Papierstapel in einer Schneidemaschine
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Polen nach der Wahl Laufen bei der PiS die Akten-Schredder auf Hochtouren?

03. November 2023, 15:08 Uhr

Die PiS hat bei den Wahlen die Parlamentsmehrheit verloren. Nun deutet einiges darauf hin, dass sie kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit wichtige Dokumente vernichten will, um Missstände zu vertuschen. Auch soll in Eile an befreundete Firmen Geld aus der Staatskasse fließen.

Monika Sieradzka
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Kurz nach den Parlamentswahlen vom 15. Oktober schrieb der Oppositionsabgeordnete Michal Szczerba (Bürgerkoalition) auf X, ehemals Twitter, er bekäme Signale über "Hunderte von Säcken mit geschredderten Dokumenten, die nachts rausgefahren werden" und über die "ersten ertränkten Laptops" in den Staatsinstitutionen. Für ihn sei es ein klares Zeichen dafür, dass die PiS, die bei den Wahlen die Parlamentsmehrheit verloren hat, Dokumente zu vernichten versuche, die als Beweise für Korruption und Skandale dienen könnten.

Michal Szczerba spricht bei der Parlamentarischen Versammlung der NATO in Kopenhagen
Der polnische Oppositionspolitiker Michal Szczerba von der Bürgerkoalition im Oktober 2023 in Kopenhagen. Bildrechte: IMAGO/Ritzau Scanpix

Szczerba enthüllte auch Dokumente des Geheimdienstes "Agentur für Innere Sicherheit" (ABW) über die öffentliche Ausschreibung für 55 superschnelle Schredder für Papier und Kreditkarten, die im Dauerbetrieb arbeiten könnten. Die Ausschreibung wurde fünf Tage vor den Wahlen veröffentlicht, die Lieferung sollte bis Mitte Dezember erfolgen. Auch das Innenministerium habe Reißwölfe bestellt, und zwar einen Tag nach den Wahlen. Ob es denn wirklich ein Zufall wäre, fragte sich Szczerba.

Wo landen die Akten?

Die Informationen über eine mögliche Spurenverwischung mehren sich in letzter Zeit. "Am 16. Oktober (einen Tag nach den Wahlen) wurde in den Nachrichtendiensten, vor allem in den Militärdiensten, beschlossen, sogenannte nicht archivierte Dokumente zu vernichten. De facto kann alles liquidiert werden", sagte Marek Biernacki, der ehemalige Ministerkoordinator für Spezialdienste, in einem Rundfunkinterview. Man könne nur vermuten, in welche Kiste die Dokumente über "Pegasus" wandern werden. "Pegasus" ist ein israelisches Spionageprogramm, mit dem der Geheimdienst Zentrales Antikorruptionsbüro (CBA) 2019 Oppositionspolitiker, Rechtsanwälte und Staatsanwälte abgehört haben soll. Der Vorsitzende der Linken-Fraktion im Sejm, Krzysztof Gawkowski, sprach wiederum von einer "Säuberung der Archive" im Justizministerium.

Hacker: "eilig gesucht"

Der Regierungssprecher Piotr Müller versuchte, das Ganze als Bagatelle abzutun. In einem Rundfunkinterview erklärte er, dass die Vernichtung von Papierdokumenten reine Routine sei. Generell dürften Dokumente aber nicht einfach so vernichtet werden, weil sie, besonders die Geheimakten, alle mit einer Nummer versehen und elektronisch gespeichert würden. "Vielleicht haben Herr Gawkowski oder andere zu viele Filme gesehen und versuchen nun, diese Filmrealität auf das wirkliche Leben zu übertragen. Da kann ich nur schmunzeln, denn so etwas gibt es einfach nicht", so Müller.

Doch auch elektronische Spuren können verwischt werden, sagt Michal Szczerba. In seinem Tweet schrieb er von "eilig gesuchten Hackern, die Festplatten beschädigen". In den letzten Jahren hat der Abgeordnete oft von seinem Recht auf Einsicht in die Arbeit der Ministerien Gebrauch gemacht und Kontrollen durchgeführt. In der kommenden Legislaturperiode wollen er und seine Parteikollegen mit der PiS hart abrechnen. Dafür würden Kopien von Dokumenten gebraucht, auch von denen, die die PiS möglicherweise nun bereits zerstört hat.

