Katastrophe in Türkei und Syrien Mehr als 15.000 Todesopfer nach Erdbeben
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09. Februar 2023, 02:34 Uhr
Nach dem verheerenden Erdbeben in der syrisch-türkischen Grenzregion steigt die Zahl der Toten weiter. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan räumte bei einem Ortsbesuch Defizite im Krisenmanagement ein. Die Bundesregierung stockte ihre Hilfen für die betroffenen Regionen auf. Insbesondere in Syrien gestaltet sich die Unterstützung aber schwierig.
- Der türkische Präsident räumte bei einer Reise in die Krisenregion Defizite ein.
- Helferteams, etwa vom Technischen Hilfswerk, unterstützen die Bergung und Versorgung vor Ort.
- Besonders in Syrien ist die Lage unübersichtlich, nur ein Grenzübergang ist geöffnet.
Nach dem verheerenden Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion steigt die Zahl der Todesopfer weiter. Allein in der Türkei starben bislang mehr als 12.391 Menschen, aus Syrien wurden zuletzt 2.992 Tote gemeldet. Mehr als 50.000 Menschen wurden in den beiden Ländern verletzt.
Erdogan räumt Defizite bei Erdbebenhilfe ein
Bei einem Besuch von zwei besonders von der Katastrophe betroffenen Regionen räumte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Defizite im Krisenmanagement seiner Regierung ein. "Natürlich gibt es Defizite. Die Zustände sieht man ja ganz klar", sagte Erdogan. Auf ein solches Erdbeben könne man aber nicht vorbereitet sein. Zuvor hatte es heftige Kritik aus der Bevölkerung gegeben, dass sie bei den Bergungsarbeiten von den Behörden im Stich gelassen würde. Am Dienstag hatte Erdogan einen dreimonatigen Notstand für zehn betroffene Regionen ausgerufen.
Die Suche nach Überlebenden in den Trümmern geht unterdessen weiter. Manche Straßen und Wege seien nicht zugänglich, man arbeite daran, sie wieder passierbar zu machen, sagte der türkische Städteminister Murat Kurum am Dienstag. In manchen Regionen gebe es kein Wasser, man bemühe sich, Schäden so schnell wie möglich zu beseitigen und die Menschen mit Wasser zu versorgen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht von 23 Millionen betroffenen Menschen.
THW und weitere Hilfsorganisationen sind im Einsatz
Helferteams aus vielen Ländern machten sich auf in das betroffene Gebiet, um die Rettungsaktionen zu unterstützen. Nach Angaben des türkischen Vizepräsidenten Fuat Oktay sind rund 16.150 Rettungs- und Suchteams im Einsatz – sie seien in alle betroffenen Provinzen und Bezirke entsandt worden. Insgesamt seien etwa 60.000 Helfer vor Ort.
Auch ein 50-köpfiges Spezial-Team des Technischen Hilfswerks (THW) traf am Mittwoch in der Türkei ein. Ihre Aufgabe sei es, verschüttete Menschen zu orten, zu retten und erstzuversorgen, sagte der Sprecher des THW-Landesverbandes Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Michael Walsdorf, am Mittwoch in Mainz. Nach der Landung am Morgen würden sie zunächst Fahrzeuge beladen und dann in ihr Einsatzgebiet fahren.
Die Gruppe war mit 16 Tonnen Technik und Ausrüstung mit einem Charterflugzeug vom Flughafen Köln/Bonn aus gestartet. Das THW rechnet angesichts des Ausmaßes der Zerstörungen und der Nachbebengefahr mit einem schwierigen und möglicherweise auch längeren Einsatz im Erdbebengebiet der Türkei.
Bundesregierung stockt Hilfe für Türkei und Syrien auf
Die Bundesregierung stockte ihre humanitäre Hilfe für Syrien und die Türkei um weitere 26 Millionen Euro auf. Davon sind nach Angaben des Auswärtigen Amts insgesamt 25 Millionen Euro für zwei Hilfsfonds der Vereinten Nationen vorgesehen, eine Million für den Malteser Hilfsdienst. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte im Bundestag, Deutschland liefere Hilfsgüter in die Türkei und stehe in engem Kontakt mit den Vereinten Nationen, um humanitäre Hilfe auch in das syrische Erdbebengebiet zu bringen.
