Userkommentare Thüringer "Brombeer"-Gespräche befeuerten Diskussionen
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04. November 2024, 10:30 Uhr
Die "Brombeer"-Sondierung dominierte den Oktober weitgehend. Wir schauen auf das Kommentargeschehen dazu, geben Ihnen ein Promille des Inputs auf die Ohren und servieren dänische Erkenntnisse zu Online-Aggression.
Userkommentare im Oktober: Die Zahlen und Top-Themen
Das Brombeer-Geschehen in allen Formen, Farben und Größen beherrschte das Kommentargeschehen mit 35 Prozent der Seitenkommentare plus noch einmal 14 Prozent sonstiger Landespolitik. Eine kleine qualitative Beobachtung: Alle Kanäle durchzog eine ungewöhnlich deutlich wahrnehmbare und deutlich geäußerte Genervtheit vieler User über "Gemecker" und "Genörgel". Dazu ein Update aus den Nachrichten: "Die Menschen in Thüringen gehören bundesweit weiter zu den eher Unzufriedenen. Im neuen Glücksatlas des Allensbach-Instituts für Demoskopie landet Thüringen im Ländervergleich auf Platz 11. Damit hat sich die Lebenszufriedenheit auch in diesem Jahr nicht verbessert. Am zufriedensten sind laut Umfrage die Menschen im Eichsfeld, ganz hinten landen die Kreise Sonneberg und Saalfeld-Rudolstadt. Besonders unglücklich sind die Thüringer mit ihrem Einkommen."
Und noch eine Beobachtung: Es nimmt auch auf der Seite die eher für Facebook typische Angewohnheit zu, nur auf der Basis der Überschrift zu kommentieren, was dann etwas peinlich werden kann, wenn Kritik oder Fragen sich durch Lektüre des Artikels bereits erledigt hätten.
Auf der Website hatten wir 299 eigene Artikel. Davon waren 81 Prozent der Themen außerhalb des "Blaulichtbereichs" (wie Unfälle, Todesmeldungen, Prozesse, Ermittlungsverfahren) kommentierbar. Facebook hatte 212 Postings, Instagram 138. Auf der Website blieben 13 Prozent der kommentierbaren Artikel unkommentiert.
Zur Grafik: Im Januar 2024 lieferten die zwei Durchgänge der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis sehr nennenswerte Kommentarzahlen und im Juni die Kommunalwahlen. Die Zahlen der Landtags-Wahlwoche 2024 wurden bisher nur von denen rund um die Ministerpäsidentenwahlen 2020 übertroffen.
Die Topthemen
"Bb" steht als Abkürzung für "Brombeer"-Sondierungsverhandlungen
In unseren digitalen Kneipen aufgeschnappt
Einige Ihrer veröffentlichten und unveröffentlichten Kommentare - von uns gesprochen. Viel Spaß - und vielen Dank für Beiträge an die User brumbaer68, Daniel Kramer, Danny Eichhorn, DER Beobachter, Der Matthias, Deutscher_Patriot, Eddi58, Ed Mgh, Jens Kuhn, Karsten Klatt, kurtakblack, MalNachdenken, Maria A., Martin Blende, Meine Wenigkeit, Michael Ritterswürden, peppel_art, philiphashtagtjetzt, randdresdner, Tom0815, Tschingis1, Wessi, und einige aus Gründen Ungenannte.
... und noch mehr
Durch den ganzen Oktober zogen sich die Folgen der Regiomed-Insolvenz für Südthüringer Kliniken - sei es mit einer Landrats-Forderung nach Gehaltsreduzierung für Ärzte beziehungweise Entfernung von nicht genug Umsatz generierenden Ärzten bis zur Ankündigung der Klinik-Schließung in Neuhaus.
Von Rettungszeiten über Fallpauschalen und Klinikreform bis zur Frage "staatlich oder privat" nahmen Sie und sehr intensiv auch die User auf Facebook und Instagram dabei das Gesundheitswesen und seine Probleme ziemlich komplett durch, einschließlich des Umgangs damit in den betroffenen Landkreisen.
Beim Thema Energie kann kein Anlass zu klein sein, dass er keine Grundsatzdiskussion auslöst: Diesmal befeuerte sie ein Stromausfall in Erfurt durch ein schadhaftes Kabel aus DDR-Zeiten. Erst recht in DDR-Zeiten zurück reichte die Frage, wann eine ausgeschilderte Geschwindigkeitsbegrenzung wieder aufgehoben ist.
Forschung: Wer ist aggressiv und wie sind die Reaktionen?
