Nach Angriffen auf Politiker "Wahlplakate nicht alleine aufhängen" - Thüringens Innenminister warnt Politiker und Helfer vor Gewalt
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06. Mai 2024, 16:51 Uhr
Zerstörte Wahlplakate, Anschläge auf Wahlkreisbüros, Angriffe auf Politiker: Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warnt Politiker und ihre Wahlkampfhelfer vor Gewalt. Alle sollen in den nächsten Wochen auf ihre Sicherheit achten. Auch der Thüringer SPD-Politiker Carsten Schneider rief zu Geschlossenheit gegen Gewalt und Anschläge auf. In den vergangenen Monaten häufen sich die Fälle auch in Thüringen.
Nach dem Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Ecke in Dresden und zahlreichen Fällen von zerstörten Wahlplakaten in Thüringen warnt Innenminister Georg Maier (SPD) Politiker und Wahlkampfhelfer in diesen Tagen auf ihre Sicherheit zu achten.
Maier sagte der "Deutschen-Presse-Agentur", in Thüringen habe die Polizei schon vor einiger Zeit alle Landtagsabgeordneten kontaktiert und Beratung angeboten. Inhaltlich ging es dabei beispielsweise darum, wie Abgeordnetenbüros geschützt werden können und wie man mit verdächtigen Briefen umgeht.
CDU-Landeschef Mario Voigt bewertete den Überfall auf Ecke als einen Angriff auf das demokratische Grundverständnis. "So etwas muss hart bestraft werden", sagte Voigt am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Die Demokratie lebe davon, dass unterschiedliche Meinungen öffentlich präsentiert würden.
Die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling wies darauf hin, dass sich der Angriff einreihe, "in zunehmende Bedrohungen und Gewalt, die wir auch in Thüringen im Wahlkampf erleben und die weitere Verunsicherung auslöst". Sie forderte Maßnahmen zum Schutz von Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern auf der Straße sowie eine Intensivierung der Strafverfolgung. Ihrer Ansicht nach müssten extrem rechte Narrative entnormalisiert werden.
Parteien reagieren unterschiedlich auf Gewalt
Innenminister Georg Maier (SPD) selbst sagte, er habe seine Helferinnen und Helfer in den vergangenen Tagen sensibilisiert auf ihre eigene Sicherheit zu achten. Das bedeute: "vorsichtig zu sein, nicht allein die Plakate hängen, vor allem nicht in den Abend- und Nachtstunden."
Auch andere Thüringer Parteien reagieren mittlerweile: So überlegt die Linke, in Zukunft auf den Veranstaltungen Sicherheitspersonal einzusetzen. Die AfD tut dies schon länger und beauftragt teilweise Unternehmen mit dem Plakatieren. Die Thüringer CDU will erst einmal nichts an ihren Wahlkämpfen verändern.
SPD-Ostbeauftragter Schneider: "Verrohung politischer Sitten"
Auch der Thüringer SPD-Politiker und Ostbeauftragte der Bundesregierung Carsten Schneider warnte im ARD-Morgenmagazin nach den Attacken in Dresden am Wochenende vor einer "Verrohung politischer Sitten". Diese sei "schon seit einiger Zeit angeschwollen". Auch er selbst spüre das bei seinen Auftritten verbal.
Schneider rief alle Menschen in Deutschland auf, sich hinter diejenigen Demokratinnen und Demokraten zu stellen, die sich politisch engagieren. "Es ist wichtig, dass die Gesellschaft klar sagt, wir akzeptieren das nicht", sagte der SPD-Politiker. Gerade in Ostdeutschland, wo die Zahl der Parteimitglieder und ehrenamtlich Aktiven geringer sei, müsse man "dafür sorgen, dass die Menschen sich nicht zurückziehen", forderte Schneider.
Es ist wichtig, dass die Gesellschaft klar sagt, wir akzeptieren das nicht
Thüringer Justizministerin Denstädt: "Gewalt ist nicht zu dulden"
Thüringens Justizministerin Doreen Denstädt (Grüne) äußerte sich am Montag ebenfalls besorgt über die Gewalt gegen politisch engagierte Menschen. Sie sagte: "Angriffe auf politisch aktive Personen oder die Zerstörung von Wahlplakaten haben nichts mit politischer Auseinandersetzung zu tun."
Denstädt verwies dabei auf die Verfassung. Diese schütze Meinungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit. Dies zu wahren sei aber offenbar keine Selbstverständlichkeit mehr. Staat und Zivilgesellschaft seien gefordert, so Denstädt weiter.
Angriffe auf politisch aktive Personen oder die Zerstörung von Wahlplakaten haben nichts mit politischer Auseinandersetzung zu tun.
Polizeigewerkschaft zeigt sich besorgt
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Sachsen, Thüringen und Brandenburg verurteilte die Angriffe auf Politiker und Einsatzkräfte. Die Politik müsse mit Bildung und Sozialprojekten dem Hass entgegenwirken.
Die Vorsitzenden der drei GdP-Landesverbände erklärten, man habe in den zurückliegenden Monaten eine "besorgniserregende Zunahme von Angriffen gegen Personen des öffentlichen Lebens und Helfer im Einsatz beobachtet". Es sei essenziell, dass jeder Einzelne Zivilcourage zeige und sich gegen Gewalt und Hetze stelle.
Innenministerium registriert Anstieg von Straftaten auf Politiker
Nach Angaben des Thüringer Innenministeriums hat sich die Zahl der Straftaten auf Amts- und Mandatsträger von 43 Fällen im Jahr 2018 bis 2023 auf 347 Fälle erhöht. Vor allem Beleidigungen, Verleumdung oder üble Nachrede haben dabei zugenommen. Von 145 erfassten Beleidigungsfällen im Jahr 2023 entfielen 102 auf üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens. In 76 Fällen ging es um Nötigung und Bedrohung von Politikern. Fast jede dritte Straftat erfolgte über das Internet.
Angriffe auf Privathäuser von Lokalpolitikern und Wahlkreisbüros
Ende Februar war in Waltershausen im Landkreis Gotha das Privathaus des SPD-Lokalpolitikers Michael Müller im Ortsteil Schnepfenthal angegriffen worden. Verletzt wurde dabei niemand, der Sachschaden war erheblich.
Vier Wochen später flog ein Stein durch ein Fenster des Hauses von Stadtratskandidat Joachim Stade in Waltershausen, der für die Linke kandidiert. Beide Politiker engagieren sich gegen Rechtsextremismus in der Stadt. Auch andere Wahlkreisbüros verschiedener Parteien in Thüringen wurden in den letzten Monaten angegriffen. Erst letzte Woche bedrängten Demonstranten in Brandenburg die Thüringer Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt und schlugen auf ihr Auto ein. Erst mit Polizeiverstärkung konnte die Politikerin losfahren.
Zahlreiche Fälle zerstörter Plakate in Thüringen am Wochenende
Am Wochenende meldete die Polizei in Thüringen wieder zahlreiche Fälle zerstörter Wahlplakate. So wurde am Sonntag in Meuselwitz im Altenburger Land ein 21-Jähriger erwischt, wie er gemeinsam mit einem weiteren Mann mehrere Wahlplakate verschiedener Parteien beschmierte.
AFP/dpa/MDR (jw)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 06. Mai 2024 | 16:00 Uhr
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