Wie eine Journalistin gegen den Hass im Kosovo kämpft

19. Februar 2018, 17:52 Uhr

Zwischen Albanern und Serben herrscht noch immer eine tiefe Kluft. Gegenseitige Vorwürfe, Misstrauen und Schwarz-Weiß-Denken belasten die Beziehungen. Ein junge Journalistin will das ändern. Das ist im Kosovo nicht ungefährlich.

Für die einen ist sie "eine verdammte Albanerin, die die Serben hasst", für die anderen eine "Verräterin, eine Serbenfreundin". Die 25-jährige kosovarische Journalistin Una Hajdari will weder das eine, noch das andere sein. Sie ist das Kind einer Mischehe und spricht - im Gegensatz zu den meisten ihrer Kollegen im Kosovo - sowohl Albanisch, als auch Serbisch und schreibt für Medien in beiden Sprachen. In einer Welt der schwarz-weißen Wahrnehmung zeigt Hajdari Grautöne.

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Im Kreuzfeuer der Nationalisten

In der ethnisch geteilten Gesellschaft des Kosovo gerät sie deshalb ins Kreuzfeuer der albanischen und serbischen Nationalisten. "Das schlimmste Phänomen im Kosovo ist, dass Nationalismus nicht ausreichend kritisiert wird", meint Hajdari. Die Volksgruppen würden in einem "Vakuum der eigenen Gemeinschaft" leben und würden Vorurteile über andere Volksgemeinschaften pflegen, die an Rassismus grenzten.

Hajdari erlebte das selbst, als sie nationalistische Ausbrüche beider Seiten kritisierte: Sie wurde beschimpft und bedroht - von Albanern und Serben. Wer im ständig brodelnden ethnischen Konflikt des Kosovo das "eigene Volk" kritisiert, wird als Verräter gebrandmarkt. Da die Journalistin Hajdari aber keine Partei ergreifen möchte, gerät sie ständig zwischen die Fronten. Zumal sie auch für englisch- und deutschsprachige Medien berichtet.

NATO bombt Kosovo zur Unabhängigkeit

Bis 1999 waren Kosovo-Albaner eine nationale Minderheit in serbisch kontrollierten Kosovo. Damals bombardierte die Nato drei Monate lang die Bundesrepublik Jugoslawien - die aus den heutigen Staaten Serbien und Montenegro bestand - um deren Armee zum Rückzug aus dem Kosovo zu bewegen.

Die serbisch-jugoslawischen Truppen kämpften dort seit 1998 gegen die "Befreiungsarmee des Kosovo" (UÇK), eine albanischen paramilitärische Organisation, die für eine Unabhängigkeit des Kosovo kämpfte.Nach dem erzwungenen Rückzug der serbisch-jugoslawischen Streitkräfte aus der Kosovo wurden es formal unter die Verwaltung der Vereinten Nationen gestellt. Später bekam die EU-Mission Eulex eine tragende Rolle im Kosovo.

Repression, Gewalt, Gegengewalt

Denkmal des albanischen Nationalhelden Skanderbeg vor dem kosovarischen Regierungsgebäude in Pristina.
Albanische Herrschaft: Denkmal des albanischen Nationalhelden Skanderbeg vor dem kosovarischen Regierungsgebäude in Pristina. Bildrechte: Andrej Ivanji

Die dort übrige serbische Bevölkerung war plötzlich selbst eine nationale Minderheit. Die Gewalt brach jedoch nicht ab, sonder wendete sich gegen die Bevölkerung des einstigen Aggressoren Serbien. Dessen Regierung hatte die albanische Bevölkerung jahrelang unterdrückt hatte und noch während der Nato-Bombardements 1999 versuchte, ethnische Säuberungen im Kosovo durchzuführen.

So kam es nach dem Abzug der Serben zur Gegengewalt, zur massenhaften Zerstörung serbisch-orthodoxer Kirchen und Klostern, sowie Angriffen auf die serbische Bevölkerung. Die Serben wurden Opfer des albanischen Nationalismus. Serbischen Angaben zufolge flüchteten seit 1999 bis zu 200.000 Serben aus dem Kosovo nach Zentralserbien, rund 140.000 sind geblieben.

"Normalisierte Beziehung" als EU-Bedingung

Am 17. Februar 2008 rief die Regierung in Prishtina die Unabhängigkeit aus. Serbien lehnt diese bis heute entschieden ab. Belgrad behandelt die Serben im Kosovo nicht wie eine nationale Minderheit in einem Nachbarstaat, sondern wie Nationalhelden - als "Verteidiger des serbischen Staates" in der "Wiege des Serbentums". Dort leben Serben und Albaner bis heute nicht mit-, sondern höchstens nebeneinander.

