Warum immer mehr Tschechen nach Dresden kommen

29. November 2018, 12:26 Uhr

Besonders zur Weihnachtszeit zieht es viele Tschechen auf den Dresdner Striezelmarkt. Mittlerweile ist die Stadt aber auch ein Ganzjahresziel für viele Shoppingtouristen. Warum es so viele ihrer Landsleute nach Dresden zieht, erklärt die Pragerin Helena Šulcová.

Der Ruf des Glühweins auf dem Dresdner Striezelmarkt reicht weit über seine Grenzen hinaus. Meine Freundin Míša hat mich bereits vor Tagen angerufen und gefragt, ob wir im Dezember nach Dresden fahren, um den Markt zu besuchen.

Immer mehr Tschechen in Dresden

Weihnachtlicher Striezelmarkt in Dresden mit Riesen-Pflaumentoffel (links)
Der Striezelmarkt - sehr beliebt bei unseren tschechischen Nachbarn Bildrechte: IMAGO

Diesen Ausflug machen wir seit Jahren immer wieder. Ich weiß auch, dass es nie bei einem Glühwein bleibt und dass der Tag danach immer ziemlich schwer ist. Aber Traditionen soll man ja pflegen und deshalb hoffe ich sehr, dass ich es auch in diesem Jahr vor Weihnachten mit Míša kurz nach Dresden schaffe.

Und wir sind nicht die einzigen. Dresden ist angesagt bei unseren Landsleuten. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Sachsen ist die Zahl der Übernachtungen von Tschechen in Dresden im vorigen Jahren auf 33.538 gestiegen. Das ist ein Plus von 10,6 Prozent im Vergleich zum Jahr 2016.

Shopping-Tourismus sorgt für gute Geschäfte

Es ist nicht nur die Atmosphäre auf dem Striezelmarkt, der immer mehr Tschechen nach Dresden zieht. Die Elbestadt ist für uns eine beliebte Einkaufsmetropole, und das nicht nur vor Weihnachten. Wenn ich das meinen Freunden in Sachsen erzähle, wundern die sich immer. Denn sie denken, dass in Tschechien alles billiger ist. Aber das stimmt nur bedingt.

Das Bier in der Kneipe ist auf jeden Fall billiger, das Essen in Restaurants auch. Bei fast allem anderen lohnt es sich für uns oft, in Sachsen zu shoppen - egal, ob es um Kleidung, Sportartikel, Spielzeug, Elektro- oder Kosmetikartikel geht. Auch für Tschechen, die nicht direkt im Grenzgebiet zu Sachsen leben. Viele Prager fahren nach Dresden, um dort ihre Großeinkäufe zu erledigen. Es gibt eine sehr gute Verbindung mit dem Bus oder Zug und außerdem - nicht zu vergessen - die Autobahn A17.

Bessere Qualität zu besseren Preisen

Mein Freund Jarda war kürzlich in Dresden, um die ersten Weihnachtsgeschenke zu kaufen. "Für meine Mama habe ich zum Beispiel eine sehr günstige Kosmetikkassette gekauft. Die hat nur 15 Euro gekostet", erzählt Jarda, dem auch aufgefallen ist, wie viele seiner Landsleute ebenfalls in der sächsischen Metropole unterwegs sind. "Ich hatte den Eindruck, dass ich eigentlich in Tschechien bin. Überall habe ich Leute Tschechisch reden gehört."

Gute Qualität für einen angemessenen Preis sind Jardas Gründe für den Einkauf in Dresden: "In einem Geschäft auf der Prager Straße habe ich mir eine Jeans für 50 Euro gekauft. Für diese Qualität würde ich in Tschechien mindestens 80 Euro bezahlen müssen."

Die Erfahrung habe ich auch gemacht: Ich habe mir einmal in Dresden neue Stiefel gekauft. Die haben in Prag deutlich mehr gekostet. Wenn ich in Dresden bin, gehe ich auch fast immer zu einer großen Modekette, die auch mehrere Filialen in Prag hat. Der Unterschied ist: In Dresden findet man das ganze Jahr reduzierte Ware, in Tschechien nur zweimal im Jahr.

Paradies für übergewichtige Tschechen

Jeder zweite Tscheche ist übrigens übergewichtig. Aber Kleidung für Übergewichtige bekommt man in Prag kaum - eine Marktlücke.

Mein guter Freund Hans - ein Deutscher - lebt seit fast 30 Jahren in Tschechien und auch er hat inzwischen ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen. Als er neulich beschloss, sich einen neuen schicken Wintermantel zuzulegen, musste er deswegen nach Dresden fahren, denn in der Größe 66, die er trägt, war es in Prag unmöglich, einen in Prag zu bekommen. Am Altmarkt in Dresden, direkt neben dem Kulturpalast, hat er aber einen Laden für sich gefunden. "Es war früher Nachmittag und ich war allein in dem Laden. Drei freundliche Verkäuferinnen haben sich um mich gekümmert", erinnert sich Hans.

Service statt tschechischer Ehrlichkeit

Vielleicht wundert sich der ein oder andere, dass ich überhaupt erwähne, dass die Verkäuferinnen nett waren. Das ist doch selbstverständlich, oder? In Tschechien ist das leider noch immer nicht der Fall. Eine Freundin meiner Mutter zum Beispiel, eine nette vollschlanke Dame, wollte sich in einem Laden im mährischen Proßnitz mal ein neues Kleid kaufen. Von der Verkäuferin aber musste sie sich anhören:  "Größen wie Ihre führen wir hier nicht!" Tschechische Ehrlichkeit tut manchmal weh.

Dresden als Partymetropole?

Und dann wäre da noch das Nachtleben von Dresden. Als ich mal im Sommer eine ehemalige Fernseh-Kollegin besucht habe, hat sie mir die Dresdner Neustadt am Abend gezeigt. Dort gibt es viele Klubs und es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Ich habe mich fast wie in Berlin-Kreuzberg gefühlt.

Danach habe ich mich gefragt, warum Dresden in Tschechien nicht auch als eine Party-Stadt bekannt ist? Denn wenn meine Landsleute auch diese Seite der Stadt noch für sich entdecken, dann steigt die Zahl der tschechischen Besucher sicherlich noch weiter an. Es wäre am Ende doch auch schade, nur die Prager Straße und den Glühwein am Striezelmarkt zu kennen.

Über dieses Thema berichtet MDR auch in: Der Osten - Entdecke wo du lebst | 05.06.2017 | 18:05 Uhr

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