Kanadische Studie Warnetiketten zu Alkoholgefahren wirken
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15. Juni 2020, 13:39 Uhr
Gelbschwarze Zahnstummel, schwarz-orange-farbene Lungenflügel: Warnhinweise auf Zigarettenpackungen zeigen, wie das Rauchen sich zum Beispiel auf Lunge, Zähne und Spermien auswirken kann. Warum geht das nicht auch mit Alkohol, dachten sich kanadische Forscher. Sie testeten - mit Info-Etiketten, nicht mit Schockbildern - ob und wie Warnhinweise auf alkoholischen Getränken den Alkohol-Konsum verändern.
Prangen auf Bier-, Wein-, oder Schnapsflaschen Hinweise über die Risiken des Alkoholkonsums, wissen die Leute mehr über mögliche Schäden und trinken weniger. Das haben Forschungen der Universität Toronto herausgefunden. Für eine Forschungsreihe wurden Flaschen mit alkoholischen Getränken mit drei verschiedenen kurzen Botschaften in leuchtenden Farben etikettiert, um ihre Wirkung zu überprüfen. Ein Etikett zeigte wissenschaftliche Beweise für den Zusammenhang zwischen Alkohol und Krebs. Das zweite enthielt die kanadischen Richtlinien zum risikoarmen Trinken. Ein drittes zeigte bildlich, wieviel Gläser Wein zum Beispiel in einer Flasche enthalten sind.
Alkohol als Risikofaktor für Krebs
Die Forschenden registrierten gleich mehrere Effekte: Dort, wo Flaschen mit Warn-Etiketten - insgesamt 300.000 Stück - verkauft wurden, ging der Gesamtalkoholverkauf um 6,9 Prozent zurück, verglichen mit den Verkäufen in Regionen ohne diese Etiketten. Das Wissen über Kanadas Richtlinien zum risikoarmen Trinken verdreifachte sich unter den 2.049 Teilnehmern nahezu.
Der Test mit dem Krebshinweis-Etikett (links im Bild) nahm einen recht unverhofften Verlauf. Die Forscher hatten die gleichen 2.049 Teilnehmer zu ihrem Wissen über den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Krebs befragt. Auf dem Flaschen-Etikett stand: "Chief Medical Officer of Health rät, dass Alkohol Krebs, einschließlich Brust- und Dickdarmkrebs, verursachen kann." Davon wussten vor dem Etiketten-Versuch nur ein Viertel der Teilnehmer. Nach der Etikettierung wussten es dann 42 Prozent - zehn Prozent mehr als in einem Vergleichsgebiet ohne Etikettierung.
Allerdings wurde dieser Teil der Studie nach einem Monat abgebrochen. Die Alkoholindustrie monierte, es fehle eine rechtliche Befugnis, Alkoholprodukte mit Warnhinweisen zu bekleben. Außerdem diffamiere die Regierung die Alkoholbranche.
Alkohol und Krebs? Das sagt die WHO:
"Alkoholkonsum ist ein Risikofaktor für viele Krebsarten, darunter Mundhöhlen-, Rachen-, Kehlkopf-, Speiseröhren-, Leber-, Dickdarm- und Brustkrebs. Das Krebsrisiko steigt mit der Menge des konsumierten Alkohols. Wird zusätzlich geraucht, erhöht sich das Krebsrisiko bei starkem Alkoholkonsum erheblich. Im Jahr 2010 waren Krebserkrankungen, die auf Alkoholkonsum zurückzuführen sind, schätzungsweise für 337.400 Todesfälle weltweit verantwortlich, überwiegend bei Männern." (Original Wortlaut der WHO hier).
Trotz der Querelen wertet das Forschungsteam die Untersuchungsreihe als Erfolg. Studienleiterin Dr. Erin Hobin sagt: "Erstmals ist belegt, dass Verbraucher Etiketten mit Gesundheitshinweisen wahrnehmen. Dass Wissen und Bewusstsein zu nationalen Trinkrichtlinien, alkoholbedingte Gesundheitsrisiken wie Krebs erhöht sich durch solche auffälligen Etikette. Und Die Studie zeigt, dass der Alkoholverkauf sich im Vergleich zu Kontrollstellen ohne Etiketten verringert."
Kommt das Warnetikett auf Bierflaschen?
Ob die kanadische Studie der Auftakt zu einer weltweiten Risiko-Etikettierung auf alkoholischen Getränken wird, analog zu den Hinweisen auf gesundheitliche Gefahren durch das Rauchen? Das wird sich zeigen. Kanada hatte als erstes Land 2001 bildliche Warnhinweise auf Zigarettenpackungen verwendet, bis 2017 waren dem kanadischen Beispiel 105 Länder gefolgt.
Angesichts des akuten Covid-19-Ausbruchs seien die Etiketten jedenfalls eine wichtige Intervention im Bereich der öffentlichen Gesundheit, sagt Dr. Tim Stockwell, der ebenfalls an den kanadischen Studien beteiligt war: "Während der Isolation laufen die Menschen Gefahr, ihren Alkoholkonsum zu erhöhen." Stressbewältigung, Zukunftsängste oder schlicht Einsamkeit und Langeweile: Es gibt viele Tickets, die Menschen derzeit auf das Alkoholkarussell locken.
Die kanadische Studie wurde im Fachmagazin "Journal of Studies on Alcohol and Drugs" veröffentlicht.
(lfw)