Proteste Israel ebnet umstrittener Nationalgarde den Weg

02. April 2023, 21:55 Uhr

Israels ultrarechter Polizeiminister Itamar Ben-Gvir ist seinem Wunsch einer Nationalgarde näher gekommen. Das Kabinett beschloss am Sonntag die Finanzierung des umstrittenen Vorhabens. Ein Komitee aus Vertretern aller beteiligten Ministerien und Sicherheitsbehörden soll binnen 90 Tagen Einzelheiten ausarbeiten. Dabei geht es auch um die Frage, ob die Nationalgarde dem ultrarechten Polizeiminister Itamar Ben-Gvir oder einer anderen Autorität unterstellt wird.

Israels Regierung hat Medienberichten zufolge den Weg zur Gründung einer Nationalgarde unter Polizeiminister Itamar Ben-Gvir freigegeben. Zur Finanzierung des umstrittenen Vorhabens genehmigte das israelische Kabinett demnach am Sonntag die Kürzung des Haushalts aller Ministerien.

Mehrere Minister hätten sich zunächst dagegen ausgesprochen, letztlich jedoch auf Drängen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zugestimmt. Das Vorhaben solle rund eine Milliarde Schekel (255 Millionen Euro) kosten, hieß es.

Kritik von Oppositionsführer Lapid

Oppositionsführer Jair Lapid verurteilte den Schritt auf Twitter als "lächerlich und verabscheuungswürdig". Die Regierungsmitglieder hätten für "eine private Armee von Schlägern" gestimmt - zulasten von anderen Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Sicherheit. Ein Ex-Generalstabschef des Militärs, der Abgeordnete Gadi Eisenkot, sprach zuvor von einem "schwerwiegenden Vorfall, der die Grundsätze der Gewaltanwendung im Lande destabilisiert und das Land gefährdet".

Nationalgarde für "zivile Unruhen"

Nach den Plänen Ben-Gvirs soll die Einheit parallel zu Polizei und Militär arbeiten und sich um "zivile Unruhen" landesweit kümmern. Kritiker warnen, dass er die Truppe mit rund 2000 Einsatzkräften gezielt gegen regierungskritische Demonstranten oder die palästinensische sowie arabische Bevölkerung einsetzen könnte.

Ben-Gvir hatte damit gedroht, die Regierung zu verlassen, sollte Netanjahu die umstrittene Justizreform nach monatelangen Massenprotesten aussetzen. Um einen Rücktritt abzuwenden, sicherte ihm der Regierungschef die von ihm gewünschte Nationalgarde zu.

Ben-Gvir gilt als politischer Brandstifter

Der wegen rassistischer Hetze verurteilte Ben-Gvir gilt als politischer Brandstifter. Das Vorgehen der Polizei gegen regierungskritische Demonstranten kritisierte der verurteilte Rechtsanwalt zuletzt mehrfach als "zu schwach". Immer wieder heizte er in der Vergangenheit den Konflikt mit den Palästinensern gezielt an. Rufe wie "Tod den Arabern" und "verbrennt ihre Dörfer» sind auf Veranstaltungen von seinen Anhängern keine Seltenheit. Er selbst gibt an, solche Ausdrücke "seit Jahren" nicht mehr verwendet zu haben.

Polizeichef warnt vor dramatischen Folgen

Polizeichef Jaakov Schabtai sprach von "dramatischen Folgen" für die innere Sicherheit Israels, sollte die Nationalgarde direkt Ben-Gvir unterstellt werden. Die Einheit soll sich Berichten zufolge aus Wehrpflichtigen, Reservisten und Freiwilligen zusammensetzen.

Ein Ausschuss soll in den kommenden drei Monaten über die genaue Besetzung beraten und auch die Zuständigkeiten klären, hieß es aus dem Büro des Ministerpräsidenten. Demnach ist noch nicht geklärt, wer die Befehlshoheit haben wird. Experten gehen davon aus, dass es mehrere Monate dauern könnte, bis die Pläne umgesetzt werden.

"Es ist eine Schande für Israel, dass ein verurteilter Rassist eine private Miliz bekommen soll", sagt die Politikwissenschaftlerin Gail Talschir. Ben-Gvir habe bereits radikale Anhänger, die sich über dem Gesetz fühlen - nun bekämen diese noch Waffen.

Die Idee einer Nationalgarde ist bereits seit Jahren im Gespräch. Die Vorgängerregierung hatte nach massiven Unruhen in arabisch-israelischen Städten ähnliche Pläne. "Neu ist jedoch, dass die Truppe nicht der Polizei, sondern dem Ministerium für Nationale Sicherheit unterstellt werden könnte", sagt Talschir. Zudem sollen der Umfang und die finanziellen Mittel deutlich erhöht werden.

Proteste reißen nicht ab

Trotz des vorläufigen Stopps der Justizreform demonstrierten am Samstag erneut rund eine Viertelmillion Menschen gegen die Pläne der rechts-religiösen Regierung. "Netanjahus Versuch, die Demonstranten zum Schweigen zu bringen, ist gescheitert", hieß es von den Organisatoren.

Lapid schrieb auf Twitter: "Wir sind auf der Hut. Die Gefahr ist noch nicht vorbei." Er hatte zuletzt mehrfach an der Ernsthaftigkeit Netanjahus gezweifelt, einen Kompromiss erreichen zu wollen. Derzeit laufen Gespräche zwischen Koalition und Opposition zu dem umstrittenen Gesetzesvorhaben.

MDR AKTUELL (yvo/dpa)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 02. April 2023 | 19:00 Uhr

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