Dienstag, 16.07.2024: Es gibt kein Unkraut
"Es gibt kein Un-Kraut", erklärt mir die Naturfreundin, "jedes ist eine wertvolle Pflanze". "Nur leider wachsen sie oft am falschen Ort", denke ich. Wer im Garten Radieschen sät, oder wer im Balkonkasten Geranien pflanzt, der will dort kein fremdes Kraut wachsen sehen, kein Grünzeug, das dort nicht hingehört. Im Feldbau wird oft die chemische Keule eingesetzt. So bekommen die Nutzpflanzen keine Konkurrenz und haben Raum zum Wachsen.
Schon zur Zeit der Bibel war Unkraut ein Thema. Jesus erzählt die Geschichte eines Bauern. Seine Landarbeiter stellen entsetzt fest: "Lauter Unkraut wächst auf unserem Weizenfeld". "Wir reißen das Unkraut aus", schlagen sie dem Bauern vor. Der wehrt jedoch ab: "Nein, wenn ihr es ausreißt, könntet ihr zugleich den Weizen mit ausreißen. Lasst beides wachsen bis zur Ernte! Wenn es so weit ist, will ich den Erntearbeitern sagen: 'Sammelt zuerst das Unkraut ein und bündelt es, damit es verbrannt wird. Aber den Weizen schafft in meine Scheune'".
Die Bibel ist nicht als Handbuch für den Gartenbau geschrieben. Vielmehr sammelt sie Erfahrungen, wie wir als Menschen gut miteinander auskommen. Manchmal stören uns andere Menschen, so wie Unkraut im Radieschenbeet. Der brummige Nachbar oder die Kollegin, die zuerst an ihren Vorteil denkt. Der Chef, der keine Nerven für mich hat, oder Leute, die die Straßenbahn verstopfen, wenn ich es eilig habe. Wünschen wir uns, dass diese Menschen verschwinden, so wie Unkraut das ausgejätet wird? Wäre unser Leben dann leichter? Die Geschichte aus der Bibel will uns Mut machen: Alles wachsen lassen. Jeder hat sein Lebensrecht. Der andere Mensch hat seinen Platz, auch wenn er mich stört. Das ist eine Herausforderung, keine einfache Lebenseinstellung. Aber Sie hilft ja nicht nur anderen, sondern auch mir: Ich habe meinen Platz im Leben. Ich bin kein Unkraut. Ich darf heute wachsen und reifen.
Mat 13,29.30