
Trumps zweite Amtszeit Amerika verstummt
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16. März 2025, 05:00 Uhr
Am 20. Januar kehrte Donald Trump ins Weiße Haus zurück – wo ist die Opposition? Bericht über ein Land in Agonie und Angst.
- Trump löst sein Wahlversprechen der "Vergeltung" ein und geht rigoros gegen frühere Gegner vor.
- Die republikanische Partei hat sich Trump anscheinend vollständig unterworfen
- Es herrscht ein Klima der Angst, Menschen schweigen – Zeichen für ein illiberales System, sagt ein Experte.
- Gegenwehr gibt es von Studenten und einzelnen Politikern.
- Durch die Auswirkungen der Zollpolitik könnte sich die Stimmung jedoch bald drehen.
Acht Wochen nach Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus liegt diese seltsame Stille über Washington. Es ist nichts übrig von der hier üblichen Spannung, auch dieses geschäftige Summen einer Stadt, die von der Politik lebt, ist verstummt, all die Reden über Politik und all die Gespräche über all die schönen und miesen Gerüchte.
Da ist nichts mehr, nur der Lärm Donald Trumps und seines Helfers Elon Musk, ansonsten diese gedämpfte, diese beklemmende Ruhe. Kritische Stimmen, bis zum Januar unüberhörbar, gibt es kaum mehr. Menschen, die einst selbstverständlich offen sprachen, bitten nun darum, nicht zitiert zu werden. Menschen, die gestern noch furchtlos wirkten, wägen heute jedes Wort mit einer Vorsicht, die in Amerikas Hauptstadt lange nicht und vielleicht sogar noch nie zu spüren war.
Ein entlassener Bundesbeamter erzählt der "New York Times", dass er seinen Job verloren habe, weil er sich öffentlich gegen Trumps Politik geäußert habe. Nun bangt er um sein Haus, seine Krankenversicherung – und will nur anonym sprechen. Universitätspräsidenten, die früher stolz die eigene akademische Freiheit priesen, halten sich heute zurück. CEOs vermeiden es, den Präsidenten zu kritisieren, loben ihn lieber prophylaktisch, überwiesen ihm Geld für die Amtseinführung.
Und sogar jene Republikaner, die einst für die NATO und die Ukraine stritten und das Russland Wladimir Putins selbstverständlich für eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten hielten, haben ihre Stimme verloren. Was geschieht da? Und was geschieht eben gerade nicht mehr? Wo bleibt die Opposition, wo der Widerspruch? Und wo bleibt ein Hauch von Widerstand?
Donald Trump löst sein Wahlversprechen der Vergeltung ein
Donald Trump hat längst bewiesen, dass er seine Wahlkampfversprechen einlösen will, ganz besonders das der "Vergeltung". Wer sich ihm widersetzt, riskiert deshalb mehr als nur politischen Gegenwind. Die Bestrafung trifft hochrangige Gegner ebenso wie einfache Regierungsangestellte.
Einer der ersten, die Trumps Rache zu spüren bekamen, war der General Mark Milley, ehemals Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff. Milley, der während Trumps erster Amtszeit mehrfach mit dem Chef aneinandergeriet, und jetzt seinen Personenschutz verlor – trotz diverser konkreter Morddrohungen.
Staatsanwälte, die Trump in den vergangenen Jahren vor Gericht brachten, und Anwälte, die Trumps Gegner vertreten, stehen ebenfalls auf Trumps Liste. Ihre Sicherheitsfreigaben, ihre Akkreditierungen wurden entzogen, was sie von Orten, Informationen und Positionen, damit von Mandaten ausschließt.
Und auch in der akademischen Welt zeigt Trump, dass er seine neue, alte Macht nutzen will: Die Columbia University verlor 400 Millionen Dollar an Fördergeldern, offiziell wegen unzureichender Maßnahmen gegen Antisemitismus auf dem Campus, im wahren amerikanischen Leben war Columbia einige jener Elite-Unis der Ostküste, gegen die Trump und seine Gefolgsmänner J.D. Vance, Elon Musk und Stephen Bannon seit Jahren agitieren.
