EU-Klage wegen Justizreform Streit zwischen Polen und der EU erreicht neue Stufe
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03. April 2021, 05:00 Uhr
Die EU hat wegen der polnischen Justizreform vergangene Woche eine weitere Klage vor dem EuGH eingereicht. Weitere drei Verfahren laufen bereits. Die regierende PiS-Partei allerdings gibt sich kompromisslos. Mit der neuen Klage erreicht der Machtkampf zwischen Brüssel und Warschau eine neue Stufe – und es stellt sich die Frage, wie weit beide Seiten dabei bereit sind zu gehen.
Die Liste der Verfahren gegen die polnische Regierung vor dem europäischen Gerichtshof wird immer länger. Da könne man schon fast den Überblick verlieren, sagt Moritz Körner, der für die FDP im Europaparlament sitzt: "Im konkreten Fall möchte die Kommission eine einstweilige Verfügung beantragen, das heißt sie will schon vorläufige Maßnahmen vor dem endgültigen Urteil." Die Kommission gehe davon aus, dass mit der verstreichenden Zeit der Schaden am polnischen Justizsystem immer größer wird, erklärt Körner.
Warschau soll sich an EU-Verträge halten
So soll die Arbeit der so genannten Disziplinarkammer gestoppt und das Justizgesetz zurückgestellt werden. Beides sind Instrumente, um die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten politisch zu steuern und nicht regierungstreue Justizangestellte durch Geldstrafen, Versetzung oder auch Entlassung zu disziplinieren. Das Vorgehen Warschaus gegen die Unabhängigkeit der Justiz sei besorgniserregend, sagt Věra Jourová, Vizepräsidentin der EU-Kommission.
Nationale Regierungen können natürlich die Justiz reformieren. Aber dabei müssen sie die EU-Verträge achten.
Denn polnische Richter seien europäische Richter, sagt Daniel Caspary. Der Vorsitzende der deutschen CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament ist überzeugt, dass Europa solch eklatante Verletzung der Gewaltenteilung nicht dulden dürfe: "Es geht da um die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union. Wir müssen sicherstellen, dass Urteile der polnischen Gerichte auch in ganz Europa gelten, sonst untergräbt es das Rechtsstaatssystem in ganz Europa." Es sei wichtig, dass die Europäische Kommission aktiv werde und gegen die Reform vorgehe.
PiS-Partei bleibt kompromisslos
Die polnische Regierung hat angekündigt, ab Ende April einige Artikel der europäischen Verträge für verfassungswidrig erklären zu lassen. Außerdem habe das polnische Recht prinzipiell Vorrang vor EU-Recht, argumentiert Patryk Jaki. Er sitzt für die polnische Regierungspartei PiS im EU-Parlament.
Die EU sollte in Zeiten der Corona-Pandemie Dringenderes zu tun haben, als Polen mit Banalitäten und haltlosen Vorwürfen anzugreifen.
Jaki ergänzt: "Vielleicht sollten sie mal die Ernennung der Richter in Polen mit dem System in Deutschland oder Spanien vergleichen. Das unterscheidet sich nicht. Also soll mir mal jemand erklären, warum sie den Eindruck haben, dass Polen gegen die Gesetze verstößt, Spanien und andere aber nicht." Es werde mit zweierlei Maß gemessen.
Kritik verstummen lassen
Es gehe aber überhaupt nicht um einzelne Maßnahmen, sondern darum, dass die Justiz in Polen systematisch so umstrukturiert werde, dass sie der Exekutive, also der Regierung, nicht mehr widerspreche, sagt die SPD-Politikerin Katarina Barley. Die ehemalige Richterin ist Vizepräsidentin des EU-Parlaments. Die polnische Regierung behaupte, die Maßnahmen seien ähnlich wie das, was man in Deutschland, Frankreich oder Spanien mache, fasst Barley zusammen. "Aber das ist gar nicht der Punkt. Man kann die Justiz sehr unterschiedlich organisieren und aufbauen. Wie man Richterinnen bestimmt, ist sehr unterschiedlich in den einzelnen Mitgliedsstaaten", weiß auch Barley. Es gehe um das Ziel, das Warschau verfolge: "Kritik in jeder Hinsicht verstummen zu lassen, insbesondere die wirksame Kritik der Justiz."
Nachdem die EU-Kommission darauf bisher nur zögerlich reagierte, hat der Machtkampf mit Warschau nun eine neue Stufe erreicht. Denn Brüssel will jetzt Härte zeigen und droht mit finanziellen Sanktionen, weil die polnische Regierung immer radikaler agiert. Dabei stellt sich die Frage, ob sie auch den Austritt Polens aus der Union riskieren würde. Das wird wegen der hohen EU-Subventionen auf der anderen Seite selbst von der Mehrheit der Regierungsanhänger wohl eher nicht gewünscht.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 04. April 2021 | 06:00 Uhr