Wissen, was wir lesen Eingefroren am Nordpol. Das Logbuch von der "Polarstern"
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01. Dezember 2020, 09:44 Uhr
"Der erste Schluck ist warm, der zweite kalt, der dritte gefroren". Am Nordpol ist auch Glühweintrinken anders als zuhause, berichtet Markus Rex, der Leiter der Arktis-Expedition MOSAiC. Sein Logbuch an Bord der "Polarstern" ist jetzt als Buch erschienen. MDR WISSEN-Autor Albrecht Wagner hat es gelesen und empfindet "Respekt vor den Forscherinnen und Forschern, die unter extremen Bedingungen wissenschaftliche Erkenntnisse sammeln, um uns die Welt wieder ein Stück besser verstehen zu lassen".
Inhalt des Artikels:
Es ist eines der größten Abenteuer unserer modernen Zeit. Im Herbst 2019 lässt sich das Forschungsschiff Polarstern an einer Eisscholle festfrieren und driftet fast ein Jahr lang durchs Nordpolarmeer – bis dicht an den Nordpol. Expeditionsleiter Markus Rex gelingt mit seinem Logbuch eine packende Mischung aus Alltag unter Extrembedingungen, wissenschaftlichen Fakten und dem Zauber einer faszinierenden unbekannten Welt.
Worum geht es?
Um die MOSAiC-Expedition (MOSAiC = Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate) von September 2019 bis September 2020. Einige hundert internationale Forscherinnen und Forscher driften in wechselnden Teams mit dem Forschungseisbrecher "Polarstern" festgefroren in einer riesigen Eisscholle durch den Nordpolarwinter. Es sind die ersten kontinuierlichen Eis-, Wasser- und Luftmessungen, die im Winter im Nordpolarmeer gemacht werden. Allein die Vorbereitungen dauern Jahre und sind ein logistisches Meisterstück.
Der Expeditionsalltag bringt trotzdem fast täglich neue Überraschungen und Herausforderungen: sich auftürmendes Eis, Risse in der "Heimatscholle", neugierige Eisbären, in der Kälte versagende Technik und, und, und. Und dann kommt im Rest der Welt die Corona-Pandemie, die die Expedition fast zum Scheitern bringt. Mit leidenschaftlichem Einsatz bringen die Beteiligten die Expedition dennoch erfolgreich zuende. Die Erkenntnisse über Luftströmungen, Luftzusammensetzung, Eisentwicklung, Wassertemperatur und Meeresströmungen werden in den nächsten Jahren Klimamodelle entscheidend verbessern.
Wie schafft es das Buch, mich zu fesseln?
Durch die Authentizität. Markus Rex schildert den Alltag in Eiseskälte und stockdunkler Polarnacht und lässt ein wirkliches Gefühl für das Leben der Forscherinnen und Forscher entstehen. Es geht um dramatische Situationen, wenn das Eis in Bewegung gerät und Menschen und Ausrüstung gerettet werden müssen. Dieselben Menschen spielen aber auch Fußball auf dem Eis, vermissen das tägliche Frühstücksei (gibt’s nur Donnerstag und Sonntag) oder bauen sich die nördlichste Eisbar der Welt.
Besonders intensiv packen die Momente, wenn Markus Rex seine Faszination für die arktische Welt beschreibt.
So z.B. die absolute Stille, in der nur Eiskristalle ganz leise knistern, die bizarren und immer wieder neuen Eisskulpturen oder ein viereckiger Mond und andere durch Luftspiegelungen erzeugte phantastische Himmelserscheinungen. Das alles wird ganz nah erlebbar durch die authentischen Bilder aus der gesamten Zeit der Expedition, die die Einsamkeit und Kälte quasi fühlbar machen und gleichzeitig die Schönheit und Majestät der Natur im Nordpolareis zeigen.
Wer hat's geschrieben?
Markus Rex, Jahrgang 1966. Er ist Professor für Atmosphärenphysik und leitet die Atmosphärenforschung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Als Polar- und Klimaforscher ist er seit Jahren auf Expeditionen in der Arktis und der Antarktis unterwegs. Bei der MOSAiC-Expedition war er Expeditionsleiter und sowohl die ersten vier Monate als auch dann wieder ab Juni 2020 direkt an Bord.
Wie ist es geschrieben?
Als Tagebuch. Markus Rex gibt einen Tatsachenbericht mit sparsam und feinfühlig eingestreuten emotionalen Momenten. Dazu kommen immer wieder farbig abgesetzte Infoblöcke mit Hintergrund zu Natur der Arktis, Arktisforschung und zur MOSAiC-Expedition. Es ist ein Buch zum "Immer-Wieder-Reinblättern". Der spannende und zum Teil dramatische Expeditionsverlauf ist der Handlungsfaden. Aber genauso fesseln immer wieder einzelne Bilder und die vielen Erlebnisse, die uns als Leser jedes Mal neu hineinziehen in die fremde faszinierende Eiswelt.
Was bleibt hängen?
Wie gut wir's haben hier im Warmen. Und wie großartig, fremd und bewahrenswert die arktische Eiswelt ist. Dazu ganz viel Respekt vor den Forscherinnen und Forschern, die unter extremen Bedingungen in Polarnacht und Eiseskälte wissenschaftliche Erkenntnisse sammeln, um uns die Welt wieder ein Stück besser verstehen zu lassen. Und dass man Freiluft-Glühwein in der Arktis schnell trinken muss: "Der erste Schluck ist warm, der zweite kalt, der dritte gefroren".
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