Das Denkmal 'MISSING' im serbischen Städtchen Gračanica, in unmittelbarer Nähe von Prishtina, das den getöteten Serben gewidmet ist, deren Leichen immer noch nicht gefunden wurden.
Das Denkmal "Missing" steht im serbischen Städtchen Gračanica in unmittelbarer Nähe von Pristina. Es ist den in den 1990er-Jahren getöteten Serben gewidmet, deren Leichen bis heute nicht gefunden wurden. Bildrechte: Andrej Ivanji

Unter Führung der Europäischen Union führen Serbien und das Kosovo in Brüssel "Gespräche über die Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen". Dies ist eine nicht verhandelbare Bedingung der EU in den Beitrittsverhandlungen mit Serbien. Das Kosovo muss zu den Gesprächen beitragen, um überhaupt irgendwann den EU-Kandidatenstatus zu erhalten. Trotzdem kommen die Gespräche nur schleppend voran. Weiterhin gibt es gegenseitige Vorwürfe über ethnische Säuberungen und Kriegsverbrechen.

Tiefe Kluft auch in den Medien

 "Albanische Medien berichten nur sporadisch und oberflächlich über im Kosovo lebende Serben, weil albanische Journalisten kein Serbisch können", erklärt Una Hajdari in Pristina."Auf der anderen Seite berichten in serbischen Medien über die Ereignisse im Kosovo Kollegen, die selten oder nie im Kosovo waren und kein Wort Albanisch sprechen", sagt Hajdari.

Man könne sich vorstellen, was dabei herauskomme, sagt Hajdari. "Kosovo ist Serbien" sei die Maxime dieser Kollegen, die es ablehnen, sich mit der Realität vor Ort auseinanderzusetzen. Auf diese Weise würden sowohl die Bürger Serbiens, als auch die im Kosovo lebenden Serben manipuliert, meint Una Hajdari. Denn im Vordergrund stünden die politischen Interessen Belgrads und nicht die Interessen der im Kosovo lebenden Serben.

Kein Wille zur Verständigung

Hajdari kann nicht verstehen, dass im Kosovo lebende Serben kein Albanisch lernen wollen und junge Albaner kein Serbisch. Mit dem könnten sie sich in der gesamten Balkan-Region verständigen, vielfach mangelt es an dem Willen dazu.

Und so entstünden parallele ethnische Gesellschaften - Serben leben in abgegeschlossenen Enklaven und informieren sich selbst über die Ereignisse in der eigenen Nachbarschaft durch Nachrichtensendungen aus dem weit entfernten Belgrad. Das Misstrauen werde immer größer, die Toleranz immer geringer, konstatiert die Journalistin Una Hajdari.

Poster von Ibrahim Rugova, dem legendären albanischen politischen Führer aus den 1990er Jahren, der für die Unabhängigkeit des Kosovo kämpfte. Serbische Kinder im Kosovo lernen jedoch aus Schulbüchern des serbischen Bildungsministeriums und bekommen daher ein ganz anderes Geschichtsbild vermittelt. Bildrechte: Andrej Ivanji

Misstrauen auf allen Seiten

Wenn sie in einem serbisches Dorf recherchiere, sei meist alles in Ordnung bis die Gesprächspartner erfahren, dass sie aus der Hauptstadt Pristina kommt, wo fast keine Serben mehr leben. Dann würden sie sofort misstrauisch, fragten die Journalistin nach ihren Motiven und verschließen sich. In der kosovarischen Hauptstadt lebten einst 100.000 Serben, heute sehen viele von ihnen es als "feindliches Territorium" an, meint Hajdari.

Auf ähnliche Reaktionen stößt die junge Frau in Pristina, wenn ihre albanischen Bekannten erfahren, dass sie "unter den Serben" gewesen sei. Man fragt sie dann, was sie denn bei denen suche. Neulich bezeichnete eine serbische Boulevardzeitung Una Hajdari als "Serbenhasserin", nur weil sie sich in einem Tweet über Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vučić  lustig machte. "Ich muss da wirklich lachen, wo ich unter Albanern doch als 'Serbenfreundin' beschimpft werde", lächelt Hajdari.

Was Hajdari lächelnd verschweigt, ist was diese Labels im Kosovo bedeuten: Als "Serbenhasserin" in ein serbisches Dorf zu reisen kann auch für sie gefährlich werden. Als "Serbenfreundin" ist es in Pristina nicht anders.

Über dieses Thema berichtet MDR auch in: Heute im Osten: Reportage | 17.02.2018 | 18:00 Uhr

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