 220 Seiten Text widmet das Autoren-Duo 100 ausgewählten Mikroorganismen, aber kein einziges Bild. Einzige optische Auflockerung im Buch sind die Umrisse zweier winziger Mikröbchen unten auf den Buchseiten neben der Seitenangabe. Aber auch ohne Illustrationen entstehen beim Lesen Bilder der einzelnen Mikroorganismen, entweder dank anschaulicher Beschreibung, der Schilderung ihrer Umgebung und Lebensgewohnheiten oder der Zeit, in die die Buchautoren den jeweiligen Mikroorganismus einrühren.
Ein Astronom und ein Molekularbiologe
Florian Freistetter ist Astronom, Buchautor, Blogger und Podcaster. Er hat in Wien studiert und promoviert, arbeitete unter anderem an der Sternwarte der Uni Jena und am Astronomischen Rechen-Institut der Uni Heidelberg.
Helmuth Jungwirth ist Molekularbiologe an der Universität Graz mit einer Professur für Wissenschaftskommunikation. Freistetter und Jungwirth gehören zu den Science Busters, einer Wissenschaftskabarettgruppe.
Mahlzeit!
"Die Geschichte der Welt in 100 Mikroorganismen" kredenzt leicht verdaulich angerichtete Mikroorganismen mit Fakten aus Forschung und Geschichte. Wissenshungrige finden in diesem Mikrokosmos garantiert noch Wissens-Bissen, mit denen sie ihr Umfeld füttern können.
Die Rezensentin Liane Watzel ist Online- und Radioautorin. In der Redaktion Wissen & Bildung, weil sie Neues aus der Forschung gern so übersetzt, dass jede/r sie beim ersten Lesen oder Hören versteht und anschließend sagt: "Ach so! Wie spannend! Jetzt versteh ich das! Das hab' ich nicht gewusst!"
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/e361294d-635d-4502-b910-a12bca54c0bf was not found on this server.