Montag, 18.11.2024: Aufeinander achtgeben
Es geht langsam vorwärts. Vor mir fährt ein rotes Auto. Ein Aufkleber auf der Heckklappe zieht meine Augen an, aber während der Fahrt bleibt die Darstellung unscharf. Wir stehen. Ich sehe eine Reihe von Strichen. In alter Manier zu Fünferposten mit einem Querstrich gebündelt. Eine Strichliste. Daneben ein Fahrrad, inklusive Fahrer. Zunächst verstehe ich die Botschaft nicht. Aber dann wird mir klar. Der Autofahrer vor mir zeigt eine Strichliste, wieviel Fahrradfahrer er umgefahren hat. Und das soll lustig sein, dachte ich. Es schaltet auf Grün.
Nur etwa 250 Meter weiter steht rechts am Straßengeländer ein weißes Fahrrad. Blumen und Kerzen erinnern daran, hier wurde erst vor wenigen Tagen eine Fahrradfahrerin tödlich verletzt. Es war ein Unfall. Der Lkw-Fahrer trug einen schweren Schock davon. Natürlich hatte er es nicht gewollt. Und er führt mit Sicherheit keine Strichliste. Der Unfall war eine Tragödie.
Aber schnell war ich wieder bei diesem Aufkleber und ärgerte mich noch mehr darüber. Denn das rote Auto war noch vor mir. Makaber, dachte ich. Natürlich, mich ärgern auch manchmal Radfahrer, wenn sie sich an keine Regeln halten und im Dunkeln ohne Licht fahren. Und sitze ich auf dem Sattel, dann ist das umgekehrt manchmal nicht anders. Und ich glaube, andere ärgern sich dann auch ab und an über mich.
Per Aufkleber kundzutun, dass man doch am liebsten die Fahrradfahrer nach und nach totfahren möchte, ist geschmacklos und menschverachtend. Leider bleibt das Miteinander im Kampf um das vermeintlich eigene Recht auf der Strecke.
Gerade deshalb erinnere ich gern an die biblische Aussage: "Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann und jederfrau." (Römer 12,17) Und das gilt nicht nur im Straßenverkehr.