Dienstag, 30.04.2024: Heja Walpurgisnacht
Heute ist der Teufel los; besonders im Bodetal am Hexentanzplatz, aber auch rund um den Brocken im Harz, und nicht nur dort. Die Hexenfeuer im Erzgebirge, das Hexenbrennen in der Lausitz, sogar in der Bundeshauptstadt finden Feste zur Walpurgisnacht statt. Viele Orte nutzen die Nacht vor dem Maifeiertag als touristische Attraktion zum ausgelassenen Treiben. Der Grusel und die Lust am Bösen darf öffentlich werden. Die Rituale sind eine explosive Mischung aus nordisch-germanischen Bräuchen, modernem Satanskult, mittelalterlichem Hexenwahn, Vertreibung der Wintergeister, Fruchtbarkeitskult und Beschwörung teuflischer Mächte. Die Lust am Exzess ohne Regeln wechselt sich ab mit strengster Bestrafung durch Oberhexen oder Oberteufel bis hin zu Folterphantasien und gespielter Menschenverbrennung - besonders der Frauen.
Hier mit einem moralischen Urteil aufzukreuzen steht weder den Kirchen gut zu Gesicht, noch anderen Personen, die sich über das wilde Treiben entrüsten. Ist die Wirklichkeit der Kriege und Gewalttaten unserer Tage nicht letztlich entsetzlicher als die fröhlichen Menschen, die sich bei aller schockierenden Ausgelassenheit meist gut verstehen und einen lustigen Abend verbringen wollen?
Ich selbst bin mit der Kleinen Hexe von Otfrid Preußler in der Grundschule groß geworden. Von der konnte ich lernen, sich von der Obrigkeit nicht zu sehr beeindrucken zu lassen, die eigene Freiheit und Meinung zu lieben; anderen zu helfen; sich nicht vom äußeren Schein trügen zu lassen, sondern auch einer vermeintlichen Hexe Gutes zuzutrauen; Freunde zu pflegen und auch einem Raben als Ratgeber Gehör zu schenken; das Gute zu suchen und dem Bösen entschieden, aber auch mit List ein Schnippchen zu schlagen.
Heja Walpurgisnacht - auch der Tanz an den Abgründen des Lebens will gelernt sein. Der Apostel Paulus beschreibt einmal sehr klug das Dilemma, in dem wir Menschen uns befinden. Er wundert sich über sich selbst. "Das Böse, was ich eigentlich nicht will, das tue ich. Und das Gute, das ich will, das tue ich nicht. Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht." (Röm. 7) Könnte es nicht auch wichtig sein, im fröhlichen Fest ein Einverständnis darüber herzustellen, dass praktisch alle Menschen auch finstere Seiten haben; und dass es eine große Kunst ist, die Macht des Bösen zu kennen, ihr aber keinen Raum zu geben? Im wichtigsten Gebet der Christen heißt es: Vater unser im Himmel - Erlöse uns von dem Bösen.