Mittwoch, 10.07.2024: Entschuldigen
Ich bin genervt. Und mit mir hunderte andere Menschen, denn wir sitzen alle im selben Zug. Und wieder kommt die Durchsage: "Derzeit 75 Minuten Verspätung, Ihre Anschlusszüge werden nicht erreicht, geplanter Halt entfällt. Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten." So weit, so bekannt, aber: Eine Formulierung fällt mir auf: "Wir entschuldigen uns".Sie entschuldigen sich? Also prinzipiell finde ich es ja gut, wenn die Deutsche Bahn ihre eigene Verspätung noch als ein Problem versteht, aber eine Sache ist hier irgendwie durcheinander gekommen: Ich kann mich nicht selbst entschuldigen. Nein, ich, der ich den Fehler begangen habe, der ich selbst schuldig geworden bin, kann nur um Entschuldigung bitten - bei der Person, der gegenüber ich schuldig geworden bin. Sie muss die Entschuldigung sprechen.
Ich bin, liebe Hörerin, lieber Hörer, gar nicht so ein schlimmer Prinzipienreiter. Ich glaube nur, dass mit dieser sprachlichen Ungenauigkeit große Chancen vertan werden. Denn es ist das Eine, das eigene Bedauern auszudrücken, etwas ganz Anderes, wenn das Gegenüber antwortet: "Ich verzeihe dir".
"Das Wort, das dir hilft, kannst du dir nicht selber sagen", lautet ein äthiopisches Sprichwort. Ich glaube, das stimmt. Wie wohltuend, wie befreiend ist es, die Vergebung ausdrücklich zugesprochen zu bekommen? Und wie sehr kann es schmerzen, wenn auf die Bitte um Entschuldigung keine Antwort kommt?
Gönnen wir uns diese sprachliche Korrektheit. Bitten wir einander um Entschuldigung, wenn es nötig ist, und sprechen uns diese Vergebung auch zu. Sie werden sehen: Es macht einen Unterschied. Bis dahin: "Senk ju for träwelling wiz Deutsche Bahn AG." Ich verzeihe die Verspätung.