Wartburgkreis Neuer Landrat will Wartburgkreis zum "freundlichsten Landkreis Deutschlands" machen
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19. Juli 2024, 05:00 Uhr
Generationenwechsel im Landratsamt Wartburgkreis: Michael Brodführer (44) folgt auf Reinhard Krebs, der aus Altersgründen nicht wieder antreten durfte. Damit bleibt das Amt des Landrats weiter in CDU-Hand. Bewährtes bleibe erhalten, verspricht der neue Behördenchef. Verstärkt will er Zukunftsthemen wie Digitalisierung angehen, Wirtschaftsförderung zum Schwerpunkt machen. Und er will ein Wahlkampfversprechen umsetzen.
Michael Brodführer weiß Botschaften zu setzen, die aufhorchen lassen und hängen bleiben. Als Bürgermeister für Bad Liebenstein fand er landesweit Beachtung, als er dafür eintrat, die touristische Marke "Grünes Herz" für Thüringen wiederzubeleben, er organisierte dazu sogar ein Symposium.
Vor vier Jahren kritisierte der CDU-Politiker die geplante gemeinsame Schlösserstiftung von Sachsen-Anhalt und Thüringen als "größten Kulturraub der Landesgeschichte". Markige Worte, klare Haltung - das sorgt zuweilen beim politischen Gegner für Unmut, aber auch für Respekt.
Ich bin überzeugt, dass wir uns nur gut entwickeln können, wenn wir eine positive Stimmung haben.
Im Wahlkampf hatte Brodführer immer wieder ein Ziel genannt, das bei vielen für Belustigung sorgte: Der Wartburgkreis solle zum "freundlichsten Landkreis Deutschlands" werden, forderte er und schlug Aufkleber-Kampagnen mit Slogans wie "Grüßen ist cool" vor, wie er sie in Österreich gesehen hatte. Eine Tasse mit diesem Schriftzug hat er mitgebracht ins Landratsamt.
Das Ziel "freundlichster Landkreis" ist ihm wichtig: "Das heißt, dass wir einen guten Umgang miteinander pflegen, dass wir ein bissel lockerer sind, eine gute Stimmung im Landkreis pflegen." Das sei gerade nicht selbstverständlich, aber: "Ich bin überzeugt, dass wir uns nur gut entwickeln können, wenn wir eine positive Stimmung haben."
Vom Bürgermeister zum Landrat
Michael Brodführer ist mit Politik aufgewachsen: Sein Vater Klaus war Bürgermeister in Schleusingen. Er wurde Jurist, promovierte, wurde im Alter von 33 Jahren im Frühjahr 2013 zum hauptamtlichen Bürgermeister der Kurstadt Bad Liebenstein gewählt. Dort hat er einiges vorangebracht: Die Stadt ist mittlerweile schuldenfrei. Eine Reihe von Vorhaben wurden angefasst vom Kurpark bis zur Altensteiner Höhle.
Einiges entwickelt sich gerade - wie das Gelände des einstigen Großbetriebs "Pfeifen und Holz", für das eine Stiftung gegründet wurde und die Sanierung des Comödienhauses, die demnächst startet. Außerdem galt es, die ehemals selbstständigen Orte Steinbach und Schweina mit ihren Besonderheiten mit der Kurstadt zu verbinden.
Bürgermeister war Michael Brodführer nach eigenem Bekunden sehr gern. Und wie fühlt sich nun das Amt des Landrats an? Alles ist etwas größer, Verwaltung und Gebiet, sagt er. "Insofern trägt man eine größere Verantwortung, aber es fühlt sich trotzdem ähnlich an." Der Wartburgkreis wird seit 30 Jahren von Christdemokraten geführt.
Was sich bewährt hat, bleibt erhalten, das ist der Grundsatz.
"Was sich bewährt hat, bleibt erhalten", sagt Brodführer, "das ist der Grundsatz". Aber es werde sich durch den Generationswechsel auch einiges ändern. Er will sich stärker Zukunftsthemen zuwenden wie Digitalisierung, Migration, Energieversorgung und dem wirtschaftlichen Wandel, der vor allem in Eisenach in der Autozulieferindustrie zu spüren ist.
Gemeinsame Wirtschaftsförderung mit Eisenach
Wirtschaftsförderung benennt Brodführer als Schwerpunktthema. Man müsse die Unternehmen in der Region stärker miteinander vernetzen, da gebe es viele "hidden champions", die wenig voneinander wüssten. Er sei überzeugt, sagt der Landrat, "dass wir in Westthüringen im Wartburgkreis gemeinsam mit Eisenach eine Wirtschaftsförderung aus einem Guss machen sollten." Darüber will er mit dem neuen Eisenacher Oberbürgermeister Christoph Ihling sprechen.