"Wo es Schredder gibt, da gibt es auch Kopierer"

Diesbezüglich gibt sich die Opposition ziemlich gelassen. Ein anderer Abgeordneter der Bürgerkoalition, Adam Szlapka, sagte im Radio Zet: "Wo es Schredder gibt, gibt es auch immer Kopierer." Er garantiere den PiS-Politikern, dass es in jeder Institution, die sie leiten, "mindestens ein Dutzend Menschen gibt", die die sensiblen Akten kopiert hätten und über das notwendige Wissen über die Affären der PiS verfügten, und vor allem: die bereit seien, die Dokumente und die Informationen der Opposition zuzuspielen.

Eine Person mit Hanschuhen trägt einen Aktenodner
Vernichtet die PiS in Polen Akten im großen Stil? (Symbolbild) Bildrechte: imago/photothek

Auch wenn die Schredder der PiS jetzt wirklich auf Hochtouren laufen sollten, geht die Opposition also fest davon aus, dass sie in Zukunft über genug Stoff verfügen wird, um die Unregelmäßigkeiten aus der PiS-Regierung zu untersuchen.

Will sich die PiS für die mageren Jahre absichern?

Nur wann die angekündigte große Abrechnung mit der PiS-Zeit starten könnte, ist unklar. Davor muss eine neue Regierung gebildet werden, doch Präsident Andrzej Duda, ein großer Unterstützer der PiS, will dies offenbar hinauszögern. Die konstituierende Parlamentssitzung der neuen Legislaturperiode hat er zum spätmöglichsten Zeitpunkt, am 13. November, angesetzt. Wenn er dann – wie bereits angedeutet – zunächst die PiS und nicht die Opposition mit der Regierungsbildung beauftragen sollte, gewinnt die aktuelle Regierung noch einige Wochen Amtszeit.

Am liebsten möchte die PiS mit ihrem Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski die Macht aber gar nicht abgeben. Obwohl sie nach den Parlamentswahlen nur noch über 194 von insgesamt 460 Sitzen im polnischen Parlament verfügt, aber immer noch die stärkste Fraktion stellt, erklärt sie sich immer wieder zur Wahlsiegerin. Sie will eine Regierung bilden, indem sie einzelne Politiker der Opposition mit lukrativen Posten an sich zu binden versucht.

Lukrative Wettbewerbe wurden nach der Wahl ausgeschrieben

Auf der anderen Seite erweckt sie den Eindruck, sich mit dem Machtverlust abgefunden zu haben. Deshalb weiß sie, die von Präsident Duda geschenkte Zeit zu schätzen und zu nutzen. Nach den Wahlen würden in verschiedenen Ministerien in aller Eile Wettbewerbe ausgeschrieben, um Millionen Złoty in die Projekte befreundeter Firmen zu stecken, wie polnische Medien berichten. Ein Spezialfonds für "kleine Grants" im Sportministerium, "Infrastruktur für die polnische Diaspora" im Außenministerium, Zuschüsse für linientreue Medien seien nur einige Beispiele.

Auf die Frage, was künftig mit den Propagandisten vom staatlichen Fernsehen geschehe, sagte Jaroslaw Kaczynski, sie würden auch in Zukunft eine Stelle haben. Sie könnten tatsächlich bei privaten Medien unterkommen, die jetzt über verschiedene Stiftungen auf Umwegen staatlich finanziert werden. So versucht die PiS in der Zeit, die sie von Präsident Duda geschenkt bekommt, nicht nur die Spuren von Skandalen zu verwischen, sondern nach acht fetten Jahren sich selbst und ihre Kreise für die etwas magereren Jahre in der Opposition, die jetzt kommen könnten, abzusichern.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 17. Oktober 2023 | 06:35 Uhr

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