Naturkatastrophe Mehr als 4.200 Tote nach Erdbeben in der Türkei und Syrien

07. Februar 2023, 04:02 Uhr

Die Zahl der Opfer des Erdbebens in der syrisch-türkischen Grenzregion steigt weiter: Allein in der Türkei starben mehr als 2.900 Menschen, in Syrien gab es mindestens 1.300 Tote. Die Bundesregierung kündigte Hilfe an, die EU entsandte Rettungsteams. Eis und Schnee in der Region behindern die Einsätze und in Syrien auch ein Bürgerkrieg.

Nach schweren Erdbeben in einer Grenzregion zwischen Syrien und der Türkei steigt die Zahl der Toten weiter. In der Türkei meldete die Katastrophenschutzbehörde Afad am Abend mehr als 2.900 Todesopfer. In Syrien waren es nach Angaben des Gesundheitsministeriums und der Rettungsorganisation Weißhelme mindestens 1.300 Tote. Die Zahl der Verletzten in beiden Ländern wurde mit 16.000 angegeben. Das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe war auch am Abend noch nicht absehbar. Rettungs- und Bergungseinsätze wurden durch die Kälte, Schnee und Eis behindert, aber auch durch noch bürgerkriegsartige Verhältnisse im syrischen Teil des Gebiets.

Retter suchen in Trümmern nach Überlebenden

Das erste Beben hatte nach Angaben des türkischen Katastrophendienst Afad eine Stärke von 7,7. Das Epizentrum lag in der Provinz Kahramanmaras nahe der syrischen Grenze. Im Lauf des Tages gab es ein weiteres der Stärke 7,6 in derselben Region, wie die Erdbebenwarte Kandilli in Istanbul meldete. Insgesamt verzeichnete Afad 185 Nachbeben. Die Behörde warnte zudem vor weiteren Nachbeben. Ein Vertreter der Rettungsorganisation forderte Menschen in den betroffenen Regionen dazu auf, von beschädigten Häusern fernzubleiben. Mehr als 5.600 Gebäude seien eingestürzt.

Rettungskräfte suchten derweil weiter unter den Trümmern nach Menschen. Türkische Fernsehsender zeigten Bilder von der Suche nach Überlebenden. Rettungskräfte wurden mobilisiert und forderten die Menschen auf, beschädigte Häuser zu verlassen.

Nach Angaben der syrischen Staatsagentur Sana stürzten auch in Syrien in viele Städten zahlreiche Gebäude ein. Fotos zeigten, wie Rettungsteams Menschen auf Bahren wegtrugen. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums, Raed Ahmed, sprach laut Sana vom stärksten Beben in Syrien seit 1995. Auch im Libanon, in Israel und auf Zypern war es zu spüren. In libanesischen Städten flohen die Menschen aus ihren Wohnhäusern, berichteten Augenzeugen.

In der Türkei ist neben Wohnhäusern auch ein Krankenhaus in der Stadt Iskenderun eingestürzt. In Gaziantep wurde laut Nachrichtenagentur Anadolu auch die Burg stark beschädigt. Sie ist Unesco-Weltkulturerbe. 

Die Region wird regelmäßig von starken Erdbeben heimgesucht. Erst Ende Januar hatte ein Beben die Grenzregion zwischen der Türkei und dem Iran erschüttert. Im Jahr 1999 waren bei einem Beben der Stärke 7,4 in Düzce im Norden der Türkei mehr als 17.000 Menschen ums Leben gekommen.

Bundesregierung sagt Hilfe zu

Die Bundesregierung versprach Unterstützung. "Wir werden mit unseren Partnern rasch Hilfe auf den Weg bringen", schrieb Außenministerin Annalena Baerbock bei Twitter. Sie sprach von "schrecklichen Nachrichten". Kanzler Olaf Scholz schrieb auf Twitter, man trauere mit den Angehörigen und bange um Verschüttete: "Deutschland wird selbstverständlich Hilfe schicken." Das Auswärtige Amt stellte dem Deutschen Roten Kreuz 500.000 Euro für Hilfsleistungen bereit. Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte, das Technische Hilfswerk könne Camps mit Notunterkünften und Wasseraufbereitungs-Einheiten liefern.

Die EU entsandte Rettungsteams in die Türkei. Einheiten aus den Niederlanden und Rumänien seien auf dem Weg, teilte der zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic mit. Tschechien sagte Rettungsteams zu. Auch Griechenland und Israel boten der Türkei ihre Hilfe an – trotz Spannungen beider Länder mit der Türkei. Italiens Zivilschutz sagte Hilfe zu. Ähnliche Angebote kamen sogar aus der Ukraine und dem Iran. "Eine große Zahl von Rettungskräften" könne helfen, schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter.

Türkei bittet um Nato-Unterstützung

Die Türkei bat auch die Nato um ihre Unterstützung. Nach einer am Montag von der Zentrale in Brüssel veröffentlichen Liste fragt sie nach medizinischen Nothilfe-Teams mit Ausrüstung, nach Such- und Rettungsteams für extreme Bedingungen sowie auch nach drei Feldkrankenhäusern samt Personal. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte bereits am Vormittag erklärt, es gelte hier jetzt die "uneingeschränkte Solidarität mit unserem Verbündeten".

US-Präsident Joe Biden sagte Unterstützung zu. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, Hilfsteams sollten in den nächsten Tagen starten.In Syrien seien zudem humanitäre Helfer, die von den USA unterstützt würden.

Russland sagte beiden Ländern auch seine Hilfe zu. In den kommenden Stunden sollten russische Zivilschutz-Kräfte nach Syrien geflogen werden. Auch die Türkei wolle russische Hilfe annehmen, erklärte der Kreml.

Menschenrechtler fordern Hilfe für Kurden

Gefordert wird schnelle Hilfe auch für die kurdisch kontrollierten Gebiete in Syrien. "Die Bundesregierung muss die Türkei dazu drängen, ihre Angriffe auf Nordsyrien einzustellen", damit nach Überlebenden gesucht werden könne, forderte der Nahost-Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido: Türkische Grenzübergänge müssten für Hilfsgüter offen bleiben. Laut dpa mit Berufung auf Augenzeugen werden Massengräber in Idlib ausgehoben.

Deutschland leistet nach Angaben des Auswärtigen Amts über Hilfsorganisationen auch Hilfe im Nordwesten von Syrien. Dazu gehöre die Organisation Malteser International, sagte eine Sprecherin.

Aufrufe zu Spenden

Hilfsorganisation riefen zu Spenden auf. Das Bündnis "Aktion Deutschland Hilft" stellte eine Million Euro Soforthilfe bereit. Wichtig sei es jetzt, sagte ein Sprecher, die Hilfe vieler Organisationen abzustimmen, damit nicht alle das gleiche täten. Hier eine Spendenkonto-Übersicht | tagesschau.de.

weitere Spenden-Adressen und Hilfsorganisationen

Aktion Deutschland hilft
Islamic Relief
Help: Hilfe zur Selbsthilfe
Welthungerhilfe
Diakonie
Misereor
Johanniter

In den betroffenen Regionen wurde neben Blut- auch zu Sachspenden aufgerufen. Es fehle dort unter anderem an warmen Decken, Heizgeräten, an Winterkleidung, Essenspaketen und an Babynahrung.

dpa/Reuters/AFP/epd (jan, ksc)

aktuelle Reisehinweise Auswärtiges Amt für die Türkei

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 06. Februar 2023 | 19:30 Uhr

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