Kosovo Fotograf dokumentiert Alltag in Pristina
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16. Februar 2018, 18:29 Uhr
Zum Alltag im Kosovo gehören eine Menge Kaffeehäuser. Darin sitzen ausschließlich Männer, die plaudern, Schach spielen, Kaffee oder schwarzen Tee trinken. Der US-Amerikaner Matt Kollasch hat diesen Aspekt des Alltags in Pristina fotografiert.
Was gibt es in der kosovarischen Hauptstadt Pristina im Überfluss? Cafés, meint der US-Fotograf Matt Kollasch, der seit 2016 in der rund 145.000 Einwohner zählenden Stadt lebt. In dieser Zeit hat er unzählige Kaffees getrunken und viel gelernt: Was man im Kosovo Macchiato nennt, ähnelt doch sehr seinem Verständnis vom Cappuccino. Wer lieber einen Macchiato trinken will, sollte im Kosovo einen "kafe pa plum" bestellen, empfiehlt Kollasch. Dass eine Tasse von "na plum" hingegen stark ist, mit einem Schuss Milch darin.
In der Männerrunde sofort willkommen
Kollaschs Wege führen ihn immer wieder am "Klub Schach" vorbei - in der Altstadt nahe der Carshi-Moschee und nur fünf Minuten entfernt von Pristinas bekannter Fußgängerzone, der Mutter-Theresa-Straße. Die schachspielenden Männer nennen ihr Café auch nur "Klub Schach", obwohl der Name nirgendwo geschrieben steht. Als Kollasch fragt, ob er sie beim Spielen fotografieren dürfe, sind sie hellauf begeistert. Die meisten der Männer sprechen fließend Deutsch oder Englisch, haben die meisten von ihnen doch in Deutschland oder der Schweiz gejobbt.
Rauchverbot - was heißt das schon
Kollasch wartet sehnsüchtig auf das Frühjahr, wenn die Kaffeehäuser wieder gut durchlüftet werden. Denn in "Klub Schach" und den anderen Cafés der Stadt herrscht im Winter dicke Luft, von den unzähligen gerauchten Zigaretten. Zwar gibt es seit 2013 offiziell ein Rauchverbot, doch die meisten halten sich nicht daran. Der US-Fotograf fühlt sich im "Klub Schach" an die Farmer-Taverne in seiner Heimatstadt Swea City im US-Bundesstaat Iowa erinnert. Wie zu Hause foppen sich die Männer in der Runde gegenseitig, lachen, streiten, rauchen und trinken. Im christlich geprägten Iowa steht Bier auf dem Tisch, im mehrheitlich muslimisch geprägten Kosovo sind es Kaffee und schwarzer Tee.
Mikrokosmos Kaffeehaus
In "Klub Schach" treffen sich traditionell nur Männer: Rentner, Arbeitslose und Arbeiter. Die Kaffeehäuser bieten in der Regel auch für die Einheimischen bezahlbare Preise. Entsprechend gut sind sie besucht. Ein Espresso kostet zwischen 50 und 60 Euro-Cent, einen Macchiato gibt es für 0,75 bis einen Euro. Am Nachmittag ist das Lokal am besten besucht, die Luft am verrauchtesten. An allen Schachbrettern wird gespielt. Das Spiel bringt die Menschen zusammen, ob nun Freunde, Bekannte oder Fremde. Im Café scheint die Zeit langsamer zu verstreichen, die ganze Szenerie scheint wie aus der Zeit gefallen.
Dabei ist das Kosovo ein Land, das der EU beitreten will, einen Aufnahmetermin gibt es noch nicht. Die Landeswährung ist der Euro, obwohl das Kosovo der Währungsunion nicht angehört. Das mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnte Land hatte sich ein Jahrzehnt nach dem Kosovokrieg im Jahr 2008 einseitig von Serbien losgesagt und für unabhängig erklärt. Mehrere EU-Staaten erkennen die Unabhängigkeit bisher nicht an, um Seperationsbewegungen in ihren Ländern nicht zu ermutigen. Der Durchschnittslohn im Land liegt zwischen 350 und 450 Euro. Die Jobs sind aber knapp im Kosovo. Ende 2016 lag die Arbeitslosigkeit bei knapp 29 Prozent, unter Jugendlichen sogar bei 52 Prozent. Doch von alledem ist im "Klub Schach" nichts zu spüren.
(am)
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: Radio | 04.02.2018 | 10:00 Uhr