Selbstbestimmt | Ab 03.05. in der ARD Mediathek & 20.06.2024 | 22:40 Uhr im MDR FERNSEHEN Arm dran, selbst schuld? fragt Tan Caglar

06. Mai 2024, 11:28 Uhr

Restaurantbesuch, Kino, Frisör, Urlaub – wer arm ist, kann sich das nicht leisten. Frauen sind stärker von Armut betroffen und dadurch oft sozial ausgegrenzt. Besonders Frauen mit Behinderung. Warum ist das so? Wer oder was ist schuld daran? Und wie kommt man da raus? Diesen Fragen geht Selbstbestimmt-Host Tan Caglar nach. Drei Frauen erzählen ihm ihre Geschichten.

Es gibt nicht die EINE Armut. Armut hat viele Gesichter und Facetten. Jeder fünfte Mensch in Deutschland ist arm oder sozial ausgegrenzt. 2023 waren das 17,7 Millionen Betroffene. Arm sein bedeutet in Deutschland, dass man als Single weniger als 1.310 Euro im Monat zur Verfügung hat, bei einer Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren liegt die Grenze bei 2.751 Euro.

Sasa Zatata gerät nach Erkrankung in finanzielle Probleme

Auch Sasa Zatata muss heute jeden Euro zwei Mal umdrehen. Dabei startet sie einst mit Mitte 20 beruflich richtig durch. Sie arbeitet als Regional-Politikerin in Berlin, engagiert sich auch ehrenamtlich. Ihr großes Ziel: Sie will Abgeordnete im Bundestag werden.

"Ich war früher politisch sehr aktiv und zuletzt, bevor ich so schlimm krank wurde, Fraktionsgeschäftsführerin der SPD Neukölln, also da auch in verantwortlicher Position. Und hab mich insbesondere für den Bereich Inklusion und soziale Gerechtigkeit und Frauenpolitik eingesetzt", erzählt die heute 37-Jährige.

Eine Frau sitzt auf einer Bank, ein Mann neben ihr im Rollstuhl.
Die 37-jährige Sasa geriet durch ihre Erkrankung in Armut Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

2018 stellen die Ärzte bei ihr eine schwere rheumatische Erkrankung fest. Ständige Gelenkentzündungen und eine Versteifung der Wirbelsäule sind die Folge. Sasa hat permanent Schmerzen und ist bei längeren Strecken auf den Rollstuhl angewiesen.

Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter von Erwerbsminderungsrente, Sozialleistungen und dem Pflegegeld. Sie muss genau schauen, wofür sie Geld ausgibt.

Bei der Planung meines Einkaufs geht es los. Ich kaufe ausschließlich nach Angeboten. Der Essensplan wird auch danach gestrickt. Schnell mal was einkaufen? Das findet bei uns nicht statt, das Budget wird strikt geplant.

Sasa Zatata

Eine Frau steht in einer Küche, während im Türrahmen ein junger Mann im Rollstuhl sitzt.
Sasa Zatata lebt mit ihrer Familie in einer kleinen, nicht barrierefreien Wohnung Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Altersarmut bei Frauen

Auch auf dem Kongress "Armut und Gesundheit" trifft Tan Caglar Menschen, die sich mit dem Thema Armut beschäftigen. Die 70-jährige Renate Antonie Krause engagiert sich für den Kampf gegen Altersarmut. Sie weiß, wovon sie spricht, muss sie doch nach 45 Jahren Berufstätigkeit mit einer Rente auskommen, die kaum zum Leben reicht.

Über viele Jahre ist Renate selbstständig. Zuerst hat sie ein eigenes Geschäft für Textilien aus Naturmaterial. Später ist sie Schaustellerin und jedes Wochenende auf Märkten unterwegs.

Doch 2015 muss sie ihre Selbständigkeit aufgeben. Grund ist ein Tumor am Auge, der sie bis heute stark beeinträchtigt. Renate rutscht in die Erwerbsminderungsrente, die mit Grundsicherung aufgestockt wird.

Mehr als 20 Prozent der Menschen ab 65 Jahre sind in Deutschland arm oder sozial ausgegrenzt. Auch in dieser Altersgruppe sind Frauen stärker betroffen. "Keine Rentnerin, kein Rentner hat es verdient, nach 45 Jahren harter Arbeit und ganz, ganz viel Steuerzahlungen so behandelt zu werden im Alter“, meint Renate Antonie Krause.

Zwei Personen sitzen vor einem Mikrofon und unterhalten sich.
Tan Caglar begleitet die 70-jährige Renate Antonie Krause zum Kongress "Armut und Gesundheit". Bildrechte: MDR

Ausstieg aus der Armut geschafft

Anders als Renate konnte sich Sabine Schulze aus Eichstädt in Sachsen-Anhalt ein finanziell unabhängiges Leben aufbauen. Doch der Weg dahin war nicht leicht.

Sabine arbeitet über 15 Jahre in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung und lebt trotzdem nur von Grundsicherung und einem kleinen Arbeitsentgelt. Ein selbstbestimmtes Leben ist für sie nicht möglich. Von der Gesellschaft fühlt sie sich damals ausgegrenzt und benachteiligt.

Heute ist die 36-Jährige glücklich, dass diese Zeiten vorbei sind. Denn sie hatte die Chance, an einem dreijährigen Qualifizierungsprogramm zur Bildungsfachkraft an der Hochschule Magdeburg-Stendal teilzunehmen. Im Sommer 2022 unterzeichnete sie dort auch ihren ersten richtigen Arbeitsvertrag und erhält für ihre Tätigkeit einen guten Lohn.

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Sabine Schulz und ihr inklusives Team während eines Seminars an der Hochschule Magdeburg-Stendal Bildrechte: MDR

Sie klärt nicht nur an der Hochschule auf, sondern auch in Konzernen, Firmen und Vereinen. Das inklusive Team ist in ganz Sachsen-Anhalt unterwegs: Für mehr Teilhabe und gegen Berührungsängste im Umgang mit Menschen mit Behinderung.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 20. Juni 2024 | 22:40 Uhr