Parlamentswahl in Frankreich Linksbündnis gewinnt überraschend, RN auf Platz drei
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08. Juli 2024, 09:30 Uhr
Bei der Parlamentswahl in Frankreich hat das Linksbündnis überraschend den Sieg eingefahren. Das Mitte-Lager von Präsident Macron landet auf Platz zwei, vor der Rassemblement National von Marine Le Pen. Die Regierungsbildung dürfte schwierig werden, da kein Bündnis die absolute Mehrheit errungen hat.
- Französisches Linksbündnis stärkste Kraft bei Parlamentswahl
- Linkspartei-Gründer erhebt Regierungsanspruch – Premierminister kündigt Rücktritt an
- Hohe Wahlbeteiligung bei den Stichwahlen
- Absprachen gegen Durchmarsch des RN
Das Linksbündnis ist bei der Parlamentswahl in Frankreich überraschend als stärkste Kraft hervorgegangen. Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron landet dem vorläufigen Ergebnis zufolge auf Platz zwei. Der rechtsnationale Rassemblement National kommt nur auf Rang drei.
Das linke Bündnis kann demnach mit 178 Sitzen im 577 Mandate umfassenden Parlament rechnen. Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron kommt mit 150 Sitzen auf Platz zwei. Der rechte Rassemblement National von Marine Le Pen, der in der ersten Wahlrunde noch triumphiert hatte, legt zwar deutlich zu – mit 125 Mandaten landet das Bündnis aber dennoch nur auf dem dritten Platz.
Keiner der drei Blöcke kommt demnach auf eine absolute Mehrheit, was die Regierungsbildung sehr schwierig machen dürfte und für Frankreich eine Zeit der politischen Instabilität bedeuten könnte.
Linkspartei-Gründer erhebt Regierungsanspruch
Der Gründer der französischen Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, sieht nach dem überraschenden Wahlerfolg des Linksbündnisses einen klaren Regierungsauftrag. "Die Neue Volksfront ist bereit zum Regieren. Der Präsident hat die Pflicht, den Nouveau Front Populaire zum Regieren aufzufordern", sagte Mélenchon. Verhandlungen über einen Zusammenschluss mit Macrons Lager schloss er aus.
Frankreichs gespaltene Linke hatte sich erst vor wenigen Wochen für die Parlamentswahl zum Nouveau Front Populaire zusammengeschlossen. Bei der Europawahl Anfang Juni waren die Parteien noch einzeln angetreten. Streit gibt es innerhalb der Linken vor allem über die altlinke Führungsikone Mélenchon. Der Populist, der mit euroskeptischen Aussagen auffällt, kein Freund Deutschlands ist und einen klar propalästinensischen Kurs fährt, wird selbst in seiner Partei heftig kritisiert. Eine klare Führung hat das Bündnis aus Linken, Kommunisten, Sozialisten und Grünen nicht. Auch ein gemeinsames Programm gibt es nicht.
Attal bietet Rücktritt an – was macht Macron?
Premierminister Gabriel Attal kündigte noch am Sonntagabend seinen Rücktritt an. Das Mitte-Lager verfüge über keine Mehrheit mehr, teilte Attal nach Bekanntwerden erster Hochrechnungen mit. Präsident Macron steht es offen, den Rücktritt anzunehmen oder nicht. Er kann Attal und die Regierung bitten, für die laufenden Geschäfte zunächst kommissarisch im Amt zu bleiben.
Macron hatte am Sonntag nach Bekanntwerden der ersten Ergebnisse zur Zurückhaltung bei deren Interpretation aufgerufen. "Die Frage ist, wer regieren und wer eine Mehrheit bilden kann", hieß es aus dem Élysée-Palast. Gemäß der republikanischen Tradition werde Macron die Struktur der neuen Nationalversammlung abwarten, bevor er Entscheidungen treffe.
Der Vorsitzende der rechtsextremen Partei Rassemblement National, Jordan Bardella, sieht seine Bewegung um den Sieg gebracht. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen sieht ihn nur vertagt. Heute seien die Samen für den Erfolg von morgen gesät worden, erklärte sie.
Hohe Wahlbeteiligung bei Stichwahlen in Frankreich
Bei den Stichwahlen zeichnete sich früh eine hohe Wahlbeteiligung ab. Nach Angaben des Innenministeriums gaben bis 17 Uhr rund 59 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, so viele wie seit der Wahl 1981 nicht mehr.
Überseegebiete wählen links-grün
In Guadeloupe, Martinique und Guyana ging das links-grüne Wahlbündnis ebenfalls als Sieger aus der Wahl hervor. In Neukaledonien wurde erstmals seit 1986 ein Befürworter der Unabhängigkeit gewählt.
Absprachen gegen Durchmarsch des RN
Im ersten Wahlgang am vergangenen Wochenende waren die Rechtsnationalen stärkste Kraft geworden, vor dem neuen Linksbündnis und dem Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron auf Platz drei.
Die Linke und das Mitte-Lager hatten sich in der Stichwahl auf Wahlkreisebene Absprachen getroffen, um nach dem Rechtsruck in der ersten Runde einen Durchmarsch des RN zu verhindern.
Macron hatte nach dem Sieg von Le Pen bei der Europawahl Anfang Juni die Nationalversammlung aufgelöst und eine Neuwahl angekündigt. Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Sie ist an der Gesetzgebung beteiligt und kann per Misstrauensvotum die Regierung stürzen.
dpa (lmb)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 07. Juli 2024 | 20:34 Uhr