Europäische Unabhängigkeit CDU-Politiker Wadephul: Taiwan-Frage darf Verhältnis zu China nicht bestimmen
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12. April 2023, 15:02 Uhr
Nachdem der französische Präsident Emmanuel Macron sich im Namen von Europa wortwörtlich zwischen China und den USA positioniert hat, sorgt das bei deutschen Politikern für Irritation und Unverständnis. Wie viel Unabhängigkeit braucht es für Augenhöhe und Partnerschaft, und ab wann kann das Einfordern von mehr Souveränität bedrohlich werden?
- Für CDU-Politiker Johann Wadephul haben Macrons Äußerungen ein Kontextproblem.
- Frank Müller-Rosentritt macht darauf aufmerksam, dass man den Werten der USA jedoch viel näher sei als denen Chinas.
- Macrons langfristige Absichten zielen auf ein gestärktes Europa ab – doch dabei hätte er im Namen Frankreichs sprechen müssen.
Nach seiner dreitägigen China-Reise hat der französische Präsident Emmanuel Macron mit einer Aussage zu dem Konflikt zwischen dem kommunistischen China und Taiwan für Aufsehen gesorgt. Er sehe Europa dabei in der Position eines "dritten Pols", der unabhängig bleiben sollte, sagte Macron dem Magazin "Politico".
Demnach dürfen Europäer keine "Mitläufer werden und entweder dem amerikanischen Duktus oder einer chinesischen Überreaktion folgen müssen". Europa sollte nicht zur Eskalation des Konflikts beitragen, sondern seine eigene Position verfolgen als dritter Pol zwischen den USA und China.
Nun steht Macron mit dieser Aussage mehr oder weniger isoliert da. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul sagte MDR AKTUELL, dass Macron mit der Forderung nach mehr europäischer Unabhängigkeit grundsätzlich recht habe. "Europa hat eigene Interessen und eine eigene geografische Lage – dem muss man gerecht werden", sagt der CDU-Politiker.
Lediglich der Kontext habe zu vielen Missverständnissen geführt. Die Äußerungen des französischen Präsidenten hätten den Eindruck erweckt, man wolle nicht nur unabhängiger werden, sondern sich gar gegen die USA stellen sowie ohne Partner und Freunde wie beispielsweise Japan zusammenarbeiten.
Europas Beziehung zu China geht über Taiwan-Konflikt hinaus
Europas Beziehung zu China sei vielseitig. Man habe teils gleiche Interessen, andererseits sei das Land auch Wettbewerber und Rivale, sagte Wadephul. Mit Blick auf den Taiwan-Konflikt könne man nur eine "schwierige Antwort" auf die Frage nach der europäischen Position geben. Europa erkenne Taiwan zwar nicht als souveränen Staat an, sage aber auch ganz klar, dass der Disput mit China nicht gewaltsam gelöst werden dürfe. Europa müsse im Umgang mit China flexibel bleiben und dürfe nicht alles auf die Taiwan-Frage reduzieren, fordert der CDU-Politiker.
Während Johann Wadephul Verständnis für die Haltung des französischen Präsidenten aufbringt, sorgt sie bei dem sächsischen FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Müller-Rosentritt für Irritation. Er sagte MDR AKTUELL, Chinas Rolle als Handelspartner sei das eine, die Freiheit der Seewege jedoch das andere. Europa dürfe sich nicht erpressbar machen, da es so seine Freiheit und damit auch Souveränität einbüßen würde, mahnt der FDP-Politiker.
Abstimmung mit USA auch bei mehr Unabhängigkeit notwendig
Auch Müller-Rosentritt teilt die Ansicht, dass Europa unabhängiger von seinen Partnern werden muss. "Aber die Pole USA und China dabei gleich zu gewichten, ist in höchstem Maße falsch", sagte der Abgeordnete. Europa könne sich viel eher mit den freiheitlich demokratischen Werten der USA identifizieren als mit den diktatorischen Werten der kommunistischen Partei Chinas. Europa müsse zwar Abhängigkeiten reduzieren, jedoch nicht als dritter Pol, sondern in enger Abstimmung mit dem amerikanischen Partner, sagte Müller-Rosentritt.
Französische Tradition, die zum Missverständnis wird
Der Experte für französische Außenpolitik, Jacob Ross, sieht in Macrons Äußerungen die Fortsetzung einer langen Tradition der französischen Politik. Die europäischen Kräfte sollen demnach gebündelt werden, um den Blöcken USA und China etwas entgegenzusetzen. Aufgrund der Präsenz der Militärmanöver zwischen China und Taiwan erlange Macron international sehr hohe Aufmerksamkeit mit seinen Aussagen – und das wisse er auch.
Im Namen der Europäischen Union zu sprechen, während viele Mitgliedsstaaten eine vorsichtigere Haltung zu dem Konflikt zwischen China und Taiwan haben, könnte zu einer Spaltung führen, auch wenn der französische Präsident nicht darauf abzielte, sagt Ross. "Macrons Aussagen richten sich nach seiner eigenen Interpretation aber nicht gegen die USA sondern für ein gestärktes Europa."
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 11. April 2023 | 19:30 Uhr