Und ein ehemaliger Columbia-Student, der Demonstrationen für Gaza angeführt hatte, wurde verhaftet und ins ferne Louisiana gebracht – obwohl es keine Anklage und keinen konkreten Vorwurf gibt, obwohl er eine Green Card und damit eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis besitzt, obwohl seine Äußerungen vom ersten Verfassungszusatz, der freien Meinungsäußerung, geschützt sind und obwohl seine Ehefrau im achten Monat schwanger ist.
Wer sich Trump widersetzt, verliert. Ist dies die neue Wirklichkeit der USA? Und ist dies der Grund für das kollektive Schweigen, die Stille Washingtons? Trump hat vor allem die eigene Partei geradezu eisern im Griff; jeder, der sich nicht beugt, bekommt das zu spüren.
Republikanische Partei demonstriert perfektionierte Unterwerfung
Der Senator Thom Tillis wagte es, Trumps Kandidaten für das Verteidigungsministerium, Pete Hegseth, kritisch zu befragen. Dann ließ Trump durchblicken, dass Tillis bei der nächsten Wahl mit einem parteiinternen Herausforderer rechnen müsse. Und natürlich vergaß Tillis alle Bedenken und erklärte Hegseth zur "idealen Wahl".
Und der Senator Roger Wicker aus Mississippi postete ein Foto mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj – bis Trump und Vance Selenskyj im Oval Office demütigten und für undankbar und destruktiv erklärten. Rasant war das Bild verschwunden.
Bei Trumps Rede vor dem Kongress demonstrierte die Partei perfektionierte Unterwerfung. Die republikanischen Abgeordnete standen, brüllten allesamt "USA, USA", selbst als Trump rassistisch – "Lesotho, wer hat je davon gehört?" – daherredete oder seine längst zum amerikanischen Alltag gehörenden Lügen verbreitete. Alles ganz egal: Die Republikaner standen und brüllten und jubelten auch noch, als Trump schilderte, wie er eben gerade ihnen, diesen Abgeordneten, in diesen Wochen die Macht aus der Hand nimmt.
Wenn Universitätspräsidenten, CEOs oder Medien ihr Verhalten ändern, um der Regierung nicht in die Quere zu kommen, ist das ein Zeichen für ein illiberales System.
Denn genau dies tun all die Präsidialverordnungen, die Budgets beschneiden oder verschieben – Budgetthemen sind Themen des Kongresses, eigentlich. Steven Levitsky, Harvard-Professor und Co-Autor von "How Democracies Die", diagnostiziert ein Muster aufstrebender Autokratien: "Wenn Universitätspräsidenten, CEOs oder Medien ihr Verhalten ändern, um der Regierung nicht in die Quere zu kommen, ist das ein Zeichen für ein illiberales System."
Die USA sind eine selbstbewusste Nation, normalerweise. Ihre Bürgerinnen und Bürger sind wortgewandt, normalerweise, denn öffentliche Rede ist Schulfach. Das Schweigen dieser Wochen drückt vermutlich vieles zugleich aus: Ermattung, Frustration, gewiss Überforderung angesichts der vielen ständig wechselnden Themen und vor allem Angst. Vor öffentlicher Bloßstellung, vor Strafen durch die Regierung, vor Gewalt.
Gegenwehr ist vorhanden, jedoch nur sporadisch
Trotzdem gibt es sie, die Gegenwehr, sporadisch, oft verschreckt, meist in kleineren, lokalen Gruppen. Sind es Keimzellen? Michael Roth, Präsident der Wesleyan University, ist einer der wenigen Akademiker, die Trump noch kritisieren. "All dies ist die größte Bedrohung für das intellektuelle Leben in den USA seit der McCarthy-Ära", sagt er. "Später wird man sich an diese Zeit als eine Phase errinnern, in der manche für ihre Werte eintraten, während andere sich duckten."
Und auch ehemalige Verteidigungsminister wehren sich. Fünf von ihnen – darunter die prominenten Lloyd Austin und Jim Mattis – fordern eine Untersuchung von Trumps Entlassungen im Militär. Und auf der Straße gibt es erste Proteste, wenn auch sehr viel leiser und müder als 2017. In Washington versammelten sich einige Tausend zur "Steht auf für die Wissenschaft"-Demonstration. Bill Nye, im US-Fernsehen bekannt als "The Science Guy", sagte dort: "Wissenschaft ist Teil der amerikanischen Geschichte. Sie darf nicht unterdrückt werden."