Wir hatten schon mal gefragt, woher Schärfe und Aggression in Online-Diskussionen kommen: Aus dem Thema, dem Diskussionsverlauf oder der Persönlichkeit der Beteiligten, auf die es zuletzt deutliche Hinweise gab? Nun kommen weitere Hinweise auf "Persönlichkeit" aus Dänemark: Ein Forscherteam hatte auf sehr persönliche Daten von Twitter-Usern zugreifen können. Anhand zur Verfügung gestellter Namen plus Sozialversicherungsnummern konnte es weitere öffentliche Datenbanken abfragen, unter anderem zu Unterbringung in Kinderheimen oder Pflegefamilien, Umzügen und soziale Situation in der Kindheit sowie eventuellen Vorstrafen. Damit untersuchten sie 1,3 Millionen Tweets von rund 5.000 Usern.
Einen eindeutigen Zusammenhang mit aggresiven Postings gab es bei Usern, die mehrfach strafrechtlich auffällig geworden waren oder die in Kinderheimen/Pflegefamilien ("foster care") gelebt hatten. Sie stellten allerdings nur eine kleine Gruppe im Verhältnis zu einem auf Anhieb überraschenden Pool aggressiver Poster: Menschen, die in wohlhabenden Haushalten aufgewachsen waren und Menschen mit guten Noten und akademischen Abschlüssen.
Die gut situierten Aggros
Die Forscher verwiesen darauf, dass diese Gruppe die Möglichkeiten, Mittel und Freiräume für intensive Online-Aktivität habe und meist überdurchschnittliches Interesse an Politik - einem Thema mit höherem Aggressionspotenzial in Diskussionen als viele andere Inhalte. Das Team sieht in den Ergebnissen einen weiteren Beleg dafür, dass individuelle Prägungen und Eigenschaften eine wichtige Rolle bei aggressivem Online-Verhalten spielen.
Unter dem Stichwort "Jeder kann zum Troll werden" gibt es natürlich auch mindestens eine Studie aus Millionen von Postings, die deutliche Zusammenhänge zum Verlauf von Diskussionen zeigt mit dabei 26 Prozent von "Einmaltätern", die vor und nach einem aggressiven Posting nicht wieder auffielen.
Was wirkt dagegen?
Ein paar Tipps zu Wutbremsen hatten wir hier auch schon mal vorgestellt - auch mit dem Nebeneffekt, verschüttet geglaubte Mathe-Fähigkeiten wieder aufzufrischen ;-)
Ein anderes Team mit Michael Bang Petersen, der auch an der anderen Studie beteiligt war, schaute sich an, ob User untereinander mäßigenden Einfluss ausüben - also aggressiven Postings widerspechen. Eine Umfrage unter mehreren tausend dänischen SocialMedia-Usern ergab ein ziemlich eindeutiges Ergebnis: Die häufigsten Reaktionen auf online wahrgenommenen "Hass" sind rein passive Verhaltensweisen wie der Wunsch nach Abwendung, Wut und Traurigkeit.
Die Passivität der Zuschauer ist besonders dann die Norm, wenn der Online-Hass sich auf andere richtet, was bei weitem das häufigere Szenario ist.
Bei eigenen Handlungen dazu überwog am ehesten, Postings bei den Betreribern zu melden, sehr selten nur gab es eigene (widersprechende) Reaktionen: "Wenn Menschen auf Hass reagieren, ziehen sie die kostengünstige Option des Meldens der kostspieligen Option der Gegenrede vor", heißt es in der Studie dazu.
"Wem es in der Küche zu heiß ist..."
Das Ergebnis daraus ist mit Blick auf Meinungsfreiheit und den individuellen "Preis" für Wahrnehmung von Meinungsfreiheit etwas ernüchternd: "Die Erfahrung von Hass im Internet geht mit einer allgemeinen Zurückhaltung bei der öffentlichen Meinungsäußerung und einem Rückzug aus öffentlichen Debatten einher." Aggression funaktioniert also als Methode, andere von Äußerungen abzuhalten - was mit dem Fachbegriff "silencing" bezeichnet wird, etwa "zum Schweigen bringen".
Vielleicht für Ihre Diskussion in Abwandlung eines Sprichworts: Wie viel Hitze in der Diskussionsküche muss man aushalten können, um sich dort aufzuhalten zu dürfen? Unser Maßstab: Einstecken können wie austeilen sollte Voraussetzung sein, aber in Thüringer Diskussionsküchen keine professionelle Abhärtung. Also gerne so wie im Monatsfinale zu Halloween ;-)
MDR (csr)
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