Dienstags direkt | 18.06.2024 | 20-23 Uhr Zwischen Risiko und Nebenwirkungen - Sachsen nach der Cannabis-Legalisierung
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16. Juni 2024, 20:08 Uhr
Seit April gilt das Gesetz zur Teil-Legalisierung von Cannabis. Seitdem beeinflusst es viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens: Kommunen und Unternehmen verschärfen die Regelungen in Eigenregie, im Straßenverkehr gilt künftig ein neuer Cannabis-Grenzwert, Anbau- und Konsumgemeinschaften werden gegründet, der süßliche Geruch hängt häufiger in der Luft. Bei Dienstags direkt haben wir einen Blick darauf geworfen, was sich in Sachsen seit dem Cannabisgesetz getan hat.
Grenzwert für THC am Steuer
Anfang Juni hat der Bundestag neue THC-Grenzwerte für den Straßenverkehr beschlossen. Wer zukünftig mit 3,5 Nanogramm THC oder mehr unterwegs ist, riskiert Geldbußen und Fahrverbote. Der Bundestag folgte damit einer Empfehlung einer Expertenkommission des Bundesverkehrsministeriums. Bisher gab es keine Grenzwertregelung, und damit galt bei Teilnahme am Straßenverkehr ein Verbot für Cannabiskonsum.
Nachdem der Bundestag die Regelung beschlossen hatte, gab es auch Gegenwind, beispielsweise aus der Opposition. CDU-Fachpolitiker Florian Müller sprach dabei von einem "schwarzen Tag für die Verkehrssicherheit".
Der Toxikologe Dr. Fabian Pitter Steinmetz hingegen nannte im Gespräch mit MDR Aktuell den neuen Grenzwert "ein bisschen konservativ" und warnte davor, dass Menschen zukünftig bestraft werden könnten, die nüchtern Auto fahren. Er empfiehlt zu warten, bis es Speicheltests zur Selbstanwendung gibt, damit Konsumenten einen Eindruck ihres THC-Spiegels bekommen.
Social Clubs im Paragraphendschungel
Ebenso hat der Bundestag Nachbesserungen am Cannabis-Gesetz beschlossen, die der Bund den Ländern zugesagt hatte. Diese betreffen insbesondere Anbauvereine, sogenannte "Cannabis Social Clubs" (CSC), die ab 1. Juli ihre Arbeit aufnehmen dürfen. Die Regelungen sollen die Bildung gewerblicher Strukturen verhindern.
Diese jüngsten Gesetzesänderungen sind nur ein Teil der Auflagen und Bedingungen, die Vereine erfüllen müssen: Neben dem Mindestabstand für den Anbau von 200 Metern zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen und Spielplätzen müssen Höchstabgabemengen eingehalten werden oder Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragten benannt werden.
Nur dann erhalten Vereine eine Anbaulizenz, die bei Verstoß gegen die Anforderungen aber auch wieder entzogen werden kann. In Sachsen befinden sich einige solcher Clubs in Gründung, unter anderem in Hoyerswerda, Bischofswerda, Bautzen, Leipzig und Dresden. Der Gründer des CSC Leipzig, Marten Knopke, wird bei Dienstags direkt von seinen Erfahrungen berichten.
Zwischen Risiken und Nebenwirkungen
Cannabis-Konsum ist nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen. Zu den kurzfristigen Nebenwirkungen zählen unter anderem Beeinträchtigungen der Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit, Schwindel und Übelkeit. Langfristiger Konsum kann zudem psychische Probleme wie Angstzustände oder Depressionen begünstigen. Besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann regelmäßiger Cannabis-Konsum die Gehirnentwicklung negativ beeinflussen und zu Gedächtnis- sowie Lernproblemen führen. Darüber hinaus besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Suchterkrankungen.
Um diese Perspektive näher zu beleuchten, haben wir den Cannabis-Experten der Landesapothekerkammer Sachsen, Sven Lobeda, eingeladen.
Unternehmen und Kommunen entscheiden in Eigenregie
Welche Konsequenzen hat die Cannabis-Legalisierung? Damit setzen sich auch Unternehmen, wie die Deutsche Bahn oder Kommunen wie beispielsweise die Stadt Freiberg, auseinander.
So untersagt die Deutsche Bahn den Konsum von Cannabis an Bahnhöfen und auf Bahnsteigen per Hausordnung. In Freiberg haben die Stadträte eine Änderung der Benutzerordnung beschlossen, nach der auf Freizeitflächen und Spielplätzen ein generelles Cannabis-Verbot gilt. Die Entscheidung im Stadtrat fiel nach MDR-Informationen mit großer Mehrheit. Wie es dazu kam, erzählt Freibergs Oberbürgermeister Sven Krüger bei Dienstags direkt.
Darüber sprachen wir mit diesen Gästen:
Der medizinische Teil der Legalisierung ist begrüßenswert, da er Erleichterungen im Gesundheitswesen und damit eine Verbesserung der Patient:innenversorgung mit sich bringt. Den Konsumpart hätte ich persönlich besser gelöst.
Jeder Erwachsene Mensch sollte unkomplizierten Zugang zur Heilpflanze erhalten.
- Rainer Wendt | Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG im DBB
Das Cannabis-Gesetz der Ampel ist bürokratisch, gefährlich und chaotisch. Es ist [...] ein Bürokratie-Monster. [...] Der Kinder- und Jugendschutz bleibt weitgehend auf der Strecke, [...] die Risiken des Straßenverkehrs werden ausgeblendet.
- Philip Schetter | CEO des Pharmazeutischen Großhändlers Cantourage (Berlin)
Wir erwarten für 2024 wesentliche Impulse: Cannabis ist kein Betäubungsmittel mehr - das führt zu erheblichen Vereinfachungen bei der Abgabe. Unser Produktions-Netzwerk von mehr als 60 Cannabis-Anbauern weltweit ermöglicht es uns, bei Bedarf sehr schnell neue Produkte auf unsere Zielmärkte zu bringen.
Moderation:
Redaktion: Rebecca Haugwitz
Leitung: Ines Meinhardt