Kriminalpsychologie Bei Anruf Schock: Die Psychologie hinter dem Enkeltrick
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27. April 2023, 11:23 Uhr
Das könnte mir nicht passieren, mag man meinen. Doch es passiert immer wieder und in immer neuen Varianten: der Enkeltrick. Warum funktioniert er überhaupt und was kann man dagegen tun? Prof. Rainer Banse, Sozial- und Rechtspsychologe an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn erklärt, was die sogenannten Schockanrufe in uns auslösen.
"Rat mal wer am Telefon ist?" – so oder so ähnlich melden sich die Täter vor allem bei älteren Menschen. In diesem Überraschungsmoment geben die Angerufenen Namen naher Angehöriger preis, ohne zu ahnen, dass ihnen das kurz darauf zum Verhängnis werden kann. Ihre Opfer finden die Betrüger meist in Telefonbüchern. Sie schauen nach bestimmten Vornamen, die typisch sind für diese Generation, erklärt Prof. Dr. Rainer Banse. "Ab hoch in den 70ern ist man vulnerabler, ist leichter in Aufregung zu versetzen, wenn etwas Schlimmes passiert und es fällt einem deutlich schwerer, in solch einer Situation kritisch zu hinterfragen, als das bei Jüngeren der Fall ist."
Erst emotionale Nähe, dann der Schock
Genau das machen sich die Täter zunutze, so der Sozial- und Rechtspsychologe: "Die Anrufer erzeugen starke Emotionen, geben sich als nahe Verwandte, als Vertraute aus oder nehmen auf nahestehende Personen Bezug. Sie behaupten zum Beispiel, das Kind oder das Enkelkind hätten jemanden totgefahren und sollten inhaftiert werden, aber mit einer hohen Kaution könne man das verhindern. Das erzeugt natürlich einen Schock." Und ein Schock kann das Bewusstsein der Betroffenen einengen, ihre Aufmerksamkeit und ihre Fähigkeit, wohlüberlegt zu reagieren, einschränken. "Die Täter sind unglaublich geschickt. Es gelingt ihnen, die erfundene Notsituation wirklich glaubhaft zu vermitteln. Das darf man nicht unterschätzen", erklärt Prof. Banse.
Selbst der Kriminologe Christian Pfeifer wäre im August 2022 beinahe auf solch einen Anruf eingegangen. Die Täter gaben sich als Polizisten aus und teilten ihm mit, seine Tochter sei in einen Unfall mit einem Kind verwickelt und er solle 55.000 Euro Kaution für sie zahlen. Allein dadurch, dass die Telefonverbindung zusammenbrach und er daraufhin bei der "echten" Polizei anrief, realisierte er, dass es sich um Trickbetrüger gehandelt hatte.
Luise M. (Name von der Redaktion geändert), selbst indirekt betroffen, bestätigt ebenfalls aus eigener Erfahrung, wie täuschend realistisch so eine Situation sein kann: Ihre Schwester wurde angerufen und mit der Nachricht konfrontiert, Luise M. hätte eine Mutter mit zwei Kindern überfahren und nur eine sofortige Kautionszahlung könne eine Inhaftierung verhindern. Glücklicherweise informierte die Angerufene ihre Familie, wollte wissen, ob dem wirklich so sei. Daraufhin waren zwar alle in heller Aufregung, der Schock wirkte also auch auf die Angehörigen, aber der Versuch der Betrüger missglückte dadurch. Das gelingt jedoch nicht immer.
Enormer Zeitdruck führt die Täter zum Ziel
Rainer Banse beschreibt, wie die Anrufer zu verhindern versuchen, dass die Opfer in Ruhe nachdenken oder Rücksprache mit jemandem halten können. "Sie verwickeln sie am Telefon so gezielt in ein Gespräch und beschäftigen sie, dass sie gar nicht dazu kommen, kritisch zu hinterfragen, was sie da gerade gehört haben. Die Betrüger bauen einen enormen Zeitdruck auf und fordern ihre Opfer zum sofortigen Handeln auf. Sie sollten gleich zur Bank gehen, zum Beispiel."
Aufklärung fährt den Tätern in die Parade
Um zu verhindern, dass die Schockanrufer ihre Opfer erfolgreich täuschen, spielt für Rainer Banse Aufklärung eine wichtige Rolle. Je bekannter die Betrugsmaschen werden, desto schwieriger wird es für die Täter, selbst wenn sie in neuen Varianten agieren. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie sich als Polizisten ausgeben, die auf zunehmende Einbrüche in der Gegend aufmerksam machen und daher Schmuck und Wertgegenstände "in Gewahrsam" nehmen wollen. Oder der sogenannte Enkeltrick 2.0, für den die Täter mit ihren Opfern per Messenger-Dienst auf dem Handy Kontakt aufnehmen. Sie erfragen auf diesem Wege verschiedene Informationen um dann, wie bislang auch, um Geld zu bitten. In jedem Falle sollte man in der Familie besprechen, dass man sich gegenseitig informiert und nachfragt, so Prof. Bande. Wichtig sei auch, vor allem älteren Angehörigen die Angst zu nehmen, ihnen die Gewissheit zu geben, dass so schnell niemand inhaftiert werden kann, sondern wenn überhaupt, immer ein Prozess vorangeht.
krm
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | 24. März 2023 | 14:00 Uhr