Sars-CoV-2 verschmilzt mit Wirtzelle
Wenn sich Sars-CoV-2 mit seinen Spikeproteinen (rot) an die Zielzelle geheftet hat, beginnt der Prozess der Verschmelzung (rechts im Vordergrund) Bildrechte: IMAGO / Science Photo Library

Sars-CoV-2 Neuer Ansatz: Experimenteller Antikörper schaltet alle Virusvarianten von Corona aus

15. August 2022, 11:02 Uhr

Ein Team von Harvard-Forschenden hat einen neuen Antikörper gegen Corona entwickelt, der alle bislang bekannten Virusvarianten ausschalten kann. Das funktioniert, indem er die Verschmelzung der Viren mit den Wirtszellen verhindert.

Mäuse gentechnisch so zu verändern, dass ihr Immunsystem menschlich wird, ist keine neue Erfindung. Doch ein Team von Forschenden der Harvard Medicals School hat nun durch eine komplexe Kombination von Menschen- und Mäusegenen eine besondere Linie von neuen wirksamen Antikörpern gegen das Sars-Coronavirus-2 erzeugt. Wie das Team um Sai Luo, Jun Zhang und Alex Kreutzberger im Magazin Science Immunology berichtet, konnte der SP1-77 abgekürzte Antikörper nicht nur alle bislang bekannten Varianten von Corona, inklusive alle Omikron-Untervarianten bis BA.5 ausschalten, sondern er nutzte dafür einen neuen Mechanismus.

Neuer Antikörper kann Verschmelzung von Virus und Zelle unterbrechen

Bisherige Antikörper, egal ob durch Impfungen erzeugt oder als genetisch hergestellte monoklonale Antikörper von außen zugeführt, haben in der Regel gewirkt, indem sie sich an die sogenannte Rezeptor-Bindungsdomäne (RBD) des Virus geheftet haben. Das ist der Teil des Virus, der sich an die Wirtszellen anheften kann. Ist diese Anheftung komplett, wird ein Prozess in Gang gesetzt, bei dem das Virus sich erst weiter an der Oberfläche der Wirtszelle verankert und schließlich seine Hülle mit dieser Oberfläche verschmilzt. Dabei wird die Erbinformation des Virus praktisch in die menschliche Zelle katapultiert.

Der SP1-77 Antikörper kann offenbar genau diesen Prozess der Verschmelzung beider Hüllen unterbinden. Er heftet sich einerseits an die Rezeptor-Bindungsdomäne (RBD), berührt andererseits aber auch an einen Teil der N-Untereinheit des Spikeproteins. Und er kann offenbar verhindern, dass die S1-Untereinheit des Spikeproteins nach der Anheftung an die Zelle aufgelöst wird. Diese Auflösung ist aber ein wichtiger Schritt im Prozesse der Verschmelzung. Kann er blockiert werden, wird die ganze Verschmelzung blockiert und das Virus ist nicht länger in der Lage, die Zelle zu infizieren.

Mausmodelle könnten auch Antikörper gegen HIV und Influenza herstellen

Die Forscher sind durch Analysen zudem optimistisch, dass der Antikörper auch gegen die neue BA.2.75 Variante wirkt, die als mögliche nächste Mutation gilt, die eine weitere Welle von Infektionen auslösen könnte. Sie wollen künftig ihre Versuchsmäuse weiterentwickeln. Diese könnten auch genutzt werden, um beispielsweise Antikörper gegen HIV und Influenza zu erzeugen.

(ens)