Jahressteuergesetz Immobilien an die Kinder vererben: Für wen es 2023 teurer werden kann
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03. Dezember 2022, 05:00 Uhr
Immobilien, die vererbt werden, sollen ab 2023 neu bewertet werden. Damit können für Erben höhere Steuern anfallen, in Einzelfällen laut Experten sogar um 50 Prozent. Wann müssen erbende Kinder mehr an den Staat zahlen? Und was sollte beim vorzeitigen Verschenken des Eigentums bedacht werden?
Inhalt des Artikels:
- Neuregelung ist Teil des Jahressteuergesetz
- Warum sollen Immobilien im Erbfall neu bewertet werden?
- Was soll anders berechnet werden?
- Welche Freibeträge gibt es, wenn Kinder Immobilien von ihren Eltern erben?
- Höher-Bewertungen von Häusern in der Stadt größer
- Überschreiben oder Schenken statt Vererben?
Neuregelung ist Teil des Jahressteuergesetz
Das eigene Haus oder die Eigentumswohnung sind der wertvollste Besitz vieler Menschen – und den wollen sie meist an ihre Kinder weitergeben. Doch das Jahressteuergesetz 2022, das am Freitag verabschiedet worden ist, ändert die Verfahren, mit denen Immobilien im Erbfall bewertet werden. "Das bedeutet im Endeffekt, dass viele Immobilien steuerlich höher bewertet werden als bisher", sagt Jörg Leine, der als Steuerexperte für das Onlineportal "Finanztip" arbeitet, zur MDR Wirtschaftsredaktion.
Die Verfahrensänderung soll für mehr Gerechtigkeit sorgen: Immobilienerben sollen zum einen in allen Regionen fair besteuert werden und zum anderen nicht besser gestellt werden als Erben von anderen Vermögenswerten.
Das bedeutet im Endeffekt, dass viele Immobilien steuerlich höher bewertet werden als bisher.
Warum sollen Immobilien im Erbfall neu bewertet werden?
Als Grundlage zur Berechnung der Erbschaftssteuer nimmt das Finanzamt den Verkehrswert des hinterlassenen Vermögens. Dieser Wert entspricht dem Verkaufspreis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr. Erbt man zum Beispiel ein Aktiendepot oder den Familienschmuck, wird geschaut, wie viel man durch einen Verkauf bekommen könnte. Anhand dieser Zahl wird dann der Steuersatz berechnet.
Bei Immobilien verfuhr man bisher allerdings so, dass für eine Eigentumswohnung auf dem Land der gleiche Steuerbetrag gezahlt werden musste wie für ein vergleichbares Objekt in der Großstadt. Das soll sich nun ändern.
In den vergangenen Jahren sind die Preise, die man durch den Verkauf von Immobilien erzielen kann vor allem in den Städten stark gestiegen. Die liegen zum Teil 40 bis 50% höher als die eigentlichen Verkehrswerte. Für eine geerbte Stadtwohnung oder gar ein Haus in der Stadt musste man also bisher genauso viel Erbschaftssteuer zahlen, wie für ein Erbe auf dem Land – konnte durch einen Verkauf aber viel höhere Preise erzielen. Dieses Ungleichgewicht soll nun austariert werden.
Was soll anders berechnet werden?
"Es sind im Wesentlichen drei Punkte, die im geplanten neuen Sachwertverfahren eine Rolle spielen", fasst Finanzexperte Jörg Leine die Änderungen zusammen: "Zuerst steigt der Sachwertfaktor, dann wird die Nutzungsdauer angehoben und schließlich soll es zusätzlich noch einen Regionalfaktor geben. Am Ende steht also meist ein höherer Verkehrswert der Immobilie."
Sachwertfaktor
Er soll die Marktlage abbilden und wird am Ende mit der Summe aus dem errechneten Restwert der Immobilie und dem Bodenwert multipliziert. Bisher liegt er je nach Region und Immobilie bei 0,5 bis 1,5, künftig soll er 0,8 bis 1,8 betragen.
Nutzungsdauer
Sie bezeichnet die Anzahl der Jahre, in denen eine bauliche Anlage üblicherweise wirtschaftlich genutzt werden kann. Sie soll von 70 auf 80 Jahre angehoben werden. Dadurch fällt die Minderung des Alterswerts geringer aus und der Restwert steigt.
Regionalfaktor
Wird er eingeführt, kommt in besonders angesagten Regionen noch ein Steuer-Plus obendrauf. Ob das Elternhaus in solch einer Region liegt, kann man anhand der Bodenrichtwerte der Adresse ablesen. Liegt er über einem bestimmten Wert, wird der Regionalfaktor fällig.
Welche Freibeträge gibt es, wenn Kinder Immobilien von ihren Eltern erben?
Nicht jeder zukünftige Immobilien-Erbe muss nun ins Schwitzen geraten. Die geplanten Steuerreglungen betreffen nur Menschen, die eine Immobilie vererbt bekommen, welche sie nicht selber bewohnen möchten. Bis 200 Quadratmeter Wohnfläche ist die selbst genutzte Erb-Immobilie für Kinder immer komplett steuerfrei, wenn sie zehn Jahre von ihnen bewohnt wird.
Aber auch, wenn das geerbte Wohneigentum nicht selbst genutzt wird, ist nicht jeder betroffen. Es gibt nämlich einen steuerlichen Freibetrag von 400.000 Euro pro Elternteil und pro Kind. Wenn also zwei Elternteile einem Kind ihr Haus vererben oder zu Lebzeiten schenken, dann steht dem Kind ein Freibetrag von 800.000 Euro zu – erst wenn die Immobilie darüber hinaus bewertet wird – also "mehr wert ist"' – fällt die Steuer an.
Höher-Bewertungen von Häusern in der Stadt größer
Der Anstieg der Immobilienwerte aus Sicht des Finanzamts kann nach der neuen Berechnung teils enorm ausfallen. Wie hoch sollen zwei Beispiele zeigen: vererbt werden sollen zwei Häuser. Beide haben einen Gebäudewert von 201.000 Euro, sind freistehend, Baujahr 1996, 200-Quadratmeter-Wohnfläche, 450-Quadratmeter-Grundstück. Der Unterschied: Eins steht in einer größeren Stadt mit einem Bodenrichtwert von 1.000 (wie zum Beispiel in Leipzig-Gohlis), eins auf dem Land mit einem Bodenrichtwert von 60.
Haus auf dem Land | 2022 | 2023 |
---|---|---|
Gebäudeherstellungswert | 201.000 € | 201.000 € |
- Nutzungsdauer | 74.657 € | 67.838 € |
= Gebäudesachwert | 126.343 € | 133.162 € |
+ Bodenwert | 60.000 € | 60.000 € |
= Summe | 186.343 € | 193.162 € |
x Sachwertfaktor | x 0,9 | x 1 |
= Summe | 167.708 € | 193.162 € |
x Regionalfaktor | - | x 1,0 |
= Summe | 167.708 € | 193.162 € |
- Freibetrag (1 Kind) | - 400.000 € | - 400.000 € |
Zu versteuern | 0 € | 0 € |
Selbst nach der neuen Berechnungsmethode liegt der zu versteuernde Wert unter dem Freibetrag der erbenden Kinder. Erben von Land-Immobilien können also in den allermeisten Fällen aufatmen.
Haus in einer größeren Stadt | 2022 | 2023 |
---|---|---|
Gebäudeherstellungswert | 201.000 € | 201.000 € |
- Nutzungsdauer | 74.657 € | 67.838 € |
= Gebäudesachwert | 126.343 € | 133.162 € |
+ Bodenwert | 450.000 € | 450.000 € |
= Summe | 576.343 € | 583.162 € |
x Sachwertfaktor | x 1 | x 1,4 |
= Summe | 576.343 € | 816.426 |
x Regionalfaktor | - | x 1,1 |
= Summe | 576.343 € | 898.068 € |
- Freibetrag ( 1 Kind) | - 400.000 € | - 400.000 € |
Zu versteuern | 176.343 € | 498.068 € € |
Steuersatz | 11% bis 300.000,- | 15% bis 600.000,-€ |
Zu zahlen | 19.397,- € | 74.710,- € |
"Der Wert der Immobilie beträgt 2022 knapp 580.000 Euro, im nächsten Jahr aber knapp 900.000 Euro., stellt Jörg Leine fest. "Das macht in unserem Beispiel eine Steuer bei einem Kind von knapp 20.000 Euro im Jahr 2022, aber schon knapp knapp 75.000 Euro im nächsten Jahr! Also 55.000 Euro Unterschied."
Überschreiben oder Schenken statt Vererben?
Natürlich gibt es die Möglichkeit, die Immobilie schon vor dem Todesfall auf die Erben zu überschreiben. Dennoch rät Jörg Leine davon ab, noch in diesem Jahr (also vor dem Inkrafttreten der neuen Berechnungsmodelle) zum Notar zu gehen, um bei der Steuer zu sparen. "Es ist niemandem geholfen, wenn ohne große Überlegung schnell ein Vertrag aufgesetzt wird – und am Ende wichtige Fragen nicht geklärt sind."
Man könne eine Immobilie auch schrittweise verschenken. Wenn sie zum Beispiel 600.000 Euro wert ist, wird jetzt die Hälfte an das Kind verschenkt, also 300.000 Euro, was unter dem Freibetrag von 400.000 Euro liegt. "Nach zehn Jahren kann der Freibetrag erneut genutzt werden. Wird dann die zweite Hälfte verschenkt, werden keine Steuern fällig", empfiehlt Jörg Leine. Die Steuerlast sinkt auch, wenn ein lebenslanges Wohnrecht oder ein Nießbrauchrecht für die Eltern vereinbart wird. Denn das senkt den Wert des Hauses.
MDR Wirtschaftsredaktion
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 01. Dezember 2022 | 18:00 Uhr