Zahlreiche Länder schickten trotz schwieriger Beziehungen zur Türkei Helfer in das türkische Erdbebengebiet. Armenien entsandte 27 Helfer in die Türkei und 29 Helfer nach Syrien, teilte das armenische Innenministerium am Mittwoch mit. Griechenland schickte am Montag eine Rettungsmannschaft mit Spürhunden in die betroffenen Gebiete. Hilfszusagen kamen unter anderem auch aus Großbritannien, Indien, Pakistan, Finnland, Schweden, Russland, der Ukraine sowie den USA.
US-Präsident Joe Biden sicherte Erdogan persönlich Unterstützung zu. Die beiden hätten am Montag telefoniert, teilte das Weiße Haus mit. In dem Gespräch habe Biden versichert, dass die USA dem Nato-Verbündeten Türkei "jede erforderliche Unterstützung" zur Bewältigung der Tragödie zukommen ließen. Rettungsteams aus den USA würden schnell in die Türkei entsandt, um die Rettungs- und Bergungsarbeiten in dem Erdbebengebiet zu unterstützen und den Menschen vor Ort zu helfen.
Kritik an Erdogan
Der türkische Oppositionsführer warf Präsident Erdogan indes Versagen beim Krisenmanagement vor. Der Präsident habe es versäumt, das Land in seiner 20-jährigen Regierungszeit auf solch ein Beben vorzubereiten, sagte Kemal Kilicdaroglu, Chef der größten Oppositionspartei CHP. Die Türkei ist wegen ihrer geografischen Lage besonders erdbebengefährdet. Vielerorts wird jedoch auch die dürftige Bausubstanz als ein Grund für die vielen eingestürzten Häuser diskutiert. Betroffene klagen auch über fehlende oder nur schleppende Hilfe bei der Bergung Verschütteter.
Kälte erschwert Versorgung in Region
Die Bergungsarbeiten sind ein Rennen gegen die Zeit: Die kritische Überlebensgrenze für Verschüttete liegt normalerweise bei 72 Stunden. Temperaturen um den Gefrierpunkt machten den Überlebenden zusätzlich zu schaffen, viele haben kein Dach mehr über dem Kopf.
In der südosttürkischen Metropole Diyarbakir verbrachten viele Menschen die Nacht im Freien, in Schulen oder Moscheen, wie ein dpa-Mitarbeiter berichtete. "Die Menschen haben Angst, in ihre Häuser zurückzukehren", sagte er. Mehrere Nachbeben seien zu spüren gewesen und es sei bitterkalt. Die Zelte der Katastrophenschutzbehörde Afad seien nicht beheizt und reichten nicht aus.
Grenzübergang zu Syrien beschädigt
Vor allem im Norden Syriens ist die Lage unübersichtlich. Dort gestaltet sich die Unterstützung schwierig, die nicht zuletzt wegen der politischen Lage erschwert wird – so etwa am einzigen offenen Grenzübergang Bab al-Hawa zwischen der Türkei und Syrien. Dort hatte eine beschädigte Straße die Lieferung humanitärer Hilfe verzögert. Die Fahrbahn ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mittlerweile repariert. Die UN zeigten sich zuversichtlich, dass erste Lastwagen schon am Donnerstag wieder fahren könnten.
Hilfsgüter, die über die Hauptstadt Damaskus ins Land kommen, werden von der Regierung von Präsident Baschar al-Assad verteilt. Es gab mehrfach Berichte darüber, dass die Regierung sich daran selbst bereichere – oder dass bei der Verteilung Gebiete übergangen würden, die die Regierung als feindlich betrachtet. Der Grenzübergang gilt deshalb als Lebensader für die Menschen im Nordwesten des Landes. Syriens Regierung unter Diktator Baschar al-Assad ist im Westen geächtet. Das erschwert die internationalen Hilfsbemühungen.
Aufrufe zu Spenden
Hilfsorganisation riefen zu Spenden auf. Das Bündnis "Aktion Deutschland Hilft" stellte eine Million Euro Soforthilfe bereit. Wichtig sei es jetzt, sagte ein Sprecher, die Hilfe vieler Organisationen abzustimmen, damit nicht alle das gleiche täten. Hier eine Spendenkonto-Übersicht | tagesschau.de.
Weitere Spenden-Adressen und Hilfsorganisationen
Aktion Deutschland hilft
Islamic Relief
Help: Hilfe zur Selbsthilfe
Welthungerhilfe
Diakonie
Misereor
Johanniter
In den betroffenen Regionen wurde neben Blut- auch zu Sachspenden aufgerufen. Es fehle dort unter anderem an warmen Decken, Heizgeräten, an Winterkleidung, Essenspaketen und an Babynahrung.
dpa/AFP (yvo,kar,jan)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. Februar 2023 | 06:00 Uhr