Computerspiele Sherlock Holmes: Computerspiel-Klassiker aus der Ukraine
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08. Juni 2020, 11:59 Uhr
Was hat Sherlock Holmes mit der Ukraine zu tun? Ziemlich viel, auf jeden Fall in der Welt der Computerspiele. Seit 20 Jahren produziert ein ukrainischer Spieleentwickler sehr erfolgreich Adventures-Games mit dem bekanntesten englischen Detektiv und seinem treuen Gefährten Dr. Watson. Die ukrainische Spieleentwickler-Szene ist längst kein Geheimtipp mehr.
Der wohl berühmteste Detektiv der Welt Sherlock Holmes, eine fiktive Romanfigur des britischen Schriftstellers Arthur Conan Doyle, ist nicht nur in der Baker Street 221b in London, sondern seit fast 20 Jahren auch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zu Hause. Denn Frogwares, ein ukrainisches Entwicklerstudio für Computerspiele, hat exklusive Rechte für Spiele über Sherlock Holmes. Das erste, "Sherlock Holmes: Das Geheimnis der Mumie", ist bereits 2002 auf dem Markt erschienen. Ende Mai kündigte Frogwares nun sein neuntes Sherlock-Spiel unter dem Untertitel "Chapter One" an, welches im nächsten Jahr erscheinen soll.
Viel Talent und geringe Produktionskosten
Aber wie ist Sherlock Holmes überhaupt in der Ukraine gelandet? Hinter Frogwares steckt eine spannende Geschichte. Große IT-Unternehmen engagieren inzwischen sehr gern ukrainische Spieleentwickler. So hat der Frankfurter Spieleentwickler Crytek, bekannt durch eine hochgeschätzte Spielengine, seit 2006 ein Tochterstudio in Kiew. Doch Frogwares, gegründet im Jahr 2000 von zwei Franzosen, hat schon von Anfang an ganz bewusst auf die Ukraine als Hauptstandort gesetzt. Dabei waren vor allem zwei Faktoren ausschlaggebend: vergleichbar geringe Produktionskosten und sehr viele Entwicklertalente vor Ort. Frogwares-Chef Waël Arms entdeckte diesen Trend früher als andere.
Zwar hat Frogwares zusätzlich ein Büro in Dublin, um Geschäfte mit westlichen Partnern besser abwickeln zu können. Doch mittlerweile ist das Unternehmen durch und durch ukrainisch. Frogwares hat zurzeit rund 80 Mitarbeiter, fast alle sind Ukrainer, ebenso wie die Freelancer, mit denen Frogwares zusammenarbeitet. "Wir sind ganz klar ein ukrainischer Entwickler", stellt Serhij Ohanesjan, Chef des Marketing-Teams von Frogwares, gegenüber dem MDR klar. "Bei uns gibt es sogar ein paar Mitarbeiter, die zu uns gewechselt sind, nachdem sie unsere Spiele ausprobiert und schließlich erfahren haben, dass wir eben Ukrainer sind."
Gedenken an Maidan-Opfer
Die ukrainische Herkunft versteckt die Firma nicht: 2014, mitten im beginnenden Ostukraine-Krieg, hat Frogwares sein Sherlock-Spiel "Crimes and Punishments" den Opfern der Maidan-Revolution in Kiew gewidmet. Der russische Publisher des Spiels forderte vom Studio, die Widmung zu streichen und beendete anschließend die Zusammenarbeit, nachdem Frogwares dies nicht tun wollte. "Crimes and Punishments" ist dennoch auf einer offenen Plattform auch in Russland erschienen und wurde weltweit rund sieben Millionen Mal verkauft – das erfolgreichste Spiel der Reihe bisher. Sherlock-Fans schätzen die Holmes-Spiele vor allem für ihre Authentizität und den großen Respekt vor den Traditionen rund um den berühmten Detektiv.
Als Sherlock im viktorianischen London unterwegs
Die Holmes-Games gehören zum Adventure-Genre. Man spielt meist als Sherlock Holmes selbst oder auch als Dr. Watson im viktorianischen London. Das Ziel ist, unterschiedlichste Kriminalfälle aufzuklären. Im letzten Spiel "The Devil’s Daughter" (2016) ging es jedoch nicht mehr lediglich um das Aufklären von Rätseln, indem man Personen in der Spielewelt befragt und Beweise sammelt. Hier gab es auch erstmals Action-Sequenzen. Im neuen Spiel "Chapter One", das nächstes Jahr erscheinen soll, wird es neben den Standardaufgaben wieder Kämpfe geben. Diesmal geht es um die Abenteuer des jungen Sherlock Holmes, bevor er zum weltberühmten Detektiv wurde. Er ist mit einem Vorgänger von Dr. Watson auf einer fiktiven Mittelmeerinsel unterwegs.
"Sherlock Holmes wurde für uns einst deswegen interessant, weil wir den Spielern eine Erzählung anbieten wollten, bei der man sowohl die Motivation der positiven als auch der negativen Charaktere verstehen kann. Es sind Geschichten, die weder schwarz noch weiß sind", erklärt Ohanesjan. "Mit diesem Ansatz wollen wir nun erzählen, welchen Weg der junge Sherlock gegangen ist, bis er zu dem wurde, was er heute ist."
Weltberühmte Spiele aus der Ukraine
Für Ohanesjan ist es wichtig, zu betonen, dass sein Studio nicht der einzige erfolgreiche Spieleentwickler in der Ukraine ist. "Ukrainische Entwickler machen Spiele, die auf der ganzen Welt gerne gespielt werden. Es ist für uns eine Ehre, Teil davon zu sein", sagt er. Ein Pionier auf diesem Gebiet ist der 1995 in Kiew gegründete Spieleentwickler GSC Game World, der erst mit dem Strategiespiel "Cossacks" und dann vor allem mit dem Spiel "Stalker", welches in der Sperrzone des Kernkraftwerks Tschernobyl spielt, weltweit berühmt wurde.
Frogwares-Gründer und Geschäftsführer Waël Arms ist davon überzeugt, dass die Ukraine Potenzial für viel mehr eigene Studios hat. Es sei schade, dass ukrainische Entwickler mehrheitlich für ausländische Firmen arbeiten. "An Talent fehlt es hier nicht, sondern an Unternehmern, die bereit sind, Menschen zu fördern, und an Vertrauen in die staatlichen Institutionen", meinte er im letzten Jahr gegenüber der englischsprachigen Zeitung Kyiv Post.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 24. Januar 2020 | 19:30 Uhr