Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN | 08. - 14.07.2024
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Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche Simon Hacker, am Sonntag Manuel Füllgrabe.
Sonnabend, 13.07.2024: Heilige Orte
"Mütze ab!" Mit diesen Worten und in genervtem Tonfall herrschte ich vor ein paar Monaten einen Mann an, der mit seinem Basecap auf dem Kopf die Dresdner Hofkirche betrat. Auf seinen verdutzten Blick hin schob ich nach: "n Kirchen hat Man(n) die Mütze abzunehmen. Lesen Sie Ihren Knigge!" Ich gebe zu, liebe Hörerin, lieber Hörer, ich bin - nennen wir es: "kniggekonservativ". Ich sieze Personen, die älter sind als ich und warte, bis mir das Du angeboten wird; ich führe - wenn's kein Notfall ist - keine Telefonate in der Bahn; und ich nehme die Mütze ab, wenn ich Kirchen betrete. Trotzdem war’s auch nicht gerade fein, den armen Mann so anzufahren. Und wenn Sie das hören, werter Herr aus der Hofkirche: Tut mir leid, das war nicht fein von mir!
Situationen wie diese machen mich immer wieder nachdenklich, denn ich glaube wahrzunehmen, dass unsere Gesellschaft immer mehr einen wichtigen Sensus verliert; einen Sinn und eine Sensibilität für Andersorte. Orte also, die sich den Alltagslogiken und der menschlichen Verfügungsgewalt ein Stück weit entziehen; die unserem Zugriff und unserer Fassungskraft letztlich entzogen sind. Das sind jene Heiligen Orte, die besonders sind und sein sollen - weil sie uns mit dem Unverfügbaren schlechthin in Berührung bringen und uns weiterführen können.
Natürlich braucht man keinen Kirchenbau, um Gott zu spüren. Natürlich muss ein Ort nicht geweiht sein, damit man merkt, es gibt mehr als mich und meinen kleinen Alltag. Und doch glaube ich, dass solche Orte wichtig sind und hilfreich, denn sie sind eine stetige Erinnerung für uns Menschen: Es könnte mehr geben als das, was du mit deinen Augen siehst. Das sind Orte, die meiner Seele Raum geben, die mein Herz aufmachen und mich weiterführen - und mich gerade darum mit Staunen, Ehrfurcht und Respekt erfüllen, weshalb mir die Mütze wie von selbst vom Kopfe rutscht.
Kennen Sie, liebe Hörerin, lieber Hörer, solche Orte? Orte, die Sie in Staunen versetzen, die anders, ja, besonders sind? Vielleicht sind die freien Tage eine Gelegenheit, den einen oder anderen Ort mal wieder aufzusuchen.
Freitag, 12.07.2024: Geliebt sein
Jugendfahrt der Gemeinde mit 45 Heranwachsenden. Das ist oft sehr lustig, vor allem aber immer: laut. Sehr laut. Preisfrage: Wie bekommen Sie diese Bande ruhig? Da gibt es vermutlich mehrere Wege. Ich habe - eher durch Zufall - auch einen gefunden. Nach einer kleinen Impulsgeschichte, in der es darum ging, dass ein jeder Mensch unendlich wertvoll ist - eben weil wir alle Kinder Gottes sind – gab ich den Jugendlichen folgende Aufgabe: Sie sollten einen Brief schreiben. Einen Liebesbrief. Und zwar an sich selbst.
Glauben Sie mir, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie Jugendliche so ruhig und so konzentriert arbeiten sehen wie an diesem Tag. Wie sie da saßen, nachdenklich, Worte suchend und schließlich findend, liebevoll schreibend, zuletzt in einen Umschlag versiegelnd... Und schon mit Vorfreude auf den Tag, an dem ich die kleinen Briefe irgendwann zusenden würde. Mir ist an diesem Tag eines klar geworden: Wie tief die menschliche Sehnsucht danach ist, angenommen und geliebt zu sein. Hören und wirklich glauben zu können, dass es gut ist, dass man da ist; dass man selbst unverzichtbar ist; dass man zählt, auch mit allen Fehlern und Schwächen. Ich glaube, das ist vielleicht der tiefste Punkt in unserem Herzen, die menschliche Sehnsucht schlechthin.
Liebe Hörerin, lieber Hörer, der Satz: "Du bist geliebt" ist eine Grundüberzeugung des Christentums und auch vieler anderer Weltanschauungen. Und doch fällt es vielen – auch gläubigen! - Menschen schwer, diesem Satz wirklich glauben zu schenken: Ich bin geliebt. Vorschlag: Vielleicht schreiben Sie sich selbst auch mal so einen Liebesbrief. Vielleicht adressieren sie ihn und geben den Umschlag einem lieben Menschen mit der Bitte, ihn irgendwann zuzuschicken. Und noch ein Vorschlag: Sie sagen heute einem Menschen in Ihrem Umfeld, wie gut es ist, dass es ihn gibt. Und wenn der Mensch dann still wird wie schon die 45 Jugendlichen meiner Jugendfahrt - dann haben Sie vielleicht ein Herz angerührt und auf die tiefe Sehnsucht eines Menschen geantwortet: "Du bist geliebt".