Was wir lesen
Wissen, was wir lesen Bücher, die die Welt veränderten
Hauptinhalt
05. Januar 2021, 15:03 Uhr
"Zu viele Menschen halten Wissenschaft für langweilig und wenig inspirierend. Das sollte nicht so sein", findet Wissenschaftsjournalist Brian Clegg. Und schafft es, 150 zentrale Bücher der Naturwissenschaften so zusammenzustellen, dass eine spannende Tour d'Horizon durch die Geschichte der Wissenschaftsliteratur entsteht. Und nicht nur das: indem er Buch- und Forschungsgeschichte in ihrer Verzahnung beschreibt, entsteht ein lebendiges Bild der Wissenschaft und ihrer Verbreitung.
Worum geht es?
Ein Buch über Bücher. Ob sämtliche der 150 vorgestellten Abhandlungen wirklich zu den – wie es im Untertitel heißt – "bedeutendsten Büchern der Naturwissenschaften von Archimedes bis Stephen Hawking" zu zählen sind, bietet wahrscheinlich genügend Gesprächsstoff für lange Winternächte; die meisten von Ihnen aber, ob Keplers "Astronomia nova", Charles Darwins "On the Origin of Species" oder Marie Curies "Traité de Radioactivité", gehören unbestritten dazu.
Das Schöne ist: Die Bücher werden in einem Kontext der Buch- und Wissenschaftsgeschichte vorgestellt, der Herkunft und Wirkung der jeweiligen Forschungen deutlich macht und damit sowohl Verstehen als auch Einordnung ermöglicht. Eine Vielzahl von sehr schönen Abbildungen im Text (durchschnittlich mehr als eine pro Seite!) zeigen Ausschnitte der Bücher und machen Lust, diese zu entdecken. Und am Ende sind die Bücher nochmals in zwei Tabellen sortiert, sowohl alphabetisch nach Autorinnen und Autoren als auch nach Entstehungszeit, was erheblich zur Orientierung beiträgt.
Wie schafft es das Buch, mich zu fesseln?
Die Mischung aus Wissenschaftsgeschichte auf der einen Seite sowie Buch- und Druckgeschichte auf der anderen zeigt Wechselwirkungen auf und lässt Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation (denn nichts anderes sind diese Bücher) im Verhältnis zueinander erleben. Und so wird unmittelbar erfahrbar, dass eine assyrische Tontafel mit astronomischen Berechnungen aus dem 6. Jahrhundert vor Christus einfach nicht dieselbe Reichweite (und damit auch Beachtung – und Folgen!) erleben konnte wie Stephen Hawkins "A Brief History of Time" in einer Taschenbuchausgabe. Beschleunigung der Forschungsgeschwindigkeiten schon allein aufgrund unterschiedlicher Verbreitungsmöglichkeiten – hier wird dies auf Anhieb klar.
Eine weitere Faszination geht natürlich von dem "Buch-im-Buch"-Effekt aus: Eine schön gestaltete Buchseite als Illustration und Teaser – und schon lande ich direkt im Objekt der Besprechung, beginne zu lesen und weiß schon bald, was ich mir zu meinem nächsten Geburtstag wünschen kann.
Wer hat's geschrieben?
"Zu viele Menschen halten Wissenschaft für langweilig und wenig inspirierend. Das sollte nicht so sein. Wissenschaft erklärt, wie alles funktioniert: wir, unsere Welt, unser Universum. Es ist also Stoff über das Leben und den Tod. Große Wissenschaftsvermittlung lässt die beteiligten Personen und die bemerkenswerten Geschichten ihrer Entdeckungen lebendig werden." Das schreibt der Autor dieses Buchs, Wissenschaftsjournalist Brian Clegg auf seiner Website.
Der Cambridge-Absolvent hat Naturwissenschaften und Operational Research studiert, ist heute Mitglied der Royal Society of Arts und hat sich zur Aufgabe gemacht, Wissenschaft erlebbar zu machen. Er schreibt nicht nur Bücher, sondern hält auch Vorträge und arbeitet für Radio, Fernsehen und online.
Wie ist es geschrieben?
Es ist diese für englischsprachige Wissenschaftsliteratur so erfreulich typische Verbindung von wissenschaftlicher Präzision mit verständlicher Schreibe. Der Inhalt ist komplex genug – warum soll ich das auch noch mit großer Komplexität beschreiben? Und so lese ich Sätze wie die folgenden und merke gar nicht, dass ich nach über 250 Seiten erstaunlich viel über Wissenschafts- und Publikationsgeschichte gelernt habe:
"Mit dem Thema des Buches (gemeint sind Euklids Elemente) quälen sich seit Jahrhunderten schon Generationen von Schulkindern". Oder: "Eine wesentliche Leistung des Buches bestand in der Abkehr von der Phlogistontheorie, einer durchaus logischen wissenschaftlichen Theorie, die sich nur zufällig als falsch erwies." Und: "Eine Sache, in der sich Darwin auf jeden Fall irrte, war seine Vorstellung von der Evolution auf mikroskopischer Ebene. [...] Er hätte sehr großen Nutzen aus 'Versuche über Pflanzen-Hybriden' von Gregor Mendel ziehen können, wenn es ihm zur Verfügung gestanden hätte".
Was bleibt hängen?
Neben der Lust, einige der vorgestellten Bücher sofort komplett zu lesen, bleiben immer wieder Fakten und Bilder hängen. Die Weltzeituhr von Alexander von Humboldt z.B., entstanden vor der Einführung der Zeitzonen, nach der zwischen Dresden und Leipzig ein Zeitunterschied von immerhin fünf Minuten existiert, "Copenhagen" und Leipzig aber exakt dieselbe Zeit haben. Oder eine Galenus zugeschriebene Ansicht des menschlichen Körpers mit allen Arten von Wunden, die ihm zugefügt werden können. Oder auch der Ärger darüber, dass Curies "Radioaktivität" auf der Titelseite nicht ihr Bild ziert, sondern das ihres Mannes.
Der Rezensent … hat sich die Neugier seiner Kindheit erhalten. Ihn interessieren dabei weniger die Dinge, die weit weg oder weit zurück liegen als eher die wissenschaftlichen Fragen im Hier und Jetzt. Und das, was unser aller Zukunft ausmacht. Liebt die Vermittlung von Wissen, engagiert sich für die Bildung und betreut als Redakteur auch diese Rubrik: "Wissen, was wir lesen?"
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/f177eebf-0b20-4894-ae1e-432b0204f18b was not found on this server.