MDRfragt Mehrheit für Vorschriften beim Wald-Aufforsten

18. Oktober 2023, 05:00 Uhr

Nach den vergangenen dürren Jahren sind in unseren Wäldern vier von fünf Bäumen krank. Für den nötigen Waldumbau fordert in einer MDRfragt-Umfrage eine Mehrheit klare Vorgaben, die es bisher kaum gibt. Neue Monokulturen sollen ganz verboten werden und Wälder generell zu Mischwäldern aufgeforstet werden. Dabei sollten private Waldbesitzer stärker vom Staat unterstützt werden. Knapp die Hälfte der Befragten fordert mehr Flächen, auf denen Wald sich selbst überlassen bleibt.

Pierre Gehmlich
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Vertrocknete Fichten und Kiefern, große Lücken ohne Bäume, gestapelte Baumstämme an den Wegen: Spaziergänger oder Radfahrerinnen sehen überall, wie sehr Waldbesitzer aktuell bei der Pflege ihrer Flächen kämpfen müssen. Und welchen Aufwand sie beim Aufforsten stemmen. Vier von fünf Bäumen sind laut dem aktuellen Waldzustandsbericht des Bundeslandwirtschaftsministeriums krank. Wir wollten von den MDRfragt-Mitgliedern wissen: Wie müssen wir uns in Zukunft um unsere Wälder kümmern?

Große Mehrheit für Pflicht zum Waldumbau

Fichte an Fichte, Kiefer an Kiefer und dazwischen ein paar wenige Laubbäume: In vielen Wäldern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurde über Jahrzehnte nur eine Baumart angepflanzt. Solche Monokulturen lassen sich besser bewirtschaften und das Holz kann einfacher eingebracht werden. Doch die Stürme, Dürren und Schädlingsplagen der vergangenen Jahre zeigten, dass Monokulturen deutlich anfälliger sind als Mischwälder. Forstwirte und Forstbehörden denken daher vielerorts schon um und setzen beispielsweise seit einiger Zeit verstärkt auf Mischwald.

In einer aktuellen Umfrage von MDRfragt sind acht von zehn Befragten (77 Prozent) für ein Verbot, in Wäldern nur eine Baumart zu pflanzen. Aus Sicht dieser Mehrheit sollte der Umbau zu Mischwäldern verpflichtend sein. 16 Prozent der MDRfragt-Teilnehmer sprechen sich gegen eine solche Pflicht aus.

Rico (36) aus Leipzig schlägt einen differenzierteren Ansatz zur Rettung der Wälder vor: "Verbote sind immer schlecht und kommen bei der Bevölkerung und Bauern negativ an. Andere Mischkulturen sollten gefördert werden." Bisher sind private und staatliche Waldbesitzer weitgehend frei in ihrer Entscheidung, welche Bäume sie pflanzen. Allein für Naturschutzgebiete gibt es Vorgaben für das Aufforsten. Viele Waldbesitzer orientieren sich zwar an den Empfehlungen von Forstversuchsanstalten, welche Bäume für ihre Böden, die Wasserversorgung vor Ort oder die jeweiligen Höhenverhältnisse am besten geeignet sind. Gesetzliche Vorgaben, wie sie eine Mehrheit der MDRfragt-Mitglieder gut findet, gibt es bisher noch nicht. Insgesamt haben sich mehr als 21.000 Menschen an der Umfrage zu den Wäldern beteiligt.

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Edelkastanie, Douglasie oder Robinie: Das sind nur einige der bisher nicht-heimischen Baumarten, die aber inzwischen auch in unseren Wäldern angepflanzt wurden. Die Bäume sind robuster gegen Klimaveränderungen als beispielsweise Fichten und damit interessant für manche Waldbesitzer. Auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird darüber nachgedacht, die Wälder mit den genannten und anderen Baumarten resistenter gegen trockene und heiße Bedingungen zu machen. Naturschützer und auch Waldbesitzer befürchten aber, dass nicht-heimische Baumarten den Wald schwächen und heimische Pflanzen verdrängen könnten.

Fast zwei Drittel der Befragten (61 Prozent) finden den Weg richtig, Wälder mit nicht-heimischen Arten klimafester umzubauen. Andreas (66) aus dem Saalekreis schreibt dazu: "Es sollten Baumarten gepflanzt werden, die den jetzigen klimatischen Bedingungen trotzen können. Da spielt es keine Rolle, aus welcher Region sie stammen." Aus seiner Sicht sollten diese Baumarten trotzdem keine heimischen Gewächse verdrängen. Damit würden sich aber Forstsachverständige auskennen. Dorothea (55) aus dem Salzlandkreis spricht sich für einen Mix aus Laub- und Nadelgehölzen und für ein "Experimentieren mit mediterranen Arten" aus. Jedes dritte MDRfragt-Mitglied hält den Umbau von Wäldern mit nicht-heimischen Baumarten für falsch. Acht Prozent der Befragten legten sich bei dieser Frage nicht fest.

Hälfte der Befragten dafür, mehr Waldflächen sich selbst zu überlassen

Auf mehr als zwei Dritteln der Fläche des Nationalparks Harz werden abgestorbene Bäume nicht mehr entfernt. Die Flächen werden sich selbst überlassen. Wachsen soll dort ein Wald, der mit einem Wirtschaftsforst nichts mehr zu tun hat und deutlich robuster gegen Klimaveränderungen ist. Über diesen Ansatz für den Waldumbau wird immer wieder heftig gestritten. Kritiker verweisen unter anderem auf mögliche Probleme bei Waldbränden. Werde Totholz nicht beräumt, könnten Rettungskräfte bei den Löscharbeiten behindert werden. Anwohnerinnen und Anwohner verweisen darauf, dass ihr leibliches Wohl mehr zählen sollte als der naturbelassene Wald.

Den Wald einfach mal in Ruhe lassen. Natur kommt ohne Menschen meist am besten zurecht.

MDRfragt-Teilnehmer Peter (55) aus Anhalt-Bitterfeld

Knapp die Hälfte der MDRfragt-Teilnehmenden (49 Prozent) findet, dass noch mehr Waldflächen als bisher sich selbst überlassen werden sollen. 27 Prozent der Befragten halten die aktuellen Gebiete für ausreichend, auf denen dieses Konzept des Waldumbaus praktiziert wird.

"Wir sind, glaube ich, das Letzte, was der Wald braucht. Mit dem Totholz habe ich schon Bedenken, aber das sollten doch Experten entscheiden", findet Katrin (53) aus Schmalkalden-Meiningen. Ähnlich sieht das Peter (55) aus Anhalt-Bitterfeld: "Den Wald einfach mal in Ruhe lassen. Natur kommt ohne Menschen meist am besten zurecht." Jede und jeder Fünfte wünscht sich, dass weniger Waldfläche sich selbst überlassen wird (19 Prozent). Matthias (75) aus dem Burgenlandkreis schlägt einen Kompromiss vor: "Totholz braucht Nässe, um zu verrotten. Bei Trockenheit ist es nur Brennmaterial und gefährlich. An nassen Stellen liegen lassen, an trockenen Stellen entfernen. Bewirtschaftung im Sinne von Pflege des Waldes ist sinnvoll, aber Monokulturen sind es nicht."

Vor allem Ältere haben sich dafür ausgesprochen, weniger Waldflächen als bisher sich selbst zu überlassen. Bei den Über-65-Jährigen war das mehr als ein Viertel der Befragten (28 Prozent). Anders ist das bei den Unter-30-Jährigen. In dieser Altersgruppe ist eine sehr große Mehrheit (69 Prozent) dafür, noch mehr Waldflächen als bisher sich selbst zu überlassen. In dieser Altersgruppe ist nur weniger als jede und jeder Zwanzigste dafür, die schon bestehenden naturnahen Waldflächen zu verringern.

Mehr Hilfe für private Waldbesitzer nötig

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist jeweils fast die Hälfte der Waldflächen in privater Hand. Sehr viele der privaten Waldbesitzer bewirtschaften Flächen von unter einem Hektar. Ihnen fehlt oft das Geld für die Aufforstung der Flächen mit kranken oder abgestorbenen Bäumen, auch weil in den vergangenen Jahren der Holzpreis deutlich gesunken ist. Thüringen hat schon vor einigen Jahren ein neues Förderprogramm für den Waldumbau aufgelegt. Auch Sachsen und Sachsen-Anhalt unterstützen private Waldbesitzer stärker als noch vor einigen Jahren. Die Förderung soll helfen, ihre Nadelholzbestände in robustere Mischwälder umzubauen. Die Mehrheit der MDRfragt-Mitglieder (70 Prozent) findet, Waldbesitzer sollten noch stärker als bisher mit Steuergeld beim Erhalt des Waldes unterstützt werden.

Die Bundesländer sollten Ankaufprogramme starten, um mehr Staatswald zu schaffen, der umweltfreundlich bewirtschaftet wird.

MDRfragt-Teilnehmer Danilo (17) aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

Für Jutta (54) aus Leipzig ist der Erhalt des Waldes eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie schreibt: "Wenn ein Waldbesitzer ökologischer und Wald-erhaltend arbeiten will, bin ich für Unterstützung durch öffentliche Gelder." Ein knappes Viertel der Befragten (22 Prozent) spricht sich gegen mehr Unterstützung aus. Danilo (17) aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge schlägt einen ganz anderen Ansatz vor: "Die Bundesländer sollten Ankaufprogramme starten, um mehr Staatswald zu schaffen, der umweltfreundlich bewirtschaftet wird." Für mehr Forst in staatlicher Hand ist auch Sebastian (39) aus Zwickau: "Waldbesitzer sollten im Allgemeinen enteignet werden und der Wald generell als Naturschutzobjekt oder Nationalpark umgewandelt werden."

Zum Ausklappen: Weitere Stimmen aus der MDRfragt-Gemeinschaft zu unseren Wäldern

  • Eckhard (66) aus dem Kreis Schmalkalden-Meiningen sieht den Waldumbau als eine Generationenaufgabe: "Auf die momentane Holzschwemme durch Kamalitätenholz werden für viele Waldbesitzer Jahrzehnte mit wenig oder keinem wirtschaftlichen Ertrag folgen. Insbesondere kleine Waldbesitzer sollten dabei Hilfen bekommen."
  • Stefan (48) aus Zwickau spricht sich für mehr natürliche Entwicklungsmöglichkeiten von Wäldern aus: "Der Wald kann Trockenheit bestimmt besser wegstecken, wenn er urwüchsiger und selbstständiger ist."
  • Frank (35) aus Schmalkalden-Meiningen spricht sich gegen Vorschriften für den Waldumbau aus: "Ja, mehr Mischwälder und weniger Monokulturen, aber kein Verbot."
  • Helmut (69) aus Nordhausen blickt auf die Fehler, die bei Waldnutzung gemacht wurden: "Vor vielen Jahrzehnten wurden in großem Umfang Wälder mit nur einer Baumart angelegt. Vermutlich wusste man es nicht besser und der Klimawandel war noch kein Thema. In der aktuellen Situation verbieten sich Monokulturen. Der Umbau in Richtung Mischwälder ist dringend geboten."
  • Beate (62) aus dem Saalekreis schildert ihre Sicht zum Waldumbau weg von Monokulturen: "Natur lebt! Monokulturen sind anfälliger für Schädlinge als Mischwald. Aber Schädlinge tragen auch dazu bei, den Wald zu verjüngen! Der Borkenkäfer ist zwar ein solcher, aber hat auch selbst seinen Platz in der Natur und befällt vor allem Baumbestand, der bereits vorgeschädigt ist. Die Aufforstung mit standortgerechten Baumarten (Mischwald) sollte intensiv betrieben werden. Auch und vor allem unter dem Aspekt der zunehmend wärmeren und trockneren Sommer bzw. feuchten Winter (Klimaänderungen)."

Windräder auch im Wald aufbauen? Mehrheit lehnt das ab

Deutschland will den Anteil erneuerbarer Energiequellen erhöhen und dafür auch Wälder für Windkraft öffnen. Sachsen hat in diesem Jahr erstmals auch Waldflächen als mögliche Standorte für Windkraftanlagen ausgewiesen. Für diese gelten aber strenge Auflagen. In Sachsen-Anhalt und Thüringen sehen die Waldgesetze aktuell noch ein Verbot von Windkraft im Wald vor. Sachsen-Anhalts schwarz-rot-gelbe Landesregierung will das ändern. Das generelle Verbot von Windanlagen im Wald im Thüringer Waldgesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht als unzulässig erklärt.

Drei Viertel der MDRfragt-Mitglieder (78 Prozent) lehnen die Pläne ab, auch in Wäldern Windkraftanlagen aufzubauen. Thomas (52) aus Erfurt begründet seine Ablehnung so: "Für Windräder müssen Bäume gefällt werden, die selbst mehr zu Klimabilanz beitragen als die Windräder. Für Windräder gibt es genug Freiflächen wie Brachen." Kersten (63) aus Chemnitz schreibt zu Windkraftanlagen: "Die stören zwar nicht im Wald. Aber für die Montage wird einiges zerstört und das interessiert niemanden." Nur jede und jede fünfte Befragte findet es in Ordnung, wenn Windräder im Wald aufgestellt werden. Günter (70) aus Bautzen findet, Windräder in Wäldern sollten die Ausnahme sein: "Sie sollten an sehr gut ausgewählten Stellen stehen und das Gesamtbild des Waldes nicht verschandeln. Beim Bau von Windrädern im Wald sollte vor allem auf die Tiere Rücksicht genommen werden und auch auf bestimmte Aspekte für den Menschen, etwa was Zufahrtswege betrifft."

Über diese Befragung Die Befragung vom 6. bis zum 10. Oktober 2023 stand unter der Überschrift:
Unsere Wälder - müssen wir uns mehr kümmern?

Insgesamt sind bei MDRfragt 65.607 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 10.10.2023, 10:00 Uhr).

21.187 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 218 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 2.666 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 8.785 Teilnehmende
65+: 9.518 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 10.714 (50,6 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 5.206 (24,6 Prozent)
Thüringen: 5.267 (24,9 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 9.233 (43,6 Prozent)
Männlich: 11.898 (56,1 Prozent)
Divers: 56 (0,3 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.

Die Ergebnisse von MDRfragt sind nicht repräsentativ. Sie werden aber nach wissenschaftlichen Kriterien gewichtet, um die Aussagekraft zu erhöhen. Dafür werden die Verteilung von verschiedenen Merkmalen wie Alter, Abschluss oder Geschlecht unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern so ausgeglichen, dass sie der in der mitteldeutschen Bevölkerung entsprechen. Die Befragten geben oft nicht nur ihre grundsätzliche Position an. Sie begründen diese oft noch. Das erlaubt dem Team vom Meinungsbarometer MDRfragt, die Argumente der verschiedenen Meinungsspektren aufzuzeigen.

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