Neue Männlichkeit Bromance-Unterricht: Mit Mitgefühl gegen die Wut im Bauch
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19. Mai 2023, 09:46 Uhr
Ein Junge weint nicht! Mit dieser Maxime sind Generationen von Jungen großgeworden. Mit dem Ergebnis, dass ihnen ihre Gefühle im Weg stehen, ja sogar zum Verhängnis werden. Das meint zumindest der Autor eines neuen Ratgebers aus Großbritannien.
In seinem Alltag als Englischlehrer beobachtet Matt Pinkett sozusagen an vorderster Front, wie schwer Teenager an den Stereotypen zu tragen haben, mit denen sie aufwachsen. Das gefährde die psychische Gesundheit und erhöhe sogar das Suizidrisiko, besonders bei Jungen, sagt er und bezieht sich dabei auf aktuelle Statistiken für Großbritannien. Demzufolge begingen 2020 264 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 19 Jahren Selbstmord, 72 Prozent davon waren Jungen. Im Erwachsenenalter sind es ebenso deutlich mehr Männer, die betroffen sind, auch in Deutschland.
Eine Chance, schwere Krisen zu vermeiden, die letztendlich auch zum Suizid führen können, sieht Pinkett gerade an den Schulen, wo Kinder und Jugendliche viel Zeit in der Gemeinschaft verbringen. Sein Weg: ein neuer Umgang mit männlicher Wut, mit Freundschaften und mit der Einstellungen zum Sex zu leben. Sein Ratgeber "Boys do Cry" (Jungen weinen) soll dabei helfen. Aus Forschungsergebnissen der Psychologie und der Pädagogik sowie aus Erfahrungsberichten von Lehrerkollegen, Gesundheitsexperten und Therapeuten leitet er darin praktische Tipps für den Alltag ab.
Wut ist ein so natürliches Gefühl wie Freude oder Traurigkeit, man muss nur anders mit ihr umgehen.
Bislang waren Wutausbrüche vor allem bei Jungen ein unerwünschtes Verhalten, das von Lehrern kritisiert oder gar bestraft wurde. Für Pinkett ist das der falsche Weg. Stattdessen sollten sie ihren Schülern helfen, die neurologischen und physiologischen Gründe für ihre Emotionen zu verstehen, anders mit ihnen umzugehen und darüber zu sprechen, anstatt sie zu stigmatisieren und damit den inneren Widerstand zu verstärken.
Bromance: Wie romantisch kann der Umgang unter Männern sein?
Bromance, als eine intensive Freundschaft unter Jungen bzw. Männern vorzuleben, dazu ermutigt Pinkett in seinem Buch. Er geht sogar so weit, ein einfühlsames männliches Miteinander unter Lehrern zur Norm zu machen. Schließlich würde jede soziale Interaktion, die in einem Klassenzimmer stattfindet, von den Schülern beobachtet und verinnerlicht, auch die unter den Erwachsenen. Männliche Lehrer sollten deshalb einander offen Komplimente machen, liebevoll über andere Menschen sprechen und männliche emotionale Verletzlichkeit würdigen, wo und wann immer es möglich ist.
Ich schlage nicht vor, dass wir jemals versuchen sollten, Therapeuten zu sein – das würde niemals funktionieren. Aber Tatsache ist, dass wir diese Kinder für große Teile ihres Lebens begleiten.
Zuhören lernen und Nähe zulassen
Nur reden reiche dafür nicht aus, so Pinkett. Genauso wichtig sei für ihn die Fähigkeit, zuhören zu können, die fehle vielen Jungen. Er setzt darauf, dass die Lehrer genau das vermitteln könnten: einander zuzuhören und Mitgefühl oder Zuneigung zu zeigen, eben "Bromance", "Romantik unter Brüdern", zu leben und so Freundschaften aufzubauen. Genau danach würden sich Jungen durch Studien nachgewiesener Maßen sehnen, doch die bislang vorherrschende raue Vorstellung von Männlichkeit würde solche nahen Beziehungen zu Gleichaltrigen verhindern.
Wir müssen den Jungen vermitteln, einfühlsam miteinander umzugehen und dass es in Ordnung ist, verletzlich und emotional zu sein.
Mit seinem Buch "Boys do Cry" will Pinkett Lehrer ermutigen, sich mit all dem auseinanderzusetzen und manches vielleicht auch in ihren Schulen umzusetzen. Der Ratgeber enthält Forschungsergebnisse zu Faktoren, die Einfluss nehmen auf die psychische Gesundheit von Jungen und praktische Tipps für den Alltag.
Über den Autor
Matt Pinkett ist Englischlehrer in Surrey (UK). Er ist Co-Autor des Bestsellers Boys Don't Try? Das Buch "Boys Do Cry" ist am 17. Mai bei "Taylor & Francis" in englischer Sprache erschienen.
krm
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 10. Mai 2023 | 11:10 Uhr
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