MDR Kultur | 25.04.2025 | Wochenabschnitt "Schmini" Schabbat Schalom mit Rabbiner Elischa Portnoy: Der erste achte Tag
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10. Januar 2025, 13:25 Uhr
Manchmal muss man – wie das Volk Israel in der Wüste – auf große Ereignisse etwas warten. So dauert es eine Zeit, bis G’tt die Beziehung zu seinem Volk, das mit dem Tanz ums Goldene Kalb abtrünnig geworden war, auf eine neue Grundlage stellt, wie der Hallenser Rabbiner Elischa Portnoy in der Auslegung des Wochenabschnitts "Schmini" erklärt.
Diesen Schabbat lesen wir den Wochenabschnitt "Schmini“, der mit den Worten "Und es war am achten Tage" beginnt. Unser Wochenabschnitt setzt die Erzählung über die Einweihung des Mischkans, des mobilen Heiligtums, aus dem letztwöchigen Wochenabschnitt fort. Der schon erwähnte achter Tag aus dem ersten Vers ist zugleich der letzte und finale Tag des langen Einweihungs-Marathons.
Doch wenn man die Leser unseres Wochenabschnittes fragen würde, wann genau dieses Event stattfand, welcher Wochentag es damals war, und auf welches Datum dieser achte Tag fiel, dann würden sehr viele höchstwahrscheinlich keine Antwort geben können.
Auch diejenigen nicht, die die Erzählung aus dem vorherigen Wochenabschnitt über den Anfang der Einweihung noch gut im Kopf behalten haben. Denn auch dort finden wir keine Angaben zum Datum des Geschehens.
Die Tora ist kein Märchen- bzw. Mythenbuch. Neben den Gesetzen beinhaltet das heilige Buch auch die authentische Geschichte des jüdischen Volkes und des Nahen Ostens, was durch viele archäologische Funde immer wieder bewiesen wurde.
Deshalb ist es schon nicht verkehrt, beim Lesen des Textes nicht nur an die beeindruckenden Schilderungen des Geschehens zu denken, sondern auch an die Frage, wann das eigentlich genau stattgefunden hat. Umso mehr, wenn es um die Vollendung der Einweihung des Mischkans geht. Unsere Weisen betonen, dass dieser achte Tag in mehreren Hinsichten ein einzigartiger Tag war.
Wir versuchen daher nachzuvollziehen, wann dieses große Ereignis passiert ist. Der berühmte Auszug der Juden aus dem Ägypten fand nach jüdischem Kalender am 15.Nissan statt. Fünfzig Tage später, am 7.Siwan, hat das jüdische Volk die Zehn Gebote am Berg Sinai vom G´tt bekommen.
Am darauffolgenden Tag stieg Moses auf den Berg, um die ganze Tora zu erhalten und verbrachte dort vierzig Tage. Kurz vor seiner Rückkehr verloren manche aus dem Volk ihre Geduld und fertigten das Golden Kalb an. Das passierte am 17. Tammuz.
Moses benötigte achtzig Tage, um die Vergebung für das jüdische Volk zu erlangen. Und am ersten Jom Kippur Fest, am 10. Tischrej, hat G’tt die Sünde des Golden Kalbes verziehen. Doch als Wiedergutmachung befahl G’tt den Juden, den mobilen Mischkan, das Heiligtum, aufzubauen. Gleich am nächsten Tag, am 11.Tischrej, begannen die Arbeiten, die mit viel Elan durchgeführt wurden, und in weniger als zweieinhalb Monaten, am 25.Kislew wurden die Arbeiten beendet: der Mischkan war bereit zur Einweihung.
Doch gab G‘tt überraschend kein "grünes Licht", und das ganze Volk musste auf das freudige Ereignis noch ein wenig warten. Das Warten soll ziemlich an den Nerven gezerrt haben: das Datum der Einweihung wurde nicht bekannt gegeben, und es war bis dahin auch sehr ruhig, es passierte nichts Nennenswertes in der Wüste.
Erst vier Monate später, am 25.Adar, durfte die langersehene Einweihung des Mischkan beginnen. Die ersten sieben Tage waren nicht besonders beeindruckend: Moses brachte eine Woche lang dem Aharon und seinen Söhnen die Kunst des Tempeldienstes bei.
Laut Überlieferung wurde der Mischkan dabei jeden Tag auf- und danach wieder abgebaut. Erst am achten Tag, einem 1.Nissan, knapp zwei Wochen vor dem ersten Jahrestag des Auszugs aus Ägypten, fand die tatsächliche Inbetriebnahme des Mischkans statt. An diesem Tag übernahmen die designierten Priester Aharon und seine Söhne zum ersten Mal den Tempeldienst.
Sie brachten Opfer dar und segneten das Volk zum ersten Mal mit dem berühmten Priestersegen. Zum großen Jubel allen Anwesenden kam Feuer vom Himmel und verzehrte die dargebrachten Opfer. Das machte diesen achten Tag wirklich einzigartig und geschichtsträchtig.
Doch unsere Weisen offenbaren uns noch ein spannendes Detail bezüglich dieses Tages. Jener 8. Nissan war der erste Tag der Woche, den wir hier Sonntag nennen. Und das war sicher absolut nicht zufällig, denn die Erschaffung der Welt begann ja auch am ersten Tag der Woche! Der Beginn des priesterlichen Dienstes im Heiligtum war ebenfalls ein großer Anfang in der Weltgeschichte.
Jetzt verstehen wir, dass der achte Tag im ersten Vers unseres Wochenabschnittes eigentlich ein ziemlich großer erster Tag war.
Schabbat Schalom!
Zur Person: Rabbiner Elischa M. Portnoy
Rabbiner Elischa M. Portnoy wurde 1977 in Nikolaew in der Ukraine geboren. Seit 1997 lebt er in Deutschland. 2007 erwarb er sein Diplom als Ingenieur für Elektrotechnik an der TU Berlin. 2012 schloss er seine Ausbildung am Rabbinerseminar in Berlin ab und erhielt die Smicha.
Elischa M. Portnoy arbeitet als Militärrabbiner der Bundeswehr am Standort Leipzig und betreut die Jüdische Gemeinde in Halle / Saale. Er ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ORD). Er ist verheiratet mit Rebbetzin Katia Novominski und Vater von vier Söhnen.
Schabbat Schalom bei MDR KULTUR
Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.
Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.
"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 25. April 2025 | 15:45 Uhr