Doch die Stimmung ist fraglos anders als zu Beginn von Trumps erster Amtszeit. Es gibt weniger Aufbruch, ungleich weniger Humor, ungleich mehr Furcht. Und während der omnipräsente Trump die politische Agenda dominiert, wirken die Demokraten ziemlich verzagt, lieblich, ohnmächtig. Chuck Schumer, der führende Demokrat im Senat, beschuldigte Trump in einer Pressekonferenz, "das Land ins Chaos gestürzt zu haben" – um sich dann seinem Smartphone zuzuwenden und der Presse mitzuteilen, dass sein Enkel einen Zahn verloren habe. "Ein sehr großes Ereignis", sagte Schumer.
Ausnahmen? Ja, es gibt Ausnahmen auch bei den Demokraten, und sie heißen Bernie Sanders oder Chris Murphy. Sanders (der offiziell unabhängig ist, aber mit den Demokraten abstimmt) zieht mit Townhall-Versammlungen Tausende an, selbst in konservativen Vorstädten. Nach Trumps Kongressrede warnte Sanders vor den Konsequenzen der beginnenden zweiten Ära Trump: "Trumps Lügen sind eine Gefahr für alle – und wegen seiner Leugnung der Klimakrise für die junge Generation und den gesamten Planeten." Seine Kollege Murphy versucht künftige Kampagnen auszuhecken, auch Personalien vorzubereiten.
Strategisch setzen die Demokraten nunmehr auf eine "Task Force" unter der Leitung von Joe Neguse. Sie soll flink auf Trumps Maßnahmen reagieren; aber ob das ausreicht? Ein Arbeitskreis?
Stimmung könnte sich durch wirtschaftliche Krise wenden
Möglich ist, dass sich Stimmungen und damit auch die Voraussetzung für Opposition, im Parlament und außerhalb, ändern werden, vielleicht schon bald. Denn Trumps Strafzölle, vor allem jene gegen die Nachbarn Kanada und Mexiko, wurden dilettantisch vorbereitet und verkündet. Mal galten sie, dann galten sie nicht mehr, dann doch wieder, aber nur teilweise, und dieses Hin und Her, in den USA Flip-Flop genannt, ließ in der vergangenen Woche Wörter wie "weltweite Rezession" zum Teil der Debatte werden und sofort in den USA, dann global die Aktienkurse stürzen.
Es ist an der Zeit, dass die Demokraten das gewagteste politische Manöver ihrer Geschichte wagen: sich umdrehen und totstellen. Die Republikaner werden unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen. Und dann schlagen wir zu.
Wie lange kann ein Mann, der dem Land ein Ende der Inflation und künftige Reichtümer versprach und der vor allem dafür, für vermeintliche Wirtschaftskompetenz, gewählt wurde, mit diesem Chaos durchkommen? Kann es sein, dass ausgerechnet seine Freunde, die schwerreichen Spender der Republikaner, die erste nennenswerte Opposition dieser Trump-Jahre bilden werden? Der ehemalige Clinton-Berater James Carville wiederum hat einen durchaus radikalen Plan für die Demokraten ausgeheckt. In der "New York Times" schrieb er: "Es ist an der Zeit, dass die Demokraten das gewagteste politische Manöver ihrer Geschichte wagen: sich umdrehen und totstellen. Die Republikaner werden unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen. Und dann schlagen wir zu."
Wenn man das Geschehen dieser Wochen also mit endloser Toleranz und maximalem Wohlwollen für die Demokraten sähe, könnte diese bizarre Stille über Washington, die ganze Hilflosigkeit und Planlosigkeit der Demokratischen Partei natürlich auch schon das Ergebnis dieser ausgefuchsten Strategie sein. Wir tun und sagen gar nichts – und lassen die anderen in aller Ruhe die Fehler machen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 16. März 2025 | 09:00 Uhr