Lehrerstudie beklagt große Mängel Unsere Lehrer brauchen mehr sexuelle Bildung
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25. November 2019, 17:50 Uhr
Wie aufgeklärt sind unsere Lehrer? Und würden sie erkennen, wenn eine Schülerin oder ein Schüler sexuell misshandelt wird? In einer deutschlandweiten Studie im Rahmen des Projektes "Sexuelle Bildung für das Lehramt" (SeBiLe) erfragten Sexualwissenschaftler der Hochschule Merseburg und der Uni Leipzig, was Lehrer und solche, die es mal werden wollen, in ihrer Ausbildung über Sexualität und sexuelle Gewalt lernen. Die Ergebnisse waren ernüchternd und wurden heute in Leipzig vorgestellt.
0800 22 55 5309 - Diese Nummer sollte jeder Lehrer in seinem Handy gespeichert haben, sagt Jürgen-Wolfgang Stein, denn es ist die Nummer vom Hilfetelefon bei sexuellem Missbrauch. Stein, Mitglied im Fachgremium beim Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung, fürchtet allerdings, "dass man das an einer Hand abzählen kann, wie viele Lehrerinnen und Lehrer die Nummer auf ihrem Handy gespeichert haben".
Missbrauch hat viele Gesichter
Laut Bundeskriminalamt gab es im Jahr 2017 reichlich 13.500 bekannte Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch. Die Dunkelfeldforschungen geht aber davon aus, dass jedes siebte bis achte Kind in Deutschland sexuelle Gewalt erleidet. In einer Schulklasse mit 24 Kindern sitzen also theoretisch drei SchülerInnen, die sexuell misshandelt werden. Wobei das nicht heißen muss, dass sie vergewaltigt werden. Zu sexuellem Missbrauch gehören auch Berührungen, die das Kind nicht möchte, Küsse auf den Mund, die Wange, ein Griff an den Po oder die Brust eines Mädchens, oder wenn ein Kind sich vor einer erwachsenen Person ausziehen soll. Mit entsprechender Ausbildung könnten Lehrer viel für diese Kinder tun.
Sexuelle Bildung ist sehr viel mehr als Wissen über Sexualität. Es geht darum zu erkennen, wenn Kinder in Not sind, die Signale wahrzunehmen und richtig zu handeln.
Denn die Betroffenen würden nicht laut rufen oder in dreckigen Klamotten in die Schule kommen. Sie würden stumme Signale senden, die nur geschulte Lehrer erkennen. Doch 90 Prozent der Studierenden und der Lehrkräfte gaben an, dass sie während ihres Studiums nichts über sexuelle Gewalt gelernt haben und auch nicht, wie man sie erkennt. Auch sexuelle Bildung spiele nur eine Nebenrolle. Für Maria Urban, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Merseburg, ein unhaltbarer Zustand.
Für kein Studienfach im Lehramtsstudienbereich ist ein Inhalt sexueller Bildung vorgesehen, flächendeckend, deutschlandweit. Es gibt im Moment kein Fach, wo diese Inhalte verpflichtend stattfinden.
Doch Sexualität ist in Schulen ein riesen Thema. Da kommt kein Lehrer drum herum. Entsprechend gaben 85 Prozent der Studierenden an, dass sie Weiterbildungsbedarf hätten. Bei den Lehrkräften waren es 64 Prozent. Das Ausbildungsdefizit ist immens, zeigt die Studie, und es sei auch eine vertane Chance.
Schule als geschützter Raum
Denn jedes Kind muss zur Schule. Dort soll es einen geschützten Raum finden, einen Ort, wo es sich öffnen und gewaltfrei lernen kann. Heiko Hübner vom Ministerium für Bildung in Sachsen-Anhalt sieht die bereits getroffenen Maßnahmen in seinem Bundesland durch die Studie bestätigt. Mit dem Konzept "Schule gegen sexuelle Gewalt" verankere das Land den Schutz der Schüler vor sexueller Gewalt fest im Leitbild der Schulen. 2018 wurde der Maßnahmeplan zur Gewalt und Suchtprävention vorgelegt, der mit Schülern Strategien erarbeitet und sie stark gegen Gewalt machen soll.
Es ist eine Studie zum richtigen Zeitpunkt, weil wir die Ausgangslage, die Interessenlage von Lehrkräften und aber auch den Bedarf in Schulen sehr deutlich sehen.
SeBiLe: Ziel, Förderer, Beirat
Ziel des Verbundprojektes SeBiLe ist es, so die Hochschule Merseburg auf der Projektseite, "einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des theoretischen Wissens, der Handlungs- und der Reflexionskompetenzen von Lehr- und Führungskräften im Themenfeld Sexuelle Bildung in einem inklusiven Schulsystem zu leisten". SeBiLe steht für wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Zum Projektbeirat gehören weitere Hochschulen und Universitäten, aber auch Initiativen und Stiftungen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 25. November 2019 | 18:50 Uhr
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