Klimawandel Tschechien: "Dürre schlimmer als Coronavirus"
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12. Juni 2020, 10:27 Uhr
Tschechiens Präsident Milos Zeman sorgte kürzlich für Aufregung, als er sagte: Die Dürre sei für Tschechien schlimmer als das Coronavirus. Tatsache ist aber, dass unser Nachbar – genau wie Deutschland auch – zunehmend unter Trockenheit leidet. Seit einigen Jahren falle zu wenig Regen und Schnee, in diesem Jahr drohe aber eine Rekorddürre – wenn nicht noch ein Wunder geschehe, heißt es aus dem Umweltministerium. Nun hat die tschechische Regierung umfassende Maßnahmen angekündigt.
Tschechien erlebt aktuell die trockenste Zeit seit 500 Jahren, beklagen Experten. Fast im ganzen Land sorgen sich die Landwirte und rechnen schon jetzt mit Ernte-Einbußen um bis zu 40 Prozent. Die Ursache sei der Klimawandel. Seit Jahren fallen zu wenig Niederschläge. Dadurch fehlt das Wasser im Erdreich. Auch die Flüsse führen deutlich weniger Wasser als zu dieser Jahreszeit üblich.
Dass es höchste Zeit ist, etwas dagegen zu tun, ist inzwischen in der Politik angekommen – das tschechische Parlament hat Anfang der Woche zusätzliche Gelder für den Kampf gegen Dürre und Klimawandel bewilligt: insgesamt drei Milliarden Kronen, die zwischen dem Landwirtschafts- und dem Umweltministerium aufgeteilt werden. Landwirtschaftsminister Miroslav Toman bemühte sich schon länger darum. "Diese Dürre ist extrem besorgniserregend. Wir leiden darunter schon seit 2014 und es gelingt nicht, die Grundwasservorräte wieder aufzufüllen", erklärte der Politiker.
Überschwemmungen trotz Rekord-Dürre
Die Dürre ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Eine andere Folge des Klimawandels sind neben der extremen Trockenheit – auch wenn es paradox klingt – heftige Überschwemmungen. Sie entstehen dadurch, dass es insgesamt im Laufe des Jahres zwar weniger regnet, die seltener gewordenen Regenfälle aber viel heftiger sind. Innerhalb kürzester Zeit kommt deutlich mehr Niederschlag runter, als früher üblich.
Das Problem dabei: Die so entstehenden Sturzfluten können die ausgetrockneten Felder nicht bewässern. Sie fließen vielmehr schnell in die Flüsse ab – das Wasser hat keine Zeit, ins Erdreich einzusickern, es mit Feuchtigkeit zu versorgen und die tiefer liegenden Grundwasservorräte wieder aufzufüllen. Es sind zwar enorme Wassermengen, die da runterkommen, sie verschwinden aber genauso schnell wie sie kamen und sind deshalb keine Hilfe im Kampf gegen Dürre.
Ein eindrucksvolles Beispiel dafür erlebte Tschechien Anfang der Woche. Nach heftigen Gewittern und Wolkenbrüchen traten die Flüsse im Osten des Landes über die Ufer. Die Dorfstraßen verwandelten sich in reißende Ströme, Brücken stürzten ein. Eine 48 Jahre alte Frau kam ums Leben, eine 74 Jahre alte Rentnerin wurde von einem Fluss mitgerissen und gilt seitdem als vermisst.
Trinkwasser wird durch Dürre knapp
Die Land- und Forstwirtschaft in Tschechien leiden, das Trinkwasser droht knapp zu werden. Auch Tschechiens Regierungschef Andrej Babiš hat das Problem schon länger im Blick. Er sagte bereits im vergangenen Jahr, als viele Gemeinden vorübergehend das Wasser rationieren mussten: "Wir brauchen angesichts des Klimawandels eine Strategie für Jahrzehnte im Voraus."
Um Abhilfe zu schaffen will Tschechien jetzt unter anderem neue Talsperren bauen. Das soll helfen, das Wasser im Land zu halten. Denn zu viel von dem kostbaren Nass fließe über die Flüsse in die Nachbarstaaten ab, so Experten. Bis zu 100 potentielle Standorte sollen geprüft werden. Die betroffenen Flächen werden dann baurechtlich für die Talsperre "reserviert", was beispielsweise ein Verbot von neuen Industrieansiedlungen nach sich ziehen würde. An sechs Standorten wird derzeit schon gebaut. Dabei soll es aber nicht bleiben. "Wir wollen den Bau mancher Talsperrenprojekte beschleunigen. Auch dafür soll ein Teil der vom Parlament bewilligten drei Milliarden Kronen verwendet werden, so Landwirtschaftsminister Toman.
Geld und smarte Lösungen
Auch im Baurecht werden Änderungen auf den Weg gebracht. Schon ab kommendem Jahr sollen alle Neubauten Maßnahmen gegen die Dürre bereithalten. In dem einen Fall könnte das ein begrüntes Dach sein, in einem anderen eine Anlage, die das Regenwasser sammelt, um damit zu wirtschaften. Zum Beispiel um Pflanzen damit zu bewässern. "Vom Dach eines einzigen Mietshauses fließt pro Jahr durchschnittlich so viel Wasser herunter, dass es für ein ganzes Schwimmbad reichen würde. Dieses Wasser kann man im Gebäude fürs Duschen, Waschen und Putzen verwenden", erklärt Petr Holub von der Initiative "Eine Chance für Bauten".
Dass sich der Wasserhaushalt von allein erholt, daran glaubt in Tschechien kaum noch jemand, denn dafür müssten sich die Niederschläge mindestens verdoppeln – und außerdem gleichmäßiger über das Jahr verteilt sein.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 12. Juni 2020 | 17:45 Uhr