Großprojekt Berufschulzentrum
Eisenach und Brodführer - das schien in der Vergangenheit ein etwas schwieriges Verhältnis. Im Zuge der Fusionsverhandlungen teilte der CDU-Fraktionschef im Kreistag schon mal gegen die Stadt aus. Doch der neue Landrat setzt auf die größte Stadt im Wartburgkreis: "Ich möchte, dass sich Eisenach in den nächsten Jahren richtig gut entwickelt. Ich bin mir sicher: Dann wird sich auch der Wartburgkreis richtig gut entwickeln." Sein größtes Investitionsvorhaben setzt der Landkreis in Eisenach um: Umgestaltung und Neubau des Berufsschulzentrums im Palmental, rund 30 Millionen Euro sind geplant.
Für Brodführer ein Schlüsselprojekt, um jungen Leuten eine Perspektive in der Region zu bieten: "Das ist sogar existenziell für die weitere Entwicklung. Wo stehen wir denn in fünf, zehn, fünfzehn Jahren, wenn wir nicht mehr ausreichend Leute haben, die hier gut und engagiert ihre Arbeit machen und fachlich qualifiziert sind?"
Eine Hauptaufgabe, für die Brodführer auch Menschen in den Wartburgkreis ziehen will, egal ob sie dorthin zurückkehren, aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland kommen. Hauptsache, sie integrierten sich in der Region, meint der Landrat. Was dabei hilft? Offenheit, sagt Brodführer, und natürlich: Freundlichkeit und gute Stimmung.
Schuldenfrei bleiben
Geht es nach ihm, soll der Wartburgkreis auch künftig schuldenfrei bleiben. "Die Kreditaufnahmen von heute sind die Kreisumlage von morgen", sagt der Landrat. Die Höhe der Kreisumlage, das weiß er als langjähriger Bürgermeister gut, ist für die Gemeinden wichtig.
Der Landkreis solle nur das machen, wofür er zuständig sei - und den Gemeinden genügend Spielraum lassen, um sich zu entwickeln. Aber er weiß auch: Über den Haushalt und Kreditaufnahmen entscheidet letztlich der Kreistag.
Mit Extremisten arbeite ich nicht zusammen, aber ansonsten muss man mit Gegebenheiten im Kreistag leben.
Im Kreistag stellt die CDU immer noch die stärkste Fraktion vor der AfD, hat aber keine Mehrheit. Den Umgang mit den anderen Parteien sieht Brodführer eher gelassen. Der Kreistag sei nicht Landtag oder Bundestag. Politik sei dort weniger von Fraktionen abhängig, sondern von handelnden Personen. Der Landrat bezeichnet sich als "gemäßigten Menschen": "Mit Extremisten arbeite ich nicht zusammen, aber ansonsten muss man mit Gegebenheiten im Kreistag leben."
Einfacher und schneller arbeiten
Für die Verwaltung hat er das Motto ausgegeben: "Mehr Freundlichkeit, weniger Papier". Entscheidungsprozesse sollten schneller werden, "damit was vorwärtsgeht". Auf eine "Vereinfachungskultur" setzt Brodführer: "Lieber einmal miteinander telefonieren als zwanzig Mails zu schreiben".
Im Wahlkampf hat Michael Brodführer Bierdeckel mit Fotos von sich verteilt. Das eine Motiv zeigt ihn lachend-lässig im olivfarbenen T-Shirt vor einer Waldkulisse, das andere mit ernstem Blick im dunklen Anzug mit Krawatte. Für beides stehe er, hatte er erklärt: für Freundlichkeit und Offenheit - genauso wie für Sicherheit und Ordnung.
Kampagne "Grüßen ist cool"
Die Freundlichkeits-Kampagne für den Landkreis ist bereits geplant: Es soll Aufkleber wie "Grüßen ist cool" oder "Seid freundlich miteinander" geben an den Toiletten-Spiegeln von Schulen, Sporthallen und kreiseigenen Gebäuden.
Am Landratsamt empfängt bereits eine neue Parkordnung die Bürger: Die Dienstwagen, die bisher die Plätze vor dem Eingang belegten, parken jetzt hinter dem Gebäude. Dort darf jetzt jeder sein Auto abstellen.
MDR (caf)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 18. Juli 2024 | 19:00